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Boulez total

Pierre Boulez ©Harald Hoffmann
Harald Hoffmann
05.01.2010
Im kommenden März feiert einer der wichtigsten Komponisten und Dirigenten der vergangenen Jahrzehnte einen runden Geburtstag. Pierre Boulez wird 85 und das ist ein guter Grund zum Feiern. Die Deutsche Grammophon trägt ihren Teil zu dem Jubiläum bei und veröffentlicht aus diesem Anlass zwei besondere Boxen, die wichtige Wegmarken seiner Karriere als Dirigent kompakt und sorgfältig ediert zusammenfassen. Beide widmen sich Komponisten des 20.Jahrhunderts, die Pierre Boulez als zentrale Inspirationsquellen seiner eigenen Kreativität betrachtet: zum einen Béla Bartók, zum anderen Igor Strawinsky.
Wäre es nach seinem Vater gegangen, wäre Pierre Boulez Ingenieur geworden. Es sprach auch einiges dafür, dass der Junge aus Montbrison im Département Loire in die Fußstapfen seines Erzeugers treten würde, der als Techniker in der Stahlbrache arbeitete. Pierre war gut in der Schule und mathematisch so begabt, dass er nach Lyon auf ein naturwissenschaftliches Spezial-Seminar geschickt wurde. Womöglich wäre er sogar in dieser Linie geblieben, wenn es ihn nicht nach Paris gezogen hätte. Mit 18 Jahren nabelte sich der Teenager von Zuhause ab, ging in die französische Hauptstadt und änderte grundlegend seine Zukunftspläne. Im Oktober 1944 schrieb er sich am Konservatorium in der Klasse für Harmonielehre von Olivier Messiaen ein. Aus dem Hobby – seit dem siebten Lebensjahr hatte er Klavierunterricht genossen und bald auch im Schulchor gesungen – wurde eine Berufung. Durch Messiaen lernte Pierre Boulez die Klangwelt von Strawinsky, Bartók und der alten und neuen Wiener Schule kennen. Durch seinen Lehrer verstand er auch, wie wichtig es ist, nicht über Musik, sondern in Musik zu denken.
Als erste Talentprobe präsentierte der französische Rundfunk seine „Trois Psalmodies“ (1945) für Klavier, noch zaghafte Schülerarbeiten im Stil des Lehrers mit einem Hang zu Schönberg’scher Abstraktion. Doch bald schon sollte sich der Newcomer als eigenständiger Komponist bewähren. René Leibowitz brachte ihm die Zwölftonmusik nahe. Atonale, serielle und elektroakustische Experimente folgten. Der erste Job als Leiter der Compagnie Renaud-Barrault brachte Boulez mit der Bühnenmusik zusammen, 1954 gründete er seine erste Konzertreihe für neue Musik „Concerts du Petit Marigny / Domaine Musicale“, im Jahr darauf gelang ihm mit „Le Marteau Sans Maître“ der internationale Durchbruch als Komponist, der beinahe gleichzeitig mit dem Erfolg als Dirigent einher ging. Seitdem gehört Pierre Boulez zu den prägenden, impulsgebenden Gestalten des zeitgenössischen Musikgeschehens, ganz gleich ob er als Gründer des Ensemble Intercontemporain der Neuen Musik ein passendes Forum schuf oder ob er als Leiter des Institut de Recherche et de Coordination Acoustique/Musique (IRCAM) im Pariser Centre Pompidou dem Nachwuchs auf den Weg half.
Und sein Ruf als Dirigent ist bei den namhaften Orchestern der Gegenwart unbestritten. Mehr als zwei Dutzend Grammys hat Pierre Boulez bereits erhalten und seit 1989 ist er außerdem exklusiv bei der Deutschen Grammophon unter Vertrag. Die beiden Editionen zum 85.Geburtstag können daher auf ein großes Archiv von renommierten und preisgekrönten Aufnahmen zurückgreifen. Immerhin 8 CDs umfasst die Box „Boulez dirigiert Bartók“ und vereint zahlreiche preisgekrönte, zum Teil Grammy-prämierte Interpretationen von Orchesterwerken des ungarischen Komponisten, außerdem die kompletten Klavierkonzerte und Bühnenwerke, eingespielt mit großartigen Solisten wie Pierre-Laurent Aimard, Hélène Grimaud, Gidon Kremer, Jessye Norman und Krystian Zimerman.
„Boulez dirigert Strawinsky“ wiederum bringt erstmals alle Aufnahmen des russischen Klangpioniers zusammen, die der Maestro für die Deutsche Grammophon im Laufe von mehr als zwei Jahrzehnten festgehalten hat. Dazu gehören die drei großen ‘russischen’ Ballette “Feuervogel”, “Petrushka” und “Le Sacre du Printemps”, außerdem Symphonien, Solo-, Kammer- und Vokalmusik. Um diese Aufnahmen bestmöglich zu verwirklichen, arbeitete er mit internationalen Spitzenensembles wie der Chicago Symphony, der Cleveland Symphony, den Berliner Philharmonikern und dem Ensemble Intercontemporain. “Als Komponist und Dirigent hat Boulez wie kein anderer definiert, was moderne Musik ist und wie sie klingen sollte”, meinte unlängst die englische Tageszeitung The Guardian. Diese beiden Geburtstags-Boxen können dieses Urteil nur unterstreichen.

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