Musikstreaming wird immer beliebter.
Spotify, Google-Play, Juke und Co. sind für die meisten jungen Internetnutzer völlig selbstverständlich geworden. Während die Verkäufe von digitalen Downloads schwinden, streamten, laut dem Mediendienst Soundscan, die Amerikaner im vergangenen Jahr 164 Milliarden Songs – 54% mehr als im Vorjahr in den USA. Vor einigen Jahren war so etwas noch undenkbar: Zu wenig Netze, zu teuer die mobile Datenübertragung.
Mittlerweile gibt es in Deutschland über
15 Streamingdienste. In ihrem Katalog unterscheiden sie sich nur marginal voneinander, stellte kürzlich das Magazin Musik-Markt heraus. Und die Soundqualität? Klanglich war insbesondere den Klassikhörern der musikalische Datenstrom aus dem Netz bisher zu flach. Zu platt obendrein die vom Algorithmus herausgefilterten Empfehlungen der Dienste.
Virtuelle Plattenläden – Musikstreaming mit über 30 Millionen Titeln Die Vorteile der Streaming-Technologie liegen mit dem Smartphone oder Tablet auf der Hand. Rund
30 Millionen Titel verschiedener Genres stehen in den virtuellen Plattenläden bereit – fast zwei Millionen Titel davon sind Klassische Musik. Das Ganze läuft gleichermaßen auf iOS- und Android-Geräten, PCs und Macs.
Hauptargument dagegen: Die gängigen Dateiformate mit einer maximalen Wiedergabe von bis zu
320 kbit/s sind zu komprimiert und haben daher keine Dynamik. Ein Fade-Out kommt beispielsweise gar nicht mehr rüber. Kein leidenschaftlicher Musikfan möchte eine
Sinfonie von Mendelssohn oder die kammermusikalischen Nuancen des
Beaux Arts Trios in so einem Format hören.
Deezer, Tidal & Qobuz bieten Musikstreaming in High Definition Nun bröckelt die Bastion der Tonträger-Verfechter. Gleich drei Dienste –
Deezer, Tidal und
Qobuz – haben ihr Programm mit unkomprimierten, so genannten FLAC-Dateien erweitert. Ihre digitalen Audiostreams erreichen dort mit
1411 kbit/s die Abtastrate einer CD (44,1 kHz, beziehungsweise 1,4 Megabit pro Sekunde) und übertragen dementsprechend in HiFi-Qualität (oder auch HD = High Definition) – sofern das Endgerät das entsprechende Format unterstützt.
Was kostet HD Musikstreaming? Im Abo kosten diese High-End-Varianten bei
Tidal und
Qobuz rund 20 Euro im Monat.
Deezer unterbietet dies momentan deutlich mit seinem Elite-Tarif, der schon für die Hälfte zu haben ist (Angebot bis Februar 2016 bei einem Jahr Mindestlaufzeit), allerdings bisher nur auf Sonos-Geräten zur Verfügung steht. Fünf Jahre nach seinem Start hat Deezer dem schwedischen Streaming-Platzhirschen Spotify den Kampf angesagt. Mit 16 Millionen aktiven Nutzern liegt Deezer noch deutlich hinter Spotify (75 Millionen User).
Tidal sei dagegen nicht für jedermann, sondern “für Leute gedacht, die von der immer schlechter werdenden Klangqualität von gestreamter Musik frustriert sind”, sagte der ehemalige Tidal-Geschäftsführer
Andy Chen dem Schweizer Technikmagazin Futurezone. Mit Tidal haben erstmals einige Künstler selbst: darunter
Jay-Z, Rihanna und
Madonna ihren eigenen Musik-Streaming-Dienst gegründet.
HD Audio Streaming: Hört man wirklich einen Unterschied bei höherer Abtastrate? Bei welchen Musikgenres hört man überhaupt wirklich den großen Unterschied zwischen mageren 320- und fetten 1411 kbit/s? Bei einem R&B-Track von
Beyoncé? Einem Country-Song von
Taylor Swift (die äußerst medienwirksam vor einem halben Jahr ihren Katalog bei Spotify entfernen ließ)? Rockfans und Elektro-Enthusiasten, die als Gasthörer an einem Test von n-tv.de teilnahmen, hörten ihn im Vergleich seltener. “Deutlich treffsicherer waren Jazz- oder Klassik-Liebhaber, Fans von Liedermachern erkannten ebenfalls oft die bessere Qualität”, so das Ergebnis.
Algorithmen vs. Empfehlungen von Musikexperten Ebenso wie an der Wichtigkeit der
Klangqualität scheiden sich die Geister an den
musikalischen Empfehlungen der meisten Streamingdienste. Sie gelten oft als größtes Argument für ein Abo, sollen maßgenau auf den Hörer zurechtgeschnitten sein. Zu oberflächlich die Vorschläge, unerfreulich die Verwertung der Nutzerdaten, monieren die Kritiker. Die Analogien würden anspruchsvollen Musikhörern nicht gerecht, sagt auch Yves Riesel, der Geschäftsführer von Qobuz, dessen Dienst auf die manuelle Dokumentierung und Indexierung wie auch auf eine solide redaktionelle Begleitung der Hörer setzt. So sollen algorithmisch verdünnte Präferenzen zu fundiert kuratierten Inhalten werden. Die musikalischen Schwerpunkte von
Qobuz liegen bei Klassik, Jazz und Weltmusik.
Bei
Deezer sei 20% der Belegschaft dafür zuständig, neue Talente zu scouten und redaktionell zu arbeiten, erklärte der Deezer-Redakteur Sam Lee auf der diesjährigen Midem-Musikmesse in Cannes. So kann der Hörer auch mal mit etwas Neuem überrascht werden. Mit Tidal wolle er den Leuten nicht nur Musik in hochwertiger Klangqualität bringen, sagte Jay-Z, aktuell der Haupteigentümer von Tidal, im März dem Billboard-Magazin, sondern er wolle auch mit der Schnäppchenkultur des Internets brechen, mit den mikroskopischen Künstler-Tantiemen der großen Streaming-Anbieter.
Musikstreaming-Probe-Abos: Überzeugen Sie sich selbst! Mit den
Gratis-Probe-Abos aller genannten Streaming-Dienste kann nun jeder selbst problemlos herausfinden, ob sich HD-Streaming wirklich lohnt. Wahrscheinlich ist: insbesondere Klassik-Fans werden von den neuen Angeboten profitieren, die Pop-Hörer im Netz werden sie vermutlich kalt lassen.