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Form und Sinnlichkeit – Pierre Boulez vollendet seinen Mahler-Zyklus

Pierre Boulez
© Deutsche Grammophon
28.10.2013
Pierre Boulez gehört zu den einflussreichsten Musikerpersönlichkeiten unserer Zeit. Als musikalischer Avantgardist prägte er neben Karlheinz Stockhausen oder Luigi Nono die Neue Musik in Europa, vor allem als Komponist serieller Musik. 1958 begann seine zweite Karriere als Dirigent. Auch Gustav Mahler war Komponist und Dirigent, eine Zeitlang sogar Operndirektor. Als Wegbereiter der Musik der Moderne beeinflusste er Komponisten wie Arnold Schönberg, Alban Berg oder Dmitri Schostakowitsch. Er löste zum Beispiel das traditionelle Symphonie-Schema auf, sprengte die Form „durch seinen dramatischen Inhalt“ (Wolfgang Stähr).
Wie Gustav Mahler stand auch Pierre Boulez auf der Schwelle zu einer neuen Musik, beide lebten in einer musikalischen Umbruchszeit, wollten traditionelle Konventionen auflösen. Vielleicht ist es auch diese Gemeinsamkeit, die beide nun auf der CD „Boulez conducts Mahler“ zusammengeführt hat: Denn wer könnte das musikalische Vokabular eines Avantgardisten des ausgehenden 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts besser verstehen und zum Ausdruck bringen, als ein gleichgesinnter, ebenfalls revolutionär denkender Musiker seit den 1950er Jahren?

Den Zugang zur Musik Mahlers erhielt Pierre Boulez nicht etwa über die Sinfonien, sondern über seine Lieder. Das ist sicher auch ein guter Einstieg für diejenigen, die sich zum ersten Mal mit Mahler beschäftigen, zudem sind die Gesangstexte bis auf „Das Lied von der Erde“ im zugehörigen Booklet zum Nachlesen und Mitsingen abgedruckt.

Relativ spät, mit 68 Jahren, wagte Pierre Boulez sich an die erste Einspielung von Gustav Mahler. Jetzt, im Alter von 88 Jahren, erscheint bei Deutsche Grammophon erstmalig der Gesamtzyklus der Sinfonien und Lieder „Boulez conducts Mahler“ in einem Set aus 14 CDs, mit den zuletzt aufgenommenen 12 Liedern aus „Des Knaben Wunderhorn“ und dem Adagio aus der 10., unvollendeten Sinfonie Mahlers. Nicht weniger als vier namhafte Orchester haben bei der Gesamteinspielung mitgewirkt: das Chicago Symphony Orchestra, die Wiener Philharmoniker, das Cleveland Orchestra und die Staatskapelle Berlin, sowie viele international renommierte Sänger/innen wie Anne Sofie von Otter, Christine Schäfer, Magdalena Kozená, Thomas Quasthoff, Christian Gerhaher oder Michael Schade.

In den Aufnahmen wird Pierre Boulez´ persönlicher Stil, sein künstlerisches Einwirken deutlich. Ihm gelingt eine Synthese aus struktureller Klarheit und emotionaler Klangtiefe. Er dirigiert nüchtern und mathematisch, gleichzeitig aber auch sinnlich, dringt bis zum Wesen der Werke vor und schafft eine symphonische, dramatische Stimmung, wie sie im Sinne Mahlers wohl nicht besser hätte umgesetzt werden können. Um es mit den Worten des Klangmagiers Pierre Boulez selbst zu sagen: „Es reicht nicht, nach der Form zu suchen, man muss sie fühlen. Nur dann klingt es natürlich. Dabei sollte man sich auf jeden Fall die Spontaneität bewahren. Das geht aber nur, wenn man mit der Partitur absolut vertraut ist.“

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