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Helmut Walcha – Erfüllung eines Lebenstraumes

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15.07.2021
Er war zweifellos einer der bedeutendsten Organisten des vergangenen Jahrhunderts: der 1907 in Leipzig geborene Helmut Walcha. Bereits im 15. Lebensjahr bestand er die Aufnahmeprüfung am Leipziger Konservatorium und wurde der jüngste Orgelschüler Günther Ramins. Dort entwickelte er sich auch zu jenem bedeutenden Bachinterpreten, als der er bis heute berühmt ist.

Bachs Orgelwerk komplett – in Mono und Stereo

Beinahe hinter jedem Orgelstück, das dieser Mann gespielt hat, steckt eine Geschichte. Schon gar, wenn es sich um ein Bach’sches Orgelwerk, und noch genauer um dessen Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 handelt: Es war die erste Produktion des Labels ARCHIV PRODUKTION. Helmut Walcha nahm das Stück im Sommer 1947 noch für 78er Schellackplatten auf. Was er zu dieser Zeit noch nicht wusste – drei Jahre später würde die Vinyl-Langspielplatte bei Deutsche Grammophon offiziell als Tonträger eingeführt. Das sollte dem Organisten helfen, seinen Lebenstraum zu verwirklichen: Bachs gesamtes Orgelwerk aufzunehmen, und das nicht nur einmal. Mit der Einführung der Stereophonie erkannte er, welchen enormen Zugewinn an Hörgenuss dieses Aufnahmeverfahren bringen würde. So beschloss er 1954 zunächst, wenigstens die bekanntesten Orgelstücke noch einmal, jetzt aber in Stereo aufzunehmen. Und wieder war es eine Aufnahme der Toccata und Fuge d-Moll BWV 565, diesmal aus dem Jahre 1956, der eine besondere Position in der Diskografie Helmut Walchas zukam: es wurde die erste Stereoaufnahme der Deutschen Grammophon überhaupt. 1968 wurde der Plan, eine neue Gesamtaufnahme der Orgelwerke Bachs herauszubringen, wieder aufgegriffen und die vorhandenen Aufnahmen durch neue Stereoeinspielungen ergänzt. Interessanterweise weichen die Interpretationen gar nicht stark  voneinander ab. Dafür lohnt der Vergleich allein schon der verschiedenen Instrumente und Spielorte wegen. Immerhin spielte er an den bedeutendsten Barockorgeln Europas, von der großen Arp-Schnitger-Orgel der Laurenskerk in Alkmaar bis zur Andreas-Silbermann-Orgel von Saint-Pierre-le-Jeune in Straßburg, an der er im Mai 1971 seine Aufnahmen vervollständigte. Ein Blick in die „Werkstatt“ des Organisten Walcha bietet ein 15-minütiger Abschnitt mit einer Vorführung der verschiedenen Register der Arp-Schnitger-Orgel in Cappel.

Der Organist als Cembalist

Solcherlei Entdeckerfreuden genießt, wer sich die jetzt erschienene Helmut-Walcha-Box vornimmt, aus der man ein Klangjuwel nach dem anderen zutage fördern kann. Dazu gehört nicht nur das Bach’sche Orgelwerk, sondern auch das seiner Vorgänger, etwa Dietrich Buxtehude, Nicolaus Bruhns, Samuel Scheidt, Georg Böhm oder Jan Pieterszoon Sweelinck.
Zu den Raritäten darf man getrost jene Aufnahmen zählen, bei denen Helmut Walcha als Cembalist brillierte. Hier ist zuvorderst Bachs Wohltemperiertes Klavier zu nennen, aber auch  die Violinsonaten BWV 1014–1019, aufgenommen mit seinem Partner an der Violine Henryk Szeryng, die ihn als Kammermusiker der Extraklasse ausweisen.
Wenn man den Umständen Rechnung trägt, unter denen all diese Aufnahmen entstanden sind, kann das, was diese Box beinhaltet, gar nicht hoch genug bewertet werden. Die vollständige Erblindung im Alter von neunzehn Jahren infolge einer frühkindlichen Pockenimpfung hatte nicht etwa zur Folge, dass Walcha seine Musikerlaufbahn beendete. Ganz im Gegenteil. Neue Werke erarbeitete er, indem er sie sich von anderen Musikern vorspielen ließ, jede Hand einzeln, Stimme für Stimme, Manual und Pedal getrennt, um sie auf diese Weise “zu lernen”. Sein absolutes Gehör erleichterte ihm das auswendige Beherrschen. Dass er diese zunächst mechanischen Prozesse immer wieder zu musikalischen Höhepunkten werden ließ, war auch seiner herausragenden Pedal- und Tastaturtechnik zu danken, die ihn seinerzeit nahezu konkurrenzlos machte.
Allen, die neugierig auf Helmut Walcha geworden sind, ist mit dieser Box im Sinne des Wortes etwas Schönes in die Hand gegeben, ihn näher kennen und schätzen zu lernen. Für audiophile Liebhaber von Orgelmusik gibt es eine weitere Premiere: die wichtigsten Bach’schen Orgelwerke mit Walcha sind erstmals in einer High-Definition-Fassung bei allen audiophilen Plattformen erhältlich.

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