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Jahresrückblick 2017 – ECM New Series

ECM New Series
© ECM
14.12.2017
Seit Manfred Eicher 1984 mit der Veröffentlichung von Arvo Pärts "Tabula Rasa" das ECM-Unterlabel ECM New Series startete, hat es sich zu einer der weltweit führenden Plattformen für zeitgenössische und klassische Musik entwickelt. Unterstrichen wurde dieser Status gerade erst dadurch, dass Eicher bereits zum zwölften Mal für einen Grammy in der Kategorie “Classical Producer of the Year” nominiert wurde.  

Tigran Mansurian – emotionaler Spagat zwischen westlicher und östlicher religiöser Tradition

In seinem Album "Requiem" erinnert der armenische Komponist Tigran Mansurian an den Genozid, dem sein Volk während des Ersten Weltkriegs zum Opfer fiel. Das für Sopran, Bariton, Chor und Streichorchester komponierte Werk entstand in den Jahren 2010 und 2011 und wurde nun erstmals mit Anja Petersen, Andrew Redmond, dem RIAS-Kammerchor und dem von Alexander Liebreich dirigierten Münchener Kammerorchester für die ECM New Series aufgenommen. Als “Trost in stillem Dur” bezeichnete Jan Brachmann die “meisterhafte Aufnahme” in der FAZ Woche. “Spannung und Ausdruck, Ausgewogenheit und Größe kennzeichnen die Interpretation mit einer starken, suggestiven Kraft, die aus dem Innern kommt, und bei Chor und Orchester ein Musikmachen erzeugt, das sich streckenweise in höchster Konzentration verdichtet”, schrieb Remy Franck in Pizzicato. “Der Chor ist von stupender Reinheit, das Orchester hoch intensiv.” Im St. Galler Tagblatt meinte Rolf App: “Mansurians ‘Requiem’ ist anders, ganz anders. Ruhig fließt es über weite Strecken dahin, zieht weite melodische Bögen, ganz filigran ist der Orchestersatz angelegt. Vom Chor geht eine starke meditative Grundstimmung aus, aus der die Solisten nur dann und wann mit ihren schönen Stimmen hervortreten. Alles zusammen wird zum großen Erlebnis.” Und im Südwestrundfunk merkte Christine Lemke-Matwey an: “Mansurian gilt als ausdruckstiefer, spiritueller, ja mystischer Komponist, als Vorbilder nennt er Komitas, den Begründer der modernen klassischen Musik in Armenien, und Claude Debussy – und nichts anderes als eine unerhörte Lebens-, Geistes- und Glaubensspannung hört man in dieser Requiem-Vertonung auch. […] Ein in seiner Direktheit eindrückliches Stück Musik, im emotionalen Spagat zwischen westlicher und östlicher religiöser Tradition!” 

Momo Kodama – Dialog über Kontinente und Jahrhunderte hinweg

Die Japanerin Momo Kodama hat sich als grenzüberschreitende Interpretin moderner Klavierliteratur einen Namen gemacht. Auf “Point And Line”, ihrem zweiten Album für die ECM New Series, schlägt sie ebenso diskret wie raffiniert eine Brücke zwischen Orient und Okzident sowie der Musik des frühen 20. Jahrhunderts und der Gegenwart, indem sie Etüden von Claude Debussy und dem japanischen Avantgarde-Komponisten Toshio Hosokawa miteinander verbindet. “Das Prinzip ist einfach, der Effekt groß”, konstatierte Cécile Olshausen in Kulturtipp. “Die Pianistin Momo Kodama kombiniert Etüden von Claude Debussy (1862–1918) mit solchen von Toshio Hosokawa (*1955). Reizvoll sind dabei vor allem die Übergänge zwischen den Stücken der beiden Klangmaler. Im Wechselspiel tritt die eigentliche Modernität der Debussy-Etüden noch deutlicher hervor, und Hosokawas weichgezeichnete Klangwolken gewinnen an innerer Spannung.” Im Südwestrundfunk meinte Christine Lemke-Matwey: “Die Nr. 1 aus seinen ‘Etudes pour piano’ (Lesure 136) hat Debussy ‘Pour les cinq doigts – d’après Monsieur Czerny’ überschrieben – ‘Für alle fünf Finger – im Geiste Czernys’ -, und genau das hört man in dieser wunderbar unprätentiösen, perlend klaren Aufnahme: die Finger, natürlich, den alten Czerny, den Witz des späten Debussy, und wie sich hier die Zeiten, Stile und Räume geradezu magnetisch durchdringen. […] Wie sich die Klangwelten dieser beiden Komponisten, Hosokawa und Debussy, auf dieser CD verschränken, das hat etwas Bestrickendes, da entspinnt sich ein Dialog über Kontinente und Jahrhunderte hinweg.”

