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Jahresrückblick 2018 – ECM New Series

ECM New Series
© ECM
06.12.2018
ECM New Series steht für eine ganz eigene Ästhetik der Stille, der Konzentration und des emotionalen Tiefgangs. Die Klangkultur des Münchener Labels ist eng mit dem Namen von Manfred Eicher verbunden, der die New Series im Jahre 1984 mit Erscheinen von Arvo Pärts legendärem Album “Tabula Rasa” als Sub-Label seines seit 1969 bestehenden, jazzorientierten Unternehmens ECM Records gründete. Seither hat sich das Label als einer der wichtigsten Künstlermagneten auf dem Feld der zeitgenössischen und klassischen Musik entwickelt.
Die prägende Bedeutung der gesamten ECM-Unternehmung betont auch die Royal Academy of Music, die den Produzenten Manfred Eicher in diesem Jahr in den erlauchten Kreis seiner Honorary Fellows aufgenommen hat: “ECM Records hat sich zu einem der ikonischen Labels der zeitgenössischen Musik entwickelt und definiert seit Generationen den Klang und die Ästhetik im Jazz sowie in der improvisierten, klassischen und zeitgenössischen Musik”, so die Institution in einer Verlautbarung auf ihrer Internetseite.
Die in diesem Jahr erschienenen New Series-Alben bekräftigen den Anspruch auf eine eigenwillige Ästhetik, die die Grenzen der Genres durchkreuzt und in eine Atmosphäre der stillen Nachdenklichkeit führt:
Arvo Pärt: Der komplette sinfonische Kosmos
Kaum jemand hat den Ton des Münchener Labels so stark geprägt wie Arvo Pärt. Bereits mit seinem ECM-Debüt “Tabula Rasa” entführte der estnische Komponist das Publikum in seine ebenso geistlich wie träumerisch inspirierte Welt reduzierter Klänge. In diesem Jahr sind erstmals sämtliche Sinfonien des großen Komponisten auf einem Album erschienen. Der Pärt-Vertraute Tõnu Kaljuste hat die vier Orchesterwerke, die einen Zeitraum von 45 Jahren umspannen, mit dem NFM Wrocław Philharmonic für das Münchner Label aufgenommen. “Wir beobachten einen Riesen beim Wachsen”, zeigt sich Oliver Creutz im Stern von der Veröffentlichung begeistert und betont die musikalische Entwicklung von Arvo Pärt in den Jahren 1963–2008. Roland H. Dippel weist in Concerti auf die überwältigende Kraft von Pärts Sinfonik hin und hebt Kaljustes Fähigkeit hervor, Fragezeichen zu setzen: “Die von Tõnu Kaljuste hier mit präziser Strategie entwickelten Reihungen zeigen genauso die Fragen hinter den charismatisch bezwingenden Klängen.” Andrew Clements gibt über die frühen, atonalen Sinfonien des Komponisten im Guardian zu bedenken: “Für Leute, die nur die späteren Arbeiten kennen, scheinen diese frühen Werke einer anderen musikalischen Welt anzugehören.” Es sei die vierte, “im numinosen, hypnotischen Stil” verfasste Sinfonie von 2008, so Richard Fairman in der Financial Times, “die jeder hören will.” Ivan Hewett warnt im Daily Telegraph davor, nur das Spätwerk Arvo Pärts gelten zu lassen, und zeigt sich von Tõnu Kaljustes Geschick beeindruckt, in allen vier Sinfonien einen Ausdruck “von bemerkenswerter Empfindsamkeit” zur Geltung zu bringen. Schließlich weist Lisa MacKinney in dem australischen Klassik- und Kunstmagazin Limelight auf die hohe Aufnahmequalität des Albums hin, das “klar und präzise, geräumig und resonant” klinge.
