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Hypnotische Dimensionen – Yuja Wang und Lynn Harrell mit Rachmaninovs farbenfroher Cellosonate

Live from Verbier Festival Rachmaninov: Cello Sonata, Op. 19
© DG
06.08.2020
Das Verbier Festival in den Schweizer Alpen kann in diesem Jahr coronabedingt nicht stattfinden. Martin Engströem, Gründer des beliebten Musikevents, hat als Alternative zu der örtlichen Zusammenkunft ein digitales Programm aufgelegt. Unterdessen würdigt Deutsche Grammophon das Festival mit der Veröffentlichung von vier Live-Alben. Drei davon sind bereits erschienen: eine gefeierte Aufführung von Schostakowitschs frühem Klaviertrio Nr. 1 in c-Moll mit dem jungen Ausnahmepianisten Lucas Debargue und dem lettischen Starcellisten Mischa Maisky, eine stimmungsvolle Interpretation von César Francks zukunftsweisendem Klavierquintett in f-Moll mit dem kanadischen Klaviervirtuosen Marc-André Hamelin sowie eine entfesselte Darbietung von Tschaikowskys heiterem Streichsextett in d-Moll “Souvenir de Florence” mit der georgischen Stargeigerin Lisa Batiashvili und dem französischen Meistercellisten Gautier Capuçon.
Jetzt kommt als viertes und letztes Album der Serie eine überwältigende Aufführung von Rachmaninovs Cellosonate in g-Moll, op.19 heraus. Der Mitschnitt stammt aus dem Jahre 2008. Am Cello ist der grammy-gekrönte Solist Lynn Harrell zu erleben. Er wird begleitet von der chinesischen Starpianistin Yuja Wang, die zur Zeit der Aufnahme erst 21 Jahre alt war und mit Verbier die schönsten Momente ihrer Laufbahn verbindet. “Verbier ist für mich absolut magisch”, so Wang über das Schweizer Musikfestival, das sie seit über einem Jahrzehnt regelmäßig besucht. Für Lynn Harrell, der am 27. April diesen Jahres im Alter von 76 Jahren in Santa Monica verstarb und das Festival in einem reifen Stadium seiner erfolgreichen Karriere kennenlernte, war Verbier “einer meiner Lieblingsorte, um Zeit zu verbringen und Musik zu machen”.

Hypnotische Dimensionen

Diese Gefühle des Heimischseins und der Entspanntheit der beiden Solisten merkt man der Interpretation von Rachmaninovs Cellosonate unmittelbar an. Die Stimmung ist gelöst, ja euphorisch. Yuja Wang sorgt mit ihrer wirbelnden Virtuosität am Flügel für den dynamischen Puls der Aufführung. Lynn Harrell verleiht der Aufnahme mit seinen lyrischen Qualitäten empfindsame Tiefe. Wang und Harrell reagieren lebhaft aufeinander. Ihr Zusammenspiel steigert sich bis hinein in hypnotische Dimensionen. Das passt kongenial zu der musikalischen Kostbarkeit, die Rachmaninov mit seiner Cellosonate hinterließ. Der russische Komponist befand sich in einem Zustand der Entfesselung, als er das kammermusikalische Werk schuf. Es war im Jahre 1901. Eine schwere Lebenskrise lag hinter ihm. Sein Arzt, der Psychiater Nikolai Dahl, hatte die inneren Blockaden des Komponisten mit hypnotischen Mittel behandelt und dabei offenbar Erfolge erzielt. Rachmaninov fühlte sich jedenfalls wie neugeboren, wie in einem Rausch, und dieses euphorische Gefühl, diese sinnliche Lust an immer neuen Melodien und Harmonien vermittelt sich in dem jetzt erschienenen Live-Mitschnitt von Yuja Wang und Lynn Harrell glänzend.    

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