Mieczyslaw Weinberg – durchweg intensive, emotional direkte Musik

Kein Komponist ist in den letzten Jahren mit so viel Begeisterung entdeckt worden wie Mieczysław Weinberg, dessen Mentor kein Geringerer als Dmitri Schostakowitsch war. Zu Weinbergs Geburtstag am 27. Februar veröffentlichte Gidon Kremer mit der Kremerata Baltica ein Doppelalbum mit den Kammersinfonien des lange Zeit vergessenen und unterschätzten Genies. “Gidon Kremer und seine Kremerata Baltica waren mit die ersten, die das unglaublich reiche und vielfältige Werk von Mieczysłav Weinberg entdeckten, wertschätzten und der Öffentlichkeit präsentierten”, so Annika Täuschel auf BR-Klassik. “Und die Mission dauert an: auf dem aktuellen Doppelalbum befinden sich – erstklassig musiziert – ein Arrangement jenes Klavierquintetts von 1944 und die vier Kammersymphonien von Weinberg. Quasi musikalische Tagebücher, intime Zeugnisse, Gidon Kremer sagt: ‘persönliche Reflexionen eines großen Komponisten über seine Lebenszeit’. […] Hört man Weinbergs Kompositionen zum ersten Mal, fällt die Nähe zu Schostakowitsch ins Auge. Bleibt man dann dran, an den spannenden Klängen, erkennt man die Verschiedenartigkeit im Detail und die feinen Differenzen dieser beiden großen Musiker und feinsinnigen Künstler, die beide unter Stalin und Breschnew gelitten und mit ihrer seelischen und körperlichen Gesundheit für die Integrität ihrer Kunst bezahlt haben. Mögen sich weiter viele von Gidon Kremer und der Kremerata Baltica inspirieren lassen: zum Hören und Spielen von Weinbergs Musik.” “Dieses neue Album wirft die Frage auf, warum ein Komponist mit solch einer durchweg intensiven, emotional direkten Musik im Westen während seiner gesamten Karriere so gut wie unbekannt geblieben ist”, stellte Allan Kozinn verwundert im Wall Street Journal fest.

