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Fundamentale Skepsis und radikale Erneuerung – Das Gesamtwerk von Pierre Boulez

Pierre Boulez
© Harald Hoffmann / DG
06.06.2013
Der Komponist und Dirigent Pierre Boulez steht wie kaum ein anderer Musiker des 20. Jahrhunderts für radikale Erneuerung. Als Vordenker der Komponistengeneration, die in den Jahren nach 1945 den musikalischen Diskurs in Europa bestimmte, wollte er „absolut jede Spur des Konventionellen“ aus der Musik tilgen, um zukunftsweisenden Klangkonzepten den Weg zu ebnen. Nicht zuletzt sollte damit der ideologische Missbrauch von Musik, wie er insbesondere im verhängnisvollen Zusammenhang von Naziideologie und deutscher Romantik zutage getreten war, künftig unmöglich gemacht werden.

Totaler Serialismus

Für diesen Neubeginn steht der totale Serialismus, eine von Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen und Luigi Nono Anfang der 1950er Jahre erprobte Kompositionstechnik, die alle Parameter eines Musikstücks im Vorfeld seiner Entstehung mithilfe von Zahlen- und Proportionsreihen festlegt. Wenngleich Boulez dieses anonym und automatisiert erscheinende Verfahren bald zugunsten eines persönlicheren Ausdruckswillens lockerte, stellte er die Vorstellung eines aus spontaner Eingebung heraus schöpfenden Subjekts doch grundsätzlich infrage. Der Musik des 20. Jahrhunderts gab er damit entscheidende Impulse, die beispielsweise zu der von ihm maßgeblich mitbestimmten Entwicklung zufallsbasierter Musik und der computergesteuerten Klangerzeugung beitrugen.  

„Work in Progress“

Der Skeptiker Pierre Boulez schreibt nach eigenem Bekunden nur selten Stücke, die er als fertig erachtet. Zudem genießt der heute 88-Jährige die neuerliche Auseinandersetzung mit Material, das er mit der einstigen „Naivität des jungen Mannes“ komponierte. Die beträchtliche Zahl von Werken, die er zurückzog, umarbeitete oder nach Jahrzehnten neu komponierte, hat seinem Oeuvre den Ruf eines „Work in Progress“ eingetragen. Umso mehr darf nun das Erscheinen der ersten Veröffentlichung seines Gesamtwerks, die 13CD-Edition „Pierre Boulez – Complete Works“ (Deutsche Grammophon), als ein besonderes Ereignis begrüßt werden werden.

Erstmalige Veröffentlichung des Gesamtwerks
             
Die bloßen Fakten dieser Edition sprechen für sich selbst. Pierre Boulez hat die Zusammenstellung sämtlicher Aufnahmen beaufsichtigt und autorisiert. „Complete Works” stellt Weltersteinspielungen der 2005 komponierten Werke „Improvisé – pour le Dr. K.“ und „Une page d'éphéméride pour piano“ vor. Zudem beinhaltet die Sammlung bislang unveröffentlichte Live-Aufnahmen von „Dérive 2, pour onze instruments“ und „Notations I-IV et VII, pour grand orchestra“. Natürlich fehlen auch die Meisterwerke „Le Marteau sans Maître“, „Pli selon Pli“, „Structures II“, „Répons“ und die drei Klaviersonaten nicht. Zu den Interpreten zählen Pierre-Laurent Aimard, Maurizio Pollini, Christine Schäfer, das Ensemble intercontemporain, das BBC Symphony Orchestra und das Ensemble Modern Orchestra. Ein exklusives Interview mit Pierre Boulez und ein 200-seitiges Begleitbuch vervollständigen diese großartige Gesamtausgabe.

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