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“VOICES” – Max Richter sendet eine musikalische Botschaft der Hoffnung

Max Richter - Voices
Mike Terry
30.07.2020
Über zehn Jahre hat er an dem Projekt gearbeitet, mit dem er jetzt an die Weltöffentlichkeit tritt, um ein entschiedenes Zeichen der Hoffnung zu setzen. Inspiriert von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte versucht Max Richter mit seiner neuen Komposition “VOICES” einen Ort zum Denken und Reflektieren zu schaffen. Um dieses gewaltige Vorhaben zu erden, hat er Menschen rund um den Globus dazu aufgerufen, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte einzusprechen. Dabei erreichten ihn Hunderte von Zuschriften: Frauen-, Männer- und Kinderstimmen, die das berühmte UNO-Manifest von 1948 in über 70 verschiedenen Sprachen aufnahmen und mit ihren je unterschiedlichen Akzentsetzungen, Deklamationsstilen und Timbres die Basis für einen beeindruckend bunten Klangteppich schufen.
Ihre Stimmen bilden das Herzstück von Richters neuestem Werk. Er verwebt sie geschickt mit seinen berühmten Ambient-Sounds und charakteristischen Klangtexturen. Elektronische Elemente, eindringliche Orchesterklänge, lyrische Klaviereinlagen und gefühlvoller Chor- und Sologesang ohne Worte verschmelzen mit den eingesandten Voices zu einem überwältigenden Klanggemälde, in das der Komponist auch die Stimme von Eleanor Roosevelt, der Initiatorin der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, einzeichnet.

Musikalisches Manifest

Eine orientierende und anspornende Funktion nimmt in der filmisch anmutenden Klanglandschaft die klare Stimme der US-amerikanischen Schauspielerin Kiki Layne ein. Der ebenso ungezwungene wie entschlossene Gestus ihres Vortrags strahlt Hoffnung und Zuversicht aus. “Ich wollte”, so Richter gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, “dass eine junge Stimme die Erklärung liest, denn für mich geht es in dem Text um ein Potenzial für die Zukunft.” Eine Zukunft freilich, die vor dem Hintergrund der jüngsten rassistischen Auswüchse und populistischen Exzesse auf der Kippe steht, wie der Komponist in seinem neuen Opus wirkungsvoll zum Ausdruck bringt. “Die Hoffnungen und Errungenschaften des liberalen Konsenses der Nachkriegszeit verflüchtigen sich vor unseren Augen”, so Richter aufrüttelnd. 

Licht und Schatten 

Die junge Sopranistin Grace Davidson scheint mit ihrem sehnsuchtsvoll zehrenden Gesang gegen die trüben Zukunftsaussichten aufzubegehren. Die hellen Frequenzen des Tenebrae Chors unterstützen die hoffnungsvolle Tendenz in “VOICES”. Dagegen verkörpert das Orchester das dunkle Hintergrundrauschen der Gegenwart. Richter hat das Wucht entfaltende Ensemble um den britischen Meisterdirigenten Robert Ziegler mit zwölf Kontrabässen, vierundzwanzig Cellos, sechs Bratschen, acht Geigen und einer Harfe ausgestattet. Der durch diese Besetzung entstehende Gesamtklang ist ein Symbol für die Kopf stehende Welt. Dennoch wirken die Orchesterklänge nicht niederschmetternd oder gar bitter. Eher drücken sie Trauer über verpasste Chancen aus.
Versöhnliche Töne schlägt Max Richter in dem poetischen Instrumentalstück “Mercy” an. Komponiert für Klavier und Geige, hat er es mit der glänzend aufgelegten Stargeigerin Mari Samuelsen eingespielt. Durch die offene Atmosphäre, die das Stück stiftet, verbindet es die kontrastreichen Momente in Richters neuester Komposition. 
Max Richter hat einmal gesagt: “Meine Stücke spiegeln die tristen Zustände unserer Zeit.” (Rolling Stone) Sein neuestes Werk reicht indes weit über diesen Anspruch hinaus. Mit “VOICES” steht der Komponist, der sich durch stimmungsvolle Alben wie “Recomposed: Vivaldi – The Four Seasons” oder “Sleep” Weltruhm erwarb, für eine ethische Hoffnung ein. 

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