György Kurtág – Präzision in höchster Verdichtung

Feinfühligkeit und Präzision sind erforderlich, wenn man komplexe Werke der zeitgenössischen Musik adäquat interpretieren möchte. Über beides verfügt das Ensemble Asko|Schönberg in hohem Maße. Seit vielen Jahren zählt das niederländische Kammerorchester zur Elite der Neue-Musik-Ensembles. Auch der Niederländische Rundfunkchor, der mit 74 Vokalisten den größten Berufschor der Niederlande darstellt, gilt seit vielen Jahren als versierter Klangkörper für zeitgenössische Musik. Gemeinsam mit diesen beiden Spitzenensembles und hochrangigen Solisten wie der russischen Sopranistin Natalia Zagorinskaya, der serbischen Pianistin Tamara Stefanovich und dem französischen Cellostar Jean-Guihen Queyras hat der Dirigent Reinbert de Leuuw über drei Jahre hinweg ein besonderes Projekt verwirklicht: die Gesamtaufnahme aller Werke von György Kurtág für Ensemble sowie für Ensemble und Chor. Georg Albrecht Eckle schieb dazu in der ZEIT “ECM ehrt György Kurtág, die ungarische Ikone der Neueren Musik, mit einer nahezu perfekten Edition seines Gesamtwerks für Ensemble und Chor. Kurtàg selbst bezeichnet die Realisierung seiner Werke unter Leitung von Reinbert de Leeuw mit dem Asko Schönberg Ensemble und dem Netherlands Radio Choir als ‘authentisch’: was wir hier hören, das soll so sein. Und es bewegt.” “Die versammelten kurzen, enorm verdichteten Stücke beinhalten Abstraktionen von Gefühlen und sozialen Widersprüchen”, meinte Philipp Dingeldey in Crescendo. “Die Musik ist voller dramatischer Impulse, zwischen ästhetischer Anteilnahme am subjektiven Leid und monströser Unerbittlichkeit in einer gebrochenen Welt. Angereichert werden die Werke mit experimentellen Gesängen, die absurd bis beklemmend wirken. Die Verse sind inspiriert von den Werken Hölderlins, Dostojewskis, Achmatowas und Kafkas. Freunde der Neuen Musik werden von de Leeuws nuancierter und einfühlsamer Interpretation von Kurtágs Werk begeistert sein.” Im Literaturspiegel brachte Johannes Saltzwedel sein Urteil folgerndermaßen auf den Punkt: “Präzision in höchster Verdichtung zeichnet die Werke des Ungarn aus. Reinbert de Leeuw steuert den Ton-Pointillismus kongenial.”

John Potter – sublim und äußerst delikat

John Potter, langjähriges Mitglied des Hilliard Ensembles, scheint nicht zu ruhen, ehe er nicht die letzte Trouvaille des Renaissance- oder Barockzeitalters geborgen hat. Der verschwenderische Reichtum dieser frühen Epochen der abendländischen Musikentwicklung scheint unerschöpflich. Auf “Secret History” widmete sich Potter nun zusammen mit Anna Maria Friman (Trio Mediæval) und einigen exzellenten Instrumentalisten Liedern der beiden Renaissance-Komponisten Tomás Luis de Victoria und Josquin Desprez. "Das Ergebnis ist überzeugend, nicht zuletzt, weil Ariel Ambramovich, Jacob Heringman, Lee Santana und Hille Perl als Kenner dieser Musik genau wissen, was sie tun", urteilte Helga Heyder-Späth, im Deutschlandfunk. “Das gilt auch für die beiden Sänger. An der Seite von John Potter ist Anna Maria Friman vom Trio Mediaeval zu hören. Beide gestalten die fließenden Linien ihrer Partien schlank und nuanciert. Berührend ist ihre Interpretation der Chanson-Motette ‘Nymphes des Bois’. Dieser Klagegesang auf den Tod seines Lehrers Johannes Ockeghem gehört zu den expressivsten Werken von Josquin.” Auf BR Klassik schwärmte Susanne Schmerda: “Anstelle üppiger Vokalpolyphonie und eines vielstimmigen Chores, der Victorias ‘Missa Surge Propera’ in einer hohen Kathedrale vorträgt, hören wir John Potters schönen Solo-Tenor, dazu Jacob Heringman und Ariel Abramovich, die auf der Vihuela, jenem Instrument des ‘missing link’ zwischen Laute und Gitarre, die übrigen Vokallinien sublim und äußerst delikat ausfüllen. Genau dies scheint das Geheimnis zu sein, auf das der Titel anspielt: dass die Zeitgenossen von Josquin Desprez und Victoria deren vor vier- und fünfhundert Jahren komponierte Chormusik nicht als unumstößliche sakrosankte Werke verstanden, sondern zur Anregung nahmen für eigene Adaptionen. Häufig entstanden auf diese Weise intime Lautenstücke, in denen die bekannten Melodien weiterlebten – eine gängige Bearbeitungspraxis der Renaissance. Bei John Potter wird die Musik erst zerlegt, dann wieder unorthodox neu zusammengefügt, teils zum Vokalduett, in das sich Anna Maria Frimans klarer Sopran geschmeidig einfügt. Die schwedische Sopranistin ist ein Glücksfall für John Potter.”

