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Facetten hoher Klavierkunst – Glanzvolle Aufnahmen von Michelangeli, Pollini und Brendel

Arturo Benedetti Michelangeli
© Siegfried Lauterwasser / DG
08.01.2020
Die Klavierkunst lebt von herausragenden Persönlichkeiten. Die Ausstrahlung eines Pianisten, seine jeweilige Spielkultur und virtuose Klasse bilden die Essenz, die über den unvergleichlichen Geschmack eines Interpreten entscheidet. Mit Arturo Benedetti Michelangeli‚ Maurizio Pollini und Alfred Brendel haben am 5. Januar 2020 gleich drei Pianisten von Weltrang Geburtstag, die mit ihren je unterschiedlichen Temperamenten und musikalischen Ideen die Klavierkunst der Gegenwart maßgeblich geprägt haben. Grund genug, ihren jeweils spezifischen Kern und ihre wichtigsten Aufnahmen in Erinnerung zu rufen. 

Der Extravagante: Arturo Benedetti Michelangeli

Der älteste der drei Jubilare ist Arturo Benedetti Michelangeli. 1920 in der lombardischen Stadt Brescia geboren, wäre “il divino Michelangeli”, wie ihn seine Bewunderer nannten, am 5. Januar 2020 100 Jahre alt geworden. Der italienische Pianist mit dem Charisma eines Filmschauspielers gehört zu den schillerndsten Klaviervirtuosen des 20. Jahrhunderts. “Mythos, Enigma, Inbegriff musikalischer Vollkommenheit, ein rätselhafter Meister, der sich der Öffentlichkeit entzieht”, mit diesen Worten suchen sich Syrthos Dreher und Dag Freyer in ihrem hinreißenden Dokumentarfilm “Ein unfassbarer Pianist Arturo Benedetti Michelangeli” (2019) ein Bild von der sagenumwobenen Persönlichkeit des Künstlers zu machen.
Manche halten Michelangeli für eine der größten Klavierbegabungen des 20. Jahrhunderts. So schrieb der legendäre Musikkritiker Joachim Kaiser über den eigenwilligen Tastenmagier, der Konzertauftritte bereits wegen kleinster Mängel spontan absagen ließ: “Er ist noch kräftiger und jünger als Artur Rubinstein, noch stilsicherer als Claudio Arrau, noch rhythmischer und intelligenter als Friedrich Gulda und gewiss technisch so perfekt wie Vladimir Horowitz.”
Kennzeichnend für Michelangelis Aufnahmen ist die Farbenfülle und gleichzeitige Transparenz seines Spiels, das bis heute nichts von seiner magischen Anziehungskraft eingebüßt hat. Die 2019 erschienenen Vinyl-Neuauflagen seiner wegweisenden Interpretation von Debussys "Préludes" (Buch I) und von Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 in Es-Dur mit den Wiener Symphonikern unter der Leitung von Carlo Maria Giulini haben die einzigartigen Qualitäten des Pianisten eindrucksvoll in Erinnerung gerufen. Mit umso größerer Spannung darf der audiophilen Debussy-Edition entgegengeblickt werden, die Deutsche Grammophon für 2020 angekündigt hat. Sie enthält neben Michelangelis bahnbrechender Aufnahme von Debussys “Préludes” auch seine umwerfenden Einspielungen der Debussyschen Klavierzyklen “Images” und “Children’s Corner”.  

Der Elegante: Maurizio Pollini

Als eine der elegantesten und stilprägendsten Erscheinungen der internationalen Pianistenszene kann der italienische Klaviervirtuose Maurizio Pollini gelten. “Er ist eine lebende Legende”, so Moritz Weber in einem jüngst ausgestrahlten Portrait des Pianisten im Schweizer Rundfunk SRF 2 Kultur: "Die Klarheit und Perfektion seines Spiels, sein abgerundeter Klang, die Geschlossenheit seiner Interpretationen, sein drängendes Zupacken – das machte ihn berühmt." Was das Repertoire anbelangt, so darf man sich bei Pollini, der am 5. Januar 2020 seinen 78. Geburtstag feiert, sowohl auf bedeutende Komponisten der Tradition als auch auf die musikalische Avantgarde um Größen wie Stockhausen, Nono oder Boulez freuen. Lebendiges Zeugnis für die Vielseitigkeit des preisgekrönten Pianisten, der mit soghaften Interpretationen Chopins und Beethovens Bekanntheit erlangte, bevor er seine Auftritte mehr und mehr mit zeitgenössischer Literatur würzte, ist die 2016 erschienene Großedition mit sämtlichen Aufnahmen, die der Starpianist für Deutsche Grammophon getätigt hat.   

Der klassisch-romantische Typus: Alfred Brendel 

Alfred Brendel hat mit vollendeten Interpretationen klassischen und romantischen Klavierrepertoires Musikgeschichte geschrieben. Seine ebenso leidenschaftlichen wie wohlausgewogenen Beethoven-Aufnahmen besitzen seit Jahrzehnten Referenzstatus. Brendel wechselt geschickt die Ebenen. Sein Klavierspiel changiert elegant zwischen melancholischem Tiefsinn, träumerischer Leichtigkeit und beschwingtem Ausdruck. Am 5. Januar 2020 feiert der österreichische Ausnahmepianist, der sich auch als geistreicher Musikschriftsteller und Dichter grotesker Lyrik einen Namen gemacht hat, seinen 89. Geburtstag. Zuletzt sorgte er mit sensationellen Live-Mitschnitten aus dem ORF-Archiv für Furore. Sein Album mit Schumanns Klavierkonzert in a-Moll mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Simon Rattle und Brahms' Händel-Variationen löste Stürme der Begeisterung aus. Brendels Spiel sei “wunderbar klar und poetisch”, zeigte sich BR Klassik von dem Album beeindruckt, und der Daily Telegraph lobte die “Allround-Technik” des feinsinnigen Pianisten, der die großen Konzertsäle der Welt nicht durch Zufall immer wieder mit Leichtigkeit zu füllen vermochte.

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