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Tanz den Rachmaninow – das neue Klassik-Remix-Album “re:works”

re:works
© Decca
13.07.2016
Ideales Match oder Gratwanderung? Bildersturm oder Banalität? Gut zehn Jahre nach den ersten im Feuilleton beachteten Veröffentlichungen ist aus dem so genannten Klassik-Remix ein eigenständiges Genre geworden. Vor allem denkt man hier an die gefeierte Recomposed-Reihe der Deutschen Grammophon. Das neue Album “re:works”, auf dem ganz verschiedene namhafte Electro-Musiker nun den Katalog des altehrwürdigen Decca-Labels reworked, also nachbearbeitet haben, ist, könnte man sagen, Deccas Antwort auf Recomposed

Vom Dub-Reggae zum klanglichen Dekonstruktivismus

Entstanden in den späten 1960ern auf Jamaika, wollte der klassische Remix ja vor allem Radio-Hitsingles auf ein Club-Format bringen. Pioniere der gewagten Liaison von Klassik und Club sind der Detroit-Techno-Guru Jeff Mills und der Kölner Labelmacher Wolfgang Voigt. Club-kompatibel war auch noch die Recomposed-Ausgabe von Moritz von Oswald und Carl Craig, auf der die beiden Techno-Koryphäen Fragmente aus RavelsBolero” in eine traumwandlerische Trance versetzen, die gut ins Berliner Berghain passte. Als dann der Chipstüten samplende Geräuschespezialist Matthew Herbert (Björk) aus Mahlers Zehnter ein biografisches Sinfonie-Hörspiel machte, ging bei Recomposed das Putzlicht an. Dann eröffnete der britische Komponist Max Richter einen gänzlich neuen Zugang in Vivaldis Vier Jahreszeiten.
Seitdem ist viel passiert. In der wachsenden Unschärfezone zwischen E- und U-Musik gibt es eine ganz neue Generation Musiker, die sich gleichermaßen im Club und im Konzertsaal zu Hause fühlt, etwa Kate Simko. Die Musikerin und Produzentin verbindet seit 2014 mit ihrem London Electronic Orchestra den Klang eines Live-Orchesters und Electronica. Aus Schuberts Schwanengesang wird bei ihr hier ein beschwingter Elektrotango. Oder Francesco Tristano: der luxemburgische Pianist, Komponist und Produzent gilt in der Szene als Referenzpunkt. 2011 erschien sein (von Moritz von Oswald produziertes) Album “BachCage”. Tristanos Bearbeitung von Ryuchi Sakamotos Merry Christmas Mr. Lawrence stolpert hier in einen minimalistisch angefunkten Groove.

Symposium der bekannten aktuellen Electro-Klangkünstler 

Wo sich bei Recomposed einzelne Künstler im Langwerk austobten, sind die 17 so unterschiedlichen Tracks von “re:works” ein Who-is-Who der großen Namen in der aktuellen Szene. Der britische Altmeister Mr. Scruff kuratiert Steve Reich. Der French-Pop-Star Sebastian Tellier verpasst Beethoven eine spacige, ABBA-poppige Mondscheinsonate. Der preisgekrönte deutsche DJ Henrik Schwarz entführt Debussy in den Gypsy-Jazz. Der spanische Dance-Rabauke Brigante trumpft mit einer tribalen Version von Bartoks Ungarischen Skizzen. Und es gibt hier auch ein Wiedersehen mit Wolfgang Voigt, der mit seinem Kölner Kompakt-Label Electro-Geschichte gemacht hat, und hier Bachs Air auf der G-Saite auf einen psychedelischen Trip schickt.  
Egal, ob hier der Zugang zu den alten Meistern geöffnet wird oder ob allzu bekanntes Klassik-Material in neuem Gewand, mit frischer Perspektive nochmals begeistert – dieses virtuelle Zusammentreffen der alten mit den neuen Meistern ist eine Hochzeit im Himmel.

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