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Géza Anda – Das Hohelied auf die musikalische Phrase

Géza Anda
© DG
06.10.2021
Wenn heute noch vom “Troubadour des Klaviers” die Rede ist, kann nur einer gemeint sein: Géza Anda. Dabei ist es inzwischen fast 80 Jahre her, dass kein Geringerer als Wilhelm Furtwängler den damals gerade mal 22-jährigen ungarisch-schweizerischen Pianisten so treffend charakterisierte. Furtwängler hatte Andas Berlin-Debüt im Januar 1943 in der Berliner Alten Philharmonie mit den “Variations symphoniques” von César Franck dirigiert und, wie später auch Herbert von Karajan oder Rafael Kubelík, frühzeitig das Besondere an Géza Andas Klavierspiel erkannt. Ob bei seinen Soloaufnahmen, etwa mit Beethovens Diabelli-Variationen, Schuberts Klaviersonate in B-Dur D. 960, Chopins 24 Preludes op. 28 oder Schumanns Kreisleriana op. 16 – Anda musizierte immer in einem ganz eigenen Spannungsfeld, das seinen Ursprung in der Ausbildung an der Budapester Franz-Liszt-Akademie hatte, die er bereits im Alter von 13 Jahren begann.
Lehrer wie Zoltán Kodály und Ernst von Dohnányi und die Theorie- und Kammermusikkurse von Leó Weiner waren es, die dem jungen Géza Anda die Richtung für seinen Umgang mit der Musik vorgaben: zunächst die theoretische Durchdringung der Stücke, zugleich deren Umsetzung auf technisch höchstem Niveau. Die Einheit aus beidem machte er zur Grundvoraussetzung für die nächste Ebene seines Spiels: solcherart theoretisch und technisch gewappnet durch die eigene Vorstellungskraft den Anteil des Interpreten bei der Wiedergabe auszuloten. “Wenn man weiß, was eine musikalische Phrase ist, dann ist eigentlich gar kein Unterschied zwischen Mozart und Bartok”, sagt er in einem Interview.

Mozart-Zyklus als weltweit erster Pianist

Bei der Würdigung des viel zu früh gestorbenen Ausnahmepianisten Géza Anda anlässlich seines 100. Geburtstags am 19. November 2021 mit einem limitierten 17-CD-Set kann die Deutsche Grammophon aus dem Vollen schöpfen, denn Anda war die meiste Zeit seiner leider viel zu kurzen Karriere bei der Deutschen Grammophon unter Vertrag. So gehören in diese Box selbstverständlich die Aufnahmen sämtlicher Klavierkonzerte Mozarts. Nicht nur, dass Anda den gesamten Zyklus als weltweit erster Pianist im Jahre 1961 in Angriff nahm – er musizierte mit Camerata Academica des Salzburger Mozarteums in der Doppelfunktion als Solist und Dirigent zugleich. Anda dirigierte, was damals noch umstritten war, die Camerata von seinem Flügel aus. Für 16 der 25 Konzerte schrieb und spielte er eigene Kadenzen.
Andas Budapester Debüt mit dem 2. Klavierkonzert von Johannes Brahms im Jahre 1941 hatte Willem Mengelberg dirigiert – 1961 nahm er es mit Ferenc Fricsay und den Berlinern Philharmonikern für Deutsche Grammophon auf.

Schallplattengeschichte mit Bartóks Klavierwerk

Géza Anda sei so etwas wie ein pianistisches Phänomen gewesen, schrieb das BBC-Music-Magazin am Beispiel von dessen Beethovenaufnahmen. "Beethovens faszinierende Diabelli-Variationen bringen die provokative Seite von Andás musikalischer Persönlichkeit zum Vorschein“. Herausragend in diesem Zusammenhang das ebenfalls in der Box enthaltene “Triple-Konzert” Beethovens von 1961 mit Wolfgang Schneiderhan und Pierre Fournier. Fricsay dirigierte das Radio-Symphonie-Orchester Berlin.
Schallplattengeschichte schrieb Anda mit seinem Engagement für die Musik seines Landsmannes Béla Bartók und den Aufnahmen von dessen drei Klavierkonzerten mit dem Radio-Symphonie-Orchester Berlin unter der Leitung von Ferenc Fricsay aus den Jahren 1960/61 – mehr Bartók war nie!

Einen Reminiszenz an den Troubadour des Klaviers

Als besonderes Extra liegt der Box eine CD mit Erstveröffentlichungen seltener Schellack-Aufnahmen bei, darunter Scarlattis A-Dur-Sonate K 182/ L 139, der Mephisto-Walzer Nr. 1 von Liszt oder Schumanns Sinfonische Etüden op. 13, die Anda später noch mal aufgenommen hatte. Beide Aufnahmen sind in dieser Box enthalten.
Die Géza-Anda-Edition der Deutschen Grammophon ist eine aufschlussreiche und berührende Reminiszenz an den “Troubadour des Klaviers”. Er selbst sprach bei seinem Instrument manchmal liebevoll, spöttisch von seiner “Drahtkommode”. Das, wie er es nannte “Priesterhafte am Flügel” verabscheute er. Sein Motto: “Ganz einfach die Töne mit schön liegenden Fingern nacheinander aufreihen.”

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