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Beethovens Echo im 21. Jahrhundert – Rudolf Buchbinder mit alten und neuen Diabelli-Variationen

Rudolf Buchbinder
© Rita Newman
03.03.2020
Im Jahre 1819 wandte sich der Wiener Verleger und Komponist Anton Diabelli mit einem von ihm selbst komponierten Walzer an namhafte Kollegen seiner Zeit und bat sie um eine Variation auf seinen Walzer. Beethoven war zunächst gar nicht begeistert von dem Projekt, das ihn nicht zu inspirieren schien. Irgendwann muss er aber auf den Geschmack gekommen sein, denn 1823 legte er jene 33 Veränderungen über einen Walzer von Anton Diabelli vor, die als sein letztes großes Klavierwerk in die Musikgeschichte einging. Der österreichische Starpianist Rudolf Buchbinder begegneten den Diabelli-Variationen bereits vor sechzig Jahren, als sein Klavierlehrer Bruno Seidlhofer ihm die Noten schenkte. Seither habe ihn Beethovens „letzter Walzer“ nicht mehr losgelassen, so der preisgekrönte Pianist, der heute zu den bedeutendsten Musikerpersönlichkeiten auf dem internationalen Klassikparkett zählt. Vor dem Beethoven-Jahr 2020, dem 250. Geburtstag des Wiener Klassikers, hat Buchbinder die Diabelli-Variationen nach eigenem Verlautbaren insgesamt 99 Mal öffentlich gespielt. „Kein Komponist“, resümiert er, “begleitet mich so intensiv wie Ludwig van Beethoven, und keines seiner Werke ist mir so sehr zum Lebens-Leitmotiv geworden wie seine Diabelli-Variationen.”

Moderner Künstler

Buchbinders Landsmann, sein schillernder Pianistenkollege Friedrich Gulda, soll ihn einmal gefragt haben: “Sag einmal, ist dir der Beethoven net schon fad?” Buchbinder muss ihm ebenso einfach wie aufrichtig geantwortet haben, dass er immer wieder Neues an Beethoven entdecke. So berichtet es der legendäre Musikkritiker Joachim Kaiser, der Rudolf Buchbinder nicht nur für einen der berufensten Beethoven-Interpreten hält, sondern für “das größte pianistische Naturtalent” überhaupt. Bei dem österreichischen Klaviervirtuosen fänden die Finger wie von selbst zu den Tasten, so Kaiser. 
Rudolf Buchbinder, der im Vorjahr exklusiv bei Deutsche Grammophon unterzeichnete, ist ein moderner Künstler, ein Mann, der ganz der Gegenwart angehört. Wenn er sich Beethoven nähert, dann von seinen eigenen Emotionen ausgehend. “Er ist nicht in der Vergangenheit hängen geblieben”, so der Dirigent Wolfgang Sawallisch über den Pianisten. “Tempo, Agogik, Ausdruck – er sieht und hört das mit dem Gefühl unserer Tage.” Das prädestiniert ihn nun wiederum wie kaum einen anderen Pianisten dazu, Beethovens musikalische Größe im 21. Jahrhundert erlebbar zu machen.

Beethoven 2020: “The Diabelli Project”

Diesem Ziel hat sich der Klaviervirtuose mit seinem ambitionierten Diabelli-Projekt verschrieben. Rudolf Buchbinder hat 12 Schlüsselfiguren der zeitgenössischen Komponistenszene gebeten, ihre eigene Sichtweise auf den Diabelli-Walzer zu komponieren. Die Ergebnisse präsentiert er jetzt, zusammen mit einer Neueinspielung von Beethovens Diabelli-Variationen und den seiner Ansicht nach schönsten Diabelli-Variationen aus Beethovens Zeit, auf seinem neuen Album. “The Diabelli Project” ist Buchbinders Debüt bei Deutsche Grammophon. Das Album wird als eine der wichtigsten Veröffentlichungen zum Beethoven-Jahr 2020 gehandelt. 
Mit Recht, wie man jetzt sagen kann, denn Buchbinders Programm ist absolut elektrisierend. Der Pianist lässt mit seinem Album ein gewaltiges Echo auf Beethovens Schaffen erschallen. Mit jugendlicher Energie stürmt er durch Beethovens Diabelli-Variationen. Danach widmet er sich ebenso akribisch wie leidenschaftlich dem bunten Strauß der 2020er-Variationen, bevor er mit den Highlights von 1824, darunter die großartigen Variationen von Schubert, Liszt und Czerny, das Album furios beschließt. 
Aus dem Bestand an neuen Kompositionen stechen die Diabelli-Variationen von Lera Auerbach, Max Richter und Jörg Widmann hervor. Auerbachs dunkle Poesie nimmt das Tempo aus dem Walzer und verleiht ihm eine Stimmung melancholischer Nachdenklichkeit. Richter übersetzt den Walzer in eine quirlige Klangsprache. Diese Strategie scheint auch der Münchener Komponist Jörg Widmann zu verfolgen, allerdings nicht so reduziert wie Richter, sondern in wuchtiger, sinnlicher Manier, versetzt mit “Boogie-Woogie”-Elementen. Über letztere hat sich Rudolf Buchbinder besonders gefreut, “denn diese Musik verbinde auch ich gern mit Beethoven”, dessen unverminderte Vitalität der österreichische Pianist mit seinem Album eindrucksvoll demonstriert.  

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