Duo Gazzana: Geschwisterliche Synergien
Seit Mitte der 1990er Jahre treten Natascia (Geige) und Raffaella Gazzana (Klavier) als Duo auf. Bei ECM New Series konnten sie bereits mit zwei vielbeachteten Alben auf sich aufmerksam machen. Konzentrierten sie sich in diesen beiden Veröffentlichungen auf Repertoire des 20. und 21. Jahrhunderts (Schnittke, Silvestrov u.a.), so schreiten sie auf ihrem neuen Album ein wenig weiter in der Musikgeschichte zurück und erkunden mit Werken von César Franck und Maurice Ravel französische Akzentsetzungen in der Kompositionskunst zwischen Romantik und aufkeimendem Impressionismus. Nach einer Reise ins Fin de Siècle wenden sie sich mit Werken von Olivier Messiaen und György Ligeti kammermusikalischer Literatur des 20. Jahrhundert zu. Rocco Zacheo hebt in der Tribune de Genève das “expressive und anschauliche Spiel des Duos” hervor. Oliver Creutz spricht den Geschwistern im Stern eine beeindruckende wechselseitige Abgestimmtheit zu: “Schwesterliche Eintracht in höchster Artistik.” Das Album wecke, so Egbert Hiller in der Neuen Zeitschrift für Musik, “den dringenden Wunsch, die beiden live zu erleben.” Ravels “Sonate in a-Moll von 1897 nimmt dank Natascia Gazzana und Raffaella Gazzana ihren schwärmerischen Lauf”, zeigt sich Christian Berzins in der Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag begeistert. “Kernstück der CD ist die kraftvolle und vielfarbige A-Dur-Sonate vom französischen Komponisten César Franck, die den Gazzanas vielseitiges Material bietet, Musikalität und Technik, aber auch penible Präzision im Zusammenspiel”, urteilt Werner Theurich auf Spiegel Online. “Sehr fein gezeichnet und sehr nach innen lauschend ist das, was wir hier zu hören bekommen, und das gilt im Grunde für alle Stücke, die auf der – fantastisch klingenden! – CD versammelt sind. Am grandiosen Schluss, bei Messiaen, verwandelt sich die Musik in ätherischen Sonnenstaub”, so Burkhard Schaefer in Musik & Theater.
Alexander Knaifel: Mystische Klangwelten
Alexander Knaifel hat ureigene Formen der musikalischen Stille entwickelt. In diesem Jahr erschien ein Album des russischen Komponisten, das ein erstaunlich breites Spektrum seiner mystisch entrückten Klangkunst vorführt. Selbst Komik findet darin ihren Platz. “Lukomoriye”, so der Titel seiner vierten New Series-Veröffentlichung, versammelt Lieder, Kompositionen für Klavier solo und Chorwerke. Thomas Meyer merkt in Jazz’n'More zu dem Album an: “Es sind stille geistliche Stücke, Gebete, textgebunden, auch wenn sie nur für Klavier allein komponiert sind. ‘Confession’ (Bekenntnis) etwa nach einem Gedicht von Alexander Puschkin klingt fast lieblich. In den Chorstücken entfaltet sich der wunderbare östliche Klang. Das letzte Stück der CD, mit dem flüsternden Igor Malov am ‘magischen Klavier’ ist eine märchenhafte Erzählung.” Marcus Stäbler weist in Fono Forum auf den diskreten Charakter von Knaifels Kompositionskunst hin: “Die Stücke bedrängen den Hörer nicht, sie laden ihn ein, sich zu versenken.” Der Pianist “Oleg Malov und der exzellente Sänger Piotr Migunov”, so Stäbler weiter, “finden hier genau jene Ruhe und Weltenferne, die diese Klänge brauchen.” Arlo McKinnon zeigt sich in den Opera News von der Leistung des Lege Artis Choir beeindruckt: Der Chor lasse “die Magie und den Sinn der Ehrfurcht, der der russischen liturgischen Musik eigen” sei, erlebbar werden.
Dénes Várjon: Nächtliche Stimmungen
Dénes Várjon gilt als poetisch feinsinniger Virtuose am Klavier. In diesem Jahr veröffentlichte der ungarische Pianist bei ECM New Series ein Album, das phantastisch anmutende Grenzzonen der romantischen und impressionistischen Kompositionskunst erkundet. Die Reise führt ihn ins Dunkle, in nächtliche Stimmungen: in Schumanns “Fantasiestücken” (op. 12) seelisch tief empfunden, in Ravels “Gaspard de la nuit” mit einem flirrenden Ton nervöser Gespanntheit und in Bartóks “Im Freien” schließlich mit der bisweilen kühnen Geste, Licht ins Dunkel zu bringen. Jede dieser Kompositionen “hat ein unkonventionelles Format, eine phantastische Stimmung und ein programmatisches Element”, befindet Fiona Maddocks im Observer. “Várjons brillante Technik und sein einfallsreicher Ansatz machen aus all diesen Arbeiten jeweils eine starke Erzählung.” Ingo Harden urteilt in Fono Forum: Dénes Várjon “geht es hier offenbar um strömende und möglichst charakteristisch ‘malende’ Interpretationen, und er hat sich überzeugend bemüht, den unterschiedlichen Inhalten seiner Nachtstücke-Auswahl mit einer Anschlagsskala gerecht zu werden, die auf fülligen Klang setzt und im Piano manchmal fast vergessen lässt, dass beim Klavier Hämmer die Töne erzeugen.” Wolfgang Schreiber sieht in einer Besprechung für die Süddeutsche Zeitung Dénes Várjon “tief vergraben in die Musik, jenseits jeder Art von nur perfekter Selbstdarstellung”, und Jens Laurson hebt in Crescendo den natürlichen Fluss von Várjons Klavierspiel hervor: “Maurice Ravels ‘Gaspard de la nuit’ so unbefangen zu spielen, dass man als Hörer zu keiner Zeit an die technische Herausforderung denkt, sondern geradezu naiv einen Klangrausch genießt, gleicht einem Gebirgsabstieg im Abenddunkel, bei dem man erst im Morgenlicht erkennt, wie gefährlich steil und schmal der Pfad war. Dénes Várjon gelingt dieses Kunststück.”