Alexei Lubimov – mit Akribie und Herzblut

Zunächst als Interpret Neuer Musik bekannt geworden, befasst sich der russische Pianist Alexei Lubimov seit Mitte der 1970er Jahre auch eindringlich mit historischen Instrumenten. Auf seinem neuen Album demonstriert er die visionäre Modernität C. P. E. Bachs auf dem Tangentenklavier, das eine Zwischenform von Clavichord, Cembalo und Hammerklavier ist. "Diese neue Aufnahme zeigt eindrucksvoll: zum einen, wie entschlossen sich Carl Philipp Emanuel Bach von seinem berühmten Vater zu emanzipieren versuchte; zum anderen, wie vertraut Alexei Lubimov im Umgang mit den Klangmöglichkeiten historischer Instrumente ist", meinte Christoph Vratz auf NDR Kultur. “So unspektakulär diese Musik auf den ersten Eindruck gelegentlich auch wirken mag: Der Bach-Sohn wagt für seine Zeit teilweise Ungeheuerliches. Kein Wunder, dass Mozart und andere immer wieder sich seine Ideen zu Herzen genommen haben. Allein die Kontraste am Beginn der G-Dur-Sonate zeigen, wie weit Carl Philipp Emanuel sich von den Traditionen des Barock-Zeitalters entfernt hat. Alexei Lubimov macht mit Akribie und Herzblut Werbung für diese Musik. Er lässt sie melancholisch klingen, aufmüpfig, zart, erregt, humorvoll. Das macht diese Aufnahme zu einer aufregenden Entdeckungsreise.” In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schrieb Martin Wilkening: “Die einzelnen Gesten besitzen bei Lubimov scharf geschnittene Präsenz bis in die schnörkelhaften Verzierungen hinein, und trotzdem fügt sich alles unter den Spannungsbogen, den Bach bis zum Zerreißen dehnt. […] Auf dem Tangentenflügel wirkt dieser Gang ins Innere viel unvermittelter, straffer, nicht wie im Konzertsaal, sondern  wie die unmittelbare Mitteilung an den direkt daneben sitzenden Zuhörer. Für den sind auch die miniaturartigen, oft nur dreißig Sekunden langen Einfälle bestimmt, die Bach ebenfalls unter dem Titel ‘Fantasie’ oder als ‘Solfeggio’ veröffentlichte, originelle musikalische Momentaufnahmen, die ohne Einbettung in größere Form, ganz für sich stehen sollen.”

