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Rebecca Saunders – Die achtsame Klangforscherin

Rebecca Saunders
© Astrid Ackermann
07.08.2019
Am 13. September jährt sich der Geburtstag von Clara Schumann zum 200. Mal. Das Jubiläum dieser außergewöhnlichen Frau ist Anlass für eine siebenteilige Reihe bei KlassikAkzente, die sich Komponistinnen damals und heute widmet. Oft verkannt, heute verehrt und mit gutem Grund (neu) entdeckt, bereicherten und bereichern sie die Welt der Musik.
Der hochdotierte Ernst-von-Siemens-Preis gilt als “Nobelpreis der Musik” und entsprechend herausragend und einflussreich sind die damit geehrten Künstler und ihr Werk. Mit Rebecca Saunders wurde jüngst eine der wichtigsten zeitgenössischen Komponistinnen mit dem Ernst-von-Siemens-Preis ausgezeichnet, deren Wirken weit über ihre einzelnen Stücke hinausgeht.
1967 in London geboren, war Musik für Saunders schon als Kind allgegenwärtig. Umgeben von vier Klavieren in der elterlichen Wohnung, konnte die begabte Tonsetzerin Noten lesen, bevor sie die Buchstaben kannte; später studierte sie Violine und Komposition bei Nigel Osborne an der Universität in Edinburgh, bevor sie ihr Kompositionsstudium bei dem renommierten Komponisten Wolfgang Rihm an der Hochschule für Musik in Karlsruhe fort setzte. Mittlerweile lebt Saunders seit vielen Jahren in Deutschland und zählt heute zu den führenden Vertreterinnen ihrer Generation. Für die mehrfach preisgekrönte Komponistin verfolgt Musik zwar keine Absicht, aber sie fordert Neugier, Offenheit und Konzentration. “Wer Musik hört, muss die Ohren öffnen und sich selbst. Ein körperlicher, geistiger, emotionaler und intellektueller Impuls wird gesetzt, was für ein Geschenk!”

Hypersensibel auf der Suche nach dem Klang des Lebens

Rebecca Saunders erforscht in ihrer Arbeit die unterschiedlichsten Klänge des Lebens und dringt unter die Oberfläche zu ihrem inneren Kern vor. Dabei spielt sie in ihren vielschichtigen und komplexen Werken mit den Extremen und übersetzt verschiedenste emotionale Zustände in Musik. Die dynamische und dramaturgische Spannweite ist hierbei enorm: So lässt Saunders die Klänge mitunter dramatisch kulminieren und brachial bersten, bevor Momente absoluter Stille folgen. “Das Material ist der Klang, aber es ist auch alles dazwischen”, so Saunders, und das Komponieren selbst gleiche einem stetigen Forschen. “Klänge so in ein Gewebe einzuarbeiten, dass nicht erkennbar ist, wo sie herkommen und wo sie hingehen – das hat mich immer fasziniert und stark beschäftigt.” Besonders faszinieren Saunders dabei auch die räumlichen Eigenschaften von organisierten Klängen, weshalb ein Schwerpunkt ihrer Arbeit in der Entwicklung von Klanginstallationen und –collagen liegt. So komponierte sie zum Beispiel Stasis” und Stasis Kollektiv” (2011/2016) als Projekte, bei denen bis zu 25 Kammermusikgruppen und Klangquellen in architektonisch äußerst unterschiedlichen Räumen angeordnet werden. Ein weiterer Höhepunkt war die 90-minütige Collage Insideout”, die Saunders in Zusammenarbeit mit Sasha Waltz schuf.

Intensiver Austausch mit Künstlern und Instrumenten gleichermaßen

Rebecca Saunders ist keine Einzelgängerin und sucht in ihrer Arbeit den intensiven künstlerischen Austausch mit den jeweiligen Interpreten oder Kollegen anderer Kunstformen, etwa dem Tanz. So arbeitet sie während des Entstehungsprozesses eines Werks eng mit den Künstlern zusammen und setzt sich achtsam und mit großer Sensibilität mit den jeweiligen Impulsen und den speziellen Anforderungen des Aufführungssettings auseinander. Ähnlich sensibel begegnet sie auch den Instrumenten. Für die Komponistin gleichen diese “Protagonisten”, die in ihren Stücken eine komplexe und fordernde Rolle spielen. Lange Zeit über hat sie ausschließlich Instrumentalmusik komponiert; mittlerweile widmet sich Saunders verstärkt auch der menschlichen Stimme und beschäftigt sich damit mit dem wohl intimsten und persönlichsten Klang des Lebens. Dass Rebecca Saunders nach der Geigerin Anne-Sophie Mutter (erst) die zweite Frau ist, die mit dem Ernst-von-Siemens-Musikpreis ausgezeichnet wurde, ist für die Komponistin eigentlich unerheblich. So fragt sie: “Warum geht es um mein Geschlecht und nicht um meine Kunst?” Gleichzeitig sei der Preis aber doch ein positives Signal für die Gesellschaft und zeige, dass es möglich sei, die Glasdecke zu durchbrechen. Schließlich gebe es mit jeder neuen Generation mehr hervorragende, eigensinnige Komponistinnen. Dies hat nicht zuletzt auch mit Saunders als eindrucksvollem Vorbild zu tun.

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