Danish String Quartet: Die Modernität des späten Beethoven
Sie gelten als energiegeladenes, von Spontaneität geprägtes Streicherensemble. In den kommenden Jahren will sich das Danish String Quartet den eigenwilligen Streichquartetten des späten Beethoven widmen. Dies soll in einer Serie von Alben geschehen, in denen jeweils eines der späten Beethoven-Quartette mit einer atmosphärisch passenden Bach-Fuge und einem weiteren Meisterwerk der Quartett-Literatur kombiniert werden wird. Die konzeptionelle Schlüssigkeit und den Reiz des Projekts beweist bereits der Auftakt der Folge, “Prism I”, das die vier Skandinavier 2018 bei ECM New Series veröffentlicht haben. Das Album kombiniert Beethovens Streichquartett Nr. 12 in Es-Dur (op. 127) mit Bachs Fuge in gleicher Tonart (von Mozart arrangiert) und Schostakowitschs letztem Streichquartett Nr. 15 in es-Moll. “Dreimal das Es als Tonika – und dreimal famoses Quartettspiel: Das Danish String Quartet erweist sich als Meisterensemble mit seinem Konzeptalbum ‘Prism 1’”, bilanziert Walter Weidringer in dem Magazin Crescendo seine Höreindrücke. Für James Manheim öffnet die Bach-Fuge einen “meditativen Raum, und der Schostakowitsch, unruhig und heftig, und der Beethoven, auf geheimnisvolle Weise lyrisch, bilden ein fesselndes Paar”. Imponiert hat den Autor zudem die geräumige Akustik der Aufnahme. Mit dem im Reitstadel Neumarkt festgehaltenen Sound, der bei Beethovens langsamen Bewegungen die Stille besonders gut erlebbar werden lasse, habe sich ECM selbst übertroffen, so Manheim auf All Music. Oswald Beaujean betont in einem Beitrag für den Bayerischen Rundfunk die “fantastische Mischung aus Wildheit und Disziplin, Klangschönheit und Expressivität, Versunkenheit und Extrovertiertheit” des skandinavischen Ensembles. “Das kann ein sehr spannender später Beethoven werden.”
Kim Kashkashian: Mit Bach in die “universelle Heimat des Klangs”
Sie gilt als eine der versiertesten Bratschistinnen der Gegenwart. 2018 veröffentlichte sie bei ECM New Series ein Album mit Bachs Cellosuiten, die sie in die helleren Gefilde der Bratsche mitnahm. Kim Kashkashian sieht in Bachs Kompositionskunst die Chance, sich “frei von Verlangen” auf eine “universelle Heimat im Klang” zuzubewegen. In ihrem eigenen Spiel nähert sie sich diesem Ideal durch Konzentration auf den sanften Fluss von Bachs Suiten. “Die hohe Kunst dieser Interpretation ist es, denke ich, einerseits jeden Ton, jede Sequenz auf die sprichwörtliche Goldwaage zu legen, und es andererseits genau so eben nicht klingen zu lassen”, meint Christine Lemke-Matwey in einem Beitrag für den Südwestrundfunk. Für Wolf Loeckle rückt Kim Kashkashian Bachs Solo-Suiten in ein vollkommen neues Licht: “Obwohl wir diesen Zyklus als vom Cello okkupiert kennen, freuen wir uns an völlig neuen Klangwelten der armenischen Amerikanerin aus Boston”, so der Rezensent in der Neuen Musikzeitung. “Da greifen introvertierte, melancholische Spiritualität und absolut klares Denken in eins, vom Komponisten so angelegt, von der Interpretin so dargelegt.” Carlos Maria Solara weist in Fono Forum auf die veränderte Reihenfolge der Suiten hin, die, wie Kim Kashkashian der Kritikerin Christine Lemke-Matwey anvertraut hat, von dem ECM-Produzenten Manfred Eicher inspiriert worden ist: “Durch eine veränderte Reihenfolge der Suiten wird deren lehrbuchmäßig zunehmende Komplexität der Sätze weniger offensichtlich; vielmehr wird deren Abwechslungsreichtum unterstrichen. Kashkashian findet für jede Tonart und für jeden Grad der harmonischen Spannung den passenden Klang.” Richard Lehnert zeigt sich in Stereophile angetan von der improvisatorischen Note der Interpretation: “Diese Interpretationen sind extrem frei – oft klingen sie weniger interpretiert als vielmehr ganz und gar in dem jeweiligen Moment improvisiert.”