Valentin Silvestrov – subtil poetische Anspielungen

Am 30. September 2017 feierte der ukrainische Komponist Valentin Silvestrov seinen 80. Geburtstag. Rechtzeitig zu diesem Jubiläum spielte die deutsche Cellistin Anja Lechner mit ihrer französischen Kollegin Agnès Vesterman eine Reihe von Werken ein, die der  bedeutenden Avantgardist für ein und zwei Violoncelli geschrieben hatte. “Die schöpferischen Momente Silvestrovs gleichen Augenblicken, die sich plötzlich entflammen, wartungsvoll einen Übergang schaffen, in dem die Melodie in klare Motive zersplittert wird, um sich wie in einem Dämmerzustand entrückt aufzulösen”, beobachtete Egon F. Bezold in Der Opernfreund. “Silvestros Klänge im kleinen Format verkünden subtil poetische Anspielungen, stehen wie der ‘Walzer in Alpenglöckchen’ an der Wiege zum Schweigen. Alles klingt elegisch, drückt eine stille Kontemplation aus, spiegelt suggestive Qualitäten. Die musikalische ‘Rede’ widerfährt durch den technischen Apparat von ECM große Sorgfalt. Der kompositorischen Ästhetik dienen hingebungsvoll die Cellostimmen von Anja Lechner und Agnès Vesterman im Solo wie in der Duo-Formation.” In Pizzicato schrieb wiederum Uwe Krusch: “Die beiden Instrumentalistinnen, Anja Lechner und Agnès Vesterman, setzen sowohl ihr ausgeprägtes musikalisches Empfinden als auch ihre technische Versiertheit ein, um diese innige, fast wie ein stilles Gebet wirkende Musik zu gestalten. Damit gelingt ihnen eine sehr intensive Interpretation, die den aufmerksamen Hörer in ihren Bann zieht. Der moderne Nebenbeihörer wird die Schönheit der Werke wegen der durchweg piano oder leiser ausgerichteten Musik nicht wahrnehmen. Den Musikerinnen bietet sie die Gelegenheit, in wechselnden Rollen miteinander zu ‘unterhalten’, da die Duos mal die führende Stimme beim einen und die begleitende beim anderen Cello sehen und dann auch andersherum. Dabei wird auch das gute musikalische Einvernehmen der beiden Streicherinnen deutlich.”

Lusine Grigoryan -  Komitas‘ unerschöpflicher Klangkosmos

Komitas gilt heute als Wegbereiter der modernen armenischen Musik. Der Komponist schöpfte aus den Tiefen der armenischen Liedkultur, deren verborgene Potenziale er an die Oberfläche holt. Dabei erschuf er eine ureigene Klangsprache, die sich durch melodiöse Einfachheit genauso auszeichnet wie durch vertiefende Wiederholungen einzelner Motive oder Einfälle. So erzeugte er beiläufig eine minimalistische Klangatmosphäre, die weit ins 20. Jahrhundert vorauswies. Für ihr ECM-Debüt “Seven Songs” interpretierte die armenische Pianistin Lusine Grigoryan mit transparenter Artikulation eine Reihe kürzerer Klavierwerke des visionären Tonschöpfers als auch die umfangreichere Komposition “Msho Shoror”. “Komitas. Schon der Name klingt geheimnisvoll, fast mystisch”, befand Guido Krawinkel in Crescendo. “Die Musik ist nicht weniger faszinierend, denn diese ganz eigentümliche Mischung aus archaischen Historismen, volkstümlichen Melodien, komplexen Rhythmen und eher simplen, zuweilen jedoch sehr überraschenden Harmonien ist einzigartig. […] Lusine Grigoryan widmet sich Komitas' unerschöpflichem Klangkosmos mit bewundernswerter Gleichmütigkeit: fein ziseliert in den vielen rhythmischen und melodischen Verästelungen, gut austariert im Hinblick auf die Gestaltung aller musikalischen Parameter und überzeugend nachempfunden hinsichtlich des weiten Atems, den diese Musik verlangt.” Ähnlich begeistert äußerrte sich Christine Lemke-Matwey im Südwestrundfunk: “Die armenische Pianistin Lusine Grigoryan hat eine ganze CD mit Klaviermusik des armenischen Musikers veröffentlicht. Was man darauf hört, ist wahrhaft einzigartig (und wer schon einmal in Armenien war, der sieht sicher Bilder der kargen, großartigen Landschaft rum um den Ararat vor seinem inneren Auge): Volksmusik mit höchstem Kunstanspruch, emotionale Tiefe bei größter Reduktion der musikalischen Mittel, Meditation bei äußerster Wachheit des Geistes.”

