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Watte, Staubwolke, Labyrinth – Víkingur Ólafsson veröffentlicht “Bach Reworks Part 2”

Víkingur Ólafsson
© Ari Magg / DG
25.04.2019
Víkingur Ólafsson zieht in der Musikwelt immer größere Kreise. Im April 2019 hat der Isländer den prestigeträchtigen BBC-Music-Magazine-Award in der Königskategorie Recording of the Year gewonnen. Sein “wunderschön gearbeitetes Bach-Programm” sei “Balsam für die Ohren” begründete die Jury ihre Entscheidung: Kein anderes Album würde die Zeitlosigkeit des Werks von Johann Sebastian Bach so zeigen wie sein gleichnamiges-, 2018 veröffentlichtes zweites Opus für Deutsche Grammophon. Der 35-Jährige zeigte sich tief berührt und dankbar für die “unglaublich herzlichen und großzügigen Reaktionen”. Im Rückenwind davon erscheint nun Ólafssons zweite digitale Remix-Veröffentlichung “Bach Reworks Part 2”, die er, ähnlich wie den Vorgänger “Bach Reworks Part 1”, wieder mit faszinierenden zeitgenössischen elektronischen Klangkünstlern und bekannten isländischen Musikerkolleginnen aufgenommen hat.

“Hit” der neuen Veröffentlichung ist ein von Ólafsson solo eingespieltes Präludium in G-Dur

Hier schreibt Ólafsson Legato mit dreifachem -L-, spielt unglaublich sanft, dynamisch und nunaciert, er lässt die Noten flüstern und sprechen und singen. Man möchte jede einzelne festhalten, indes taumelt, tänzelt und wandelt Víkingur Ólafsson weiter. Wer hat hier wen gefunden? Er das Stück oder das Stück ihn, so innig verschmelzen sie miteinander. Prägnant sind die stellenweise hörbar mitklopfenden Hämmerchen des Flügels. Wer Joep Beving mag, sollte sich dieses Stück unbedingt in eine Playliste einfügen.
Nicht mit Filz und Watte, sondern in eine Staubwolke verhüllt der japanische Elektro-Pop/Ambient/Neoklassik-Pionier Ryuichi Sakamoto Bachs Adagio (BWV 974). Sakamoto fügt metallene Schläge, helles Zirpen, dumpfes Klopfen in eine Soundcollage, die Ólafsson ganz minimal mit eingestreuten Akkorden akzentuiert. Auch im darauf folgenden Remix einer C-Moll-Variation von Bach, überlässt Ólafsson das Spielfeld einer anderen, hier der fantastischen Cellistin Hildur Gudnadottir, die das Stück mit düsteren Akkorden dominiert.
Der 52-jährige isländische Multi-Instrumentalist Skuli Sverrisson ist ein Star in der internationalen Musikszene, bekannt durch seine Arbeit mit Größen wie Laurie Anderson und Arto Lindsay, aber auch als Session-Musiker für die New Yorker Indierocker Blonde Redhead. Hier hat er die Klangkulisse eines gotischen Thrillers geschaffen, über der Ólafsson die hypnotischen Arpeggios von Bachs “Kyriena” in eine elliptische Umlaufbahn bringt. Bachs minimalistisch aufsteigende und absteigende Akkordbrechungen, gespielt mit quasi unmerklichen Tempoveränderungen, schaffen ein Labyrinth, sie wirken wie ein akustisches Pendant zu den mathematischen Trugbildern des Künstlers M.C. Escher. Ganz geläutert lässt Ólafsson das digitale Album dann mit Bachs “Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit” in der Transkription  György Kurtags ausklingen. Einen ähnlichen Spannungsbogen von verklärt zu dramatisch und zurück hat auch sein erstes Remix-Album.
Ólafssons “inspiriertes Spiel” mache Bach “so menschlich wie lange nicht”, urteilte kürzlich die Süddeutsche Zeitung.
Mit Geschichts-Ignoranz habe das nichts zu tun, aber mit einem großen Glücksgefühl beim Zusammenkommen von Mensch und Musik. Im Remix-Format zeigt Olafsson noch deutlicher, dass Bachs zeitlose Musik wie keine andere die Kraft besitzt, in alle möglichen Richtungen bearbeitet zu werden. 
Es sind nun beide Remix-Alben “Bach Reworks Part 1” sowie “Bach Reworks Part 2” in einer Edition auf Vinyl erhältlich.

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