Stefano Scodanibbio: Klangkontinente des Kontrabasses
Wenn es einen modernen Komponisten gibt, der bewiesen hat, dass man ein gut eingeführtes Instrument vollkommen neu entdecken kann, dann ist es Stefano Scodanibbio. Die Klangnuancen des Kontrabasses schienen ausgelotet zu sein, als der italienische Bassist die Bühne der Musikwelt betrat und bislang nie für möglich gehaltene Stimmungsfelder seines Instruments markierte. Von poetisch dichten Tonschöpfungen bis hin zu psychedelisch anmutenden Atmosphären reicht die experimentierfreudige Kompositionskunst Stefano Scodanibbios. Der italienische Bassist und Komponist Daniele Roccato, Freund und Wegbegleiter des 2012 verstorbenen Komponisten, hat sich zusammen mit dem Kontrabass-Ensemble Ludus Gravis auf den Weg gemacht, um das sowohl technisch als auch poetisch schwer zu bewältigende Werk des Komponisten zu bergen. Im Zentrum des 2018 bei ECM New Series erschienenen Albums steht ein Oktett für acht Bässe, das sämtliche Klangneuerungen Scodanibbios umfasst. “Dieses Schimmern, dieses Flirren! Dieses stets ins helle gerichtete Klangkontinuum! Und das von einem Instrument, das sonst eher sekundierenden Charakter hat, zu den Tieftönern zählte – über Jahrhunderte”, ruft Tilman Urbach in Fono Forum begeistert aus. “Es brauchte jemanden wie Stefano Scodanibbio, um den Kontrabass aufzuwecken, um ihn völlig neu zu denken.” Hans-Klaus Jungheinrich nimmt Stefano Scodanibbio auf Faustkultur als undogmatischen, freiheitsliebenden Komponisten wahr. Das Titelstück des Albums, “Alisei”, sei “so etwas ist wie das persönliche Porträt eines hexenhaft-omnipotenten, alle stilistischen Scheuklappen hinter sich lassenden Solisten. Verblüffend sodann das Oktett für acht Kontrabässe, ausgeführt vom Ensemble mit dem bedeutsamen Namen ‘Ludus Gravis’: eine Exkursion in undurchdringliche, unentzifferbare Geräusch- und Zeichenzonen, die es geradezu auf radikale Verfremdung konventioneller Instrumentalcharaktere anlegt.”
Jörg Widmann: Die Utopie der Moderne im Spiegel eines wuchtigen Oratoriums
Der Münchener Komponist und Klarinettist Jörg Widmann gehörte zu dem Kreis von Komponisten, die mit einem eigenen Werk die Eröffnungsfeierlichkeiten der Hamburger Elbphilharmonie bestreiten durften. Er komponierte unter dem Titel “Arche” ein wuchtiges, sowohl an die christliche Überlieferung gemahnendes als auch die Kraftreserven der Aufklärung beschwörendes Oratorium. In diesem Jahr erschien bei ECM New Series ein Live-Mitschnitt der von Kent Nagano geleiteten Uraufführung des Oratoriums in der Elbphilharmonie. Dirk Wieschollek würdigt in Fono Forum die sängerischen und deklamatorischen Leistungen der Interpretation von Widmanns monumentaler Collage für Soli, Chor, Orgel und Orchester, an der neben zwei Gesangssolisten, zwei Kindern als Sprechern, zwei Pianisten und einer Organistin der Chor der Hamburgischen Staatsoper, die Audi Jugendchorakademie, die Hamburger Alsterspatzen und das Philharmonische Staatsorchester Hamburg beteiligt waren. “Marlis Petersen (Sopran) und Thomas E. Bauer (Bariton) dürfen singen, was das Zeug hält”, so Wieschollek. “Sehr charmant auch die Kinder-Evangelisten, die die biblischen Erzählungen öfter mal ironisch aufbrechen!” Gabriele Helbig beschreibt im Opernglas die Wirkung der Orchesterklänge: “Dirigent Kent Nagano erzielt mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg ein transparentes Klangbild, generiert sinnliche starke Eindrücke, die direkt ins Herz des Zuhörers treffen. Und die damit genau die Wirkung erreichen, die der Komponist beabsichtigt hat. Mehr geht nicht.”