Danish String Quartet – Klangschönheiten aus dem hohen Norden

In Skandinavien haben Größen wie das schwedische Trio Mediæval oder das Danish String Quartet vielbeachtete Beiträge zur Renaissance nordischer Folklore geleistet. Was diese Ensembles eint, ist, dass sie das Erbe ihrer Musiktradition tief in sich spüren und in die moderne Zeit hinüberretten wollen. Bekanntgeworden als Streicherensemble, das klassische und zeitgenössische Quartett-Literatur mit fiebriger Gespanntheit zu interpretieren weiß, hat das Danish String Quartet auch auf dem Gebiet des Folk schon entscheidende Akzente setzen können. Mit “Last Leaf” legte das Ensemble in der ECM New Series ein Album vor, das ganz der nordischen Folklore gewidmet ist. "Mit dem Programm des Albums ‘Last Leaf’ durchstreift das Danish String Quartet verschiedene Regionen in Europa und mehrere Jahrhunderte der Musikgeschichte", berichtete Marcus Stäbler im Westdeutschen Rundfunk. “Dabei sind die einzelnen Stationen kunstvoll miteinander verknüpft; viele Stücke gehen direkt ineinander über und verwachsen so zu einem Ganzen.” Im Bayrischen Rundfunk ging Susanne Schmerda mehr ins Detail: "Klangschönheiten aus dem hohen Norden, aus Dänemark, Schweden und von den Shetland-Inseln. Traditionelle Volksweisen, Kirchenlieder oder Tänze zu Kirchweih und Hochzeit, umwoben von der Melancholie vergangener Zeit. Was einst von Seeleuten gesungen oder von Fiddler-Persönlichkeiten ersonnen und gespielt wurde, erscheint nun im klassischen Gewand eines Streichquartetts. Gehoben und arrangiert hat diese Schätze das Danish String Quartet, drei Dänen, ein Norweger, die seit 2008 zusammenspielen. Sechzehn Stücke präsentieren sie mit üppigem Klang und virtuosem Zugriff. […] Einen erstaunlichen Sog entwickeln diese kurzen, gerade einmal ein bis vier Minuten langen Stücke, dem man sich kaum entziehen mag."

Yuuko Shiokawa / András Schiff – ein anregendes und abwechslungsreiches Zusammenspiel

Der Pianist András Schiff und die Violinistin Yuuko Shiokawa haben seit jeher ein Faible für komplexe Kompositionen mit überraschenden Rhythmen, differenzierten Harmonien und vieldeutigen Anspielungen, aus denen sich ein musikalischer Dialog entwickeln kann. Sonst springt der Funke nicht über und die nötige Gespanntheit, die für das gemeinsame Musizieren grundlegend ist, baut sich nicht auf. Wenn die Voraussetzungen ihres Musikverständnisses jedoch erfüllt sind, dann gehen Schiff und Shiokawa aufs Ganze. So wie auf ihrem neuen Album mit anspruchsvollen Violinsonaten von Bach, Beethoven und Busoni. “Ein Weltmann ersten Ranges war Ferrucio Busoni, eine der großen Portalfiguren der Musik des 20. Jahrhunderts”, schrieb Harald Eggebrecht in der Süddeutschen Zeitung. “Seine 2. Violinsonate op. 36a hat jetzt das Musikerpaar Yuuko Shiokawa und András Schiff so eingespielt, dass die enorme Vielschichtigkeit, Beredsamkeit und der unverwechselbare Charakter von Busonis emphatischer Musik unmissverständlich zum Ausdruck kommt. Shiokawa, deren Karriere einst von Rafael Kubelik befeuert wurde, lässt sich so engagiert wie abgeklärt auf Busonis Schwärmen ein und führt mit Schiff einen bezwingenden Dialog.” Im Westdeutschen Rundfunk meinte Chantal Nastasi: “András Schiff und seine Frau Yuuko Shiokawa überzeugen mit vielen Details und mit Nuancen in der Artikulation, vor allem sein Spiel ist vom Klang historischer Tasteninstrumente geprägt. Ein anregendes und abwechslungsreiches Zusammenspiel, dem man gerne zuhört.” 