Anja Lechner / Pablo Márquez: Schuberts friedliche Aura der Nacht
Ob Tango Nuevo, byzantinische Klangschöpfungen oder romantisches Repertoire: Die improvisationsfreudige Cellistin Anja Lechner hat stets weit ausgegriffen und wollte sich nicht auf das klassische europäische Musikerbe festlegen lassen. Genauso wenig hat sie sich indes von der hiesigen Tradition distanziert. Auf ihrem 2018 bei ECM New Series erschienenen Album spürt sie gemeinsam mit dem argentinischen Gitarristen Pablo Márquez den Liedern und der Arpeggione-Sonate von Franz Schubert nach. Die Arrangements für Gitarre und Cello machen aus Schuberts singbaren Liedern Lieder ohne Worte. An die Stelle der oft aufgewühlten menschlichen Stimme tritt der gleichmäßig fließende Ton des Cellos. Zusätzlich enthält die Veröffentlichung drei Nocturnes von Friedrich Burgmüller, einem Zeitgenossen von Franz Schubert, den man auf Lechners neuem Album kennenlernen darf. Fritz Balwit empfiehlt die Arpeggione-Sonate von Schubert der “ungeteilten Aufmerksamkeit” des Publikums. “Die Privatsprache des unvergleichlichen musikalische Genies”, so der Autor auf Audiophile Audition, “wird sowohl gemeistert als auch geschickt kommuniziert.” Manuel Brug urteilt in einem Beitrag für die Welt: “Melancholisch und ruhig geht es dem Thema entsprechend zu, bis hin zu den klirrkalten, ins hier zunächst begleitende Cello verlegten leeren Quinten des ‘Winterreise’-Leiermanns. Aber es finden sich auch heitere Weisen wie etwa in der fröhlich aufmüpfigen ‘Arpeggione-Sonate’, oder tröstlich Schläfriges wie die Nocturnes des Schubert-Zeitgenossen Friedrich Burgmüller.” Hans-Klaus Jungheinrich behandelt auf Faustkultur die poetische Wirkung des Gitarrenspiels. Seines Erachtens “verstärkt” die “Ersetzung des Klaviers durch das Zupfinstrument […] den Eindruck intimer Idyllik und subtiler Lyrik”.
Till Fellner: Liszts Poesie und Beethovens Furor
Der österreichische Pianist Till Fellner gilt als ein “großartiger musikalischer Verwandlungskünstler” (New York Times). In diesem Jahr hat er bei ECM New Series ein kontrastreiches Live-Album veröffentlicht, auf dem man ihn Liszts erstes, der Schweiz gewidmetes “Année de pèlerinage” spielen hört. Als lebhaftes Pendant zu der lyrisch fließenden Stimmungspoesie Franz Liszts enthält das Album Beethovens furiose Klaviersonate Nr. 32 in c-Moll (op. 111). Fellners Interpretation von Liszts erstem “Année de pèlerinage” stammt aus dem Jahre 2002 und ist im Großen Saal des Wiener Musikverein aufgezeichnet worden. Der zweite Live-Mitschnitt des Albums verdankt sich einem Recital, das der österreichische Pianist im Jahre 2010 in den USA, am Mahaney Center for the Arts in Middlebury/Vermont, gegeben hat. In einem Beitrag für den Norddeutschen Rundfunk bescheinigt Christoph Vratz dem Pianisten eine poetische Spielkultur, die “ohne Mätzchen” auskomme. “Am Ende der Reise, nach neun musikalischen Erkundungskapiteln zum Thema Schweiz, lässt Franz Liszt die ‘Glocken von Genf’ erklingen. Kein festliches Geläut, sondern ein eher stilles Nachklingen – mit einer sich aufhellenden Melodie im Zentrum. Um das so natürlich zu spielen, ohne jeden Ansatz von Überrumpelung oder Effekthascherei, braucht es einen Pianisten wie Till Fellner.” “Till Fellner”, zeigt sich Jérémie Bigorie in dem französischen Musikmagazin Classica begeistert, “zählt ohne Zweifel zu den großen Pianisten der Gegenwart.” Bereits im Jahre 2007 hatte Alfred Brendel gegenüber der New York Times zu Protokoll gegeben, dass er von Fellner “die beste Live-Performance von Liszts ‘Années de pèlerinage’ gehört” habe.

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