Thomas Demenga – tanzbeinschwingende, aber dennoch sehr intime Interpretationen

Thomas Demenga hat sich Zeit seines Lebens mit Johann Sebastian Bach befasst. Der deutsche Komponist ist für ihn das Non plus ultra der Musik. Für den Schweizer Cellisten gibt es keinen Tonschöpfer, der die Höhe Bachs erreicht hat. Auf seinem jüngsten Album legte Demega nun erstmals einen vollständigen Zyklus der technisch wie atmosphärisch hochversierten Cello-Suiten vor. “Sein sorgfältiges Studium der Musik schlägt sich in ausgeklügelten Verzierungen und Tempoänderungen nieder”, merkte Ole Pflüger in Fono Forum an. “Die Dialoge, die Bach in viele Sätze hineinkomponiert hat, versteht er in ihrer ganzen Vielstimmigkeit wiederzugeben. Demenga kann auf ein beeindruckendes Repertoire an Strichtechniken zurückgreifen, mit denen er heisere, rauchige oder säuselnde Stimmen imitiert.” In der NZZ am Sonntag schrieb Christian Berzins über das Album: “Eine tanzbeinschwingende, aber dennoch sehr intime Interpretation der sechs Cello-Suiten J.S. Bachs […] in der Tongebung zurückhaltend, warm und überaus klangsprechend.” 

Bruno Maderna / Luciano Berio – faszinierender musikalischer Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Die beiden italienischen Avantgarde-Komponisten Bruno Maderna und Luciano Berio schufen, ein jeder auf seine Weise, eine vollkommen neuartige Tonsprache. Unter der Leitung von unter Dennis Russell Davies hat das Orchestra della Svizzera italiana Madernas Transkriptionen von Werken Gabrielis, Frescobaldis, Legrenzis, Viadanas und Wassenaers sowie mit Pablo Márquez an der Solo-Gitarre Berios “Chemins V” für die ECM New Series eingespielt. “Bruno Maderna und Luciano Berio interessierten sich für die Musik anderer Jahrhunderte genauso wie für die Musik ihrer Gegenwart”, berichtete Meret Forster im Bayerischen Rundfunk. “Besonders Maderna beschäftigte sich intensiv mit italienischer Renaissance- und Barockmusik und bearbeitete sie für moderne Instrumente. Berio setzte sich in einer ganzen Werkreihe mit eigenen Stücken auseinander, die er in Neukompositionen für Orchester und Solopart erweiterte. Eine aktuelle CD des Labels ECM führt unter dem Motto ‘Now, and Then’ Transkriptionen von Berio und Maderna zusammen. […] Für das neue Maderna-Berio-Album hat Dennis Russell Davies mit dem Gitarristen Pablo Márquez und dem Orchestra della Svizzera italiana Berios ‘Chemins V’ für Gitarre und Kammerorchester erstmals aufgenommen. Dieses Stück von 1992 basiert auf der Sequenza XI für Gitarre solo. Laut Berio ist es deren ‘beste Analyse’. […] ‘Now, and then’ – so heißt diese neue CD mit Musik von Luciano Berio und wunderbaren Transkriptionen von Bruno Maderna. Wenn für Maderna die Transkription alter Musik vor allem ‘Deuten’ heißt, begegnet man bei Berio eher einer ‘analysierenden Umschrift’. Die Gegenüberstellung beider Arbeitsweisen ist jedenfalls ein faszinierender musikalischer Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart, eindrücklich interpretiert und transparent gemacht. Ein besonderes, ein tolles Album!” In Crescendo schrieb Stefan Sell: “Seine bestechend transparent 'deutende Umschrift der Orchestrierungen von Frescobaldi, Legrenzi, Gabrieli, Viadana und Wasenaer lässt spüren, wie Maderna die Tonlinien durch die Instrumentierung neu zu weben vermochte. Luciano Berios ‘Chemins V’ ist seine ‘Analyse einer Sequenz’, nämlich der ‘Sequenza XI’, die Pablo Márquez, eingebettet in den Orchesterkommentar, ausgefeilt zu spielen weiß. Wie feinfühlig austariert Dirigent Russell Davies die ‘neue’ Musik der beiden Wegbereiter interpretiert, ist eine Entdeckung.”

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