Max Richter | News | Eine Freundschaft fürs Leben – Max Richter veröffentlicht den neuen Soundtrack zur TV-Serie "My Brilliant Friend"

Eine Freundschaft fürs Leben – Max Richter veröffentlicht den neuen Soundtrack zur TV-Serie “My Brilliant Friend”

Max Richter
© Heiko Prigge / DG
12.12.2018
Was machen zwei kluge, intelligente Mädchen in einer Welt, die nichts mit klugen, intelligenten Mädchen anzufangen weiß? Im November 2018 ist beim britischen Sender HBO die neue TV-Serie “My Brilliant Friend” angelaufen. Das Drehbuch basiert auf dem ersten Teil eines Romanzyklus (L’amica geniale, dt: Meine geniale Freundin) der Schriftstellerin Elena Ferrante (Pseudonym). In viele Sprachen übersetzt, wurde ihre Tetralogie in den letzten Jahren international zum Bestseller.
Neapel, in den 1950ern: Elena und Lila wachsen in einem üblen Viertel der italienischen Hafenstadt auf, wo Tristesse und Gewalt regieren. Kein Kind schafft es dort über die Grundschule hinaus. Beide Mädchen sind trotz aller widrigen Lebensumstände exzellent in der Schule. Nach viel gutem Zureden ihrer Lehrerin, lassen Elenas Eltern sie weiter zur Schule gehen. Lilas Eltern nicht, und die beiden Freundinnen verlieren sich eine Weile aus den Augen, gehen unterschiedliche Wege…

Vom brillanten Buch-Bestseller zum gefeierten Film – die Medien lieben “My Brilliant Friend”

“Bricht das Ferrante-Fieber nun wieder aus?”, fragte kürzlich die New York Times nach dem Start der vom Regisseur Saverio Costanzo abgedrehten TV-Adaption. Der britische Independent nannte die amerikanisch-italienische Koproduktion “eines der größten TV-Events des Jahres”. Dafür spricht einiges: Fantastische Schauspielerinnen, die im neapolitanischen Lokaldialekt sprechen (kein Italienisch für Anfänger). Authentische Drehorte in Neapel und eine filmische Meisterleistung des Kameramanns Fabio Cianchetti, die an den italienischen Neo-Realismus der 1950er anknüpft. Last but not least macht der brandneue, emotional tief schürfende Soundtrack von Max Richter den Achtteiler zum Ausnahme-Ereignis. Nach zehn Minuten Zuschauen habe Ferrantes Welt ihn komplett eingesogen, schrieb ein Fan auf der Filmwebseite imdb.com, Richters schwebender Score habe ihn nicht mehr losgelassen.

Der Soundtrack von “My Brilliant Friend” setzt in Richters Gesamtwerk das I-Tüpfelchen

Neben neuer Originalmusik steuerte der wegweisende, erfolgreiche Neo-Klassiker (600+ Millionen Streams bei Spotify) dem Italo-Epos verschiedene Favoriten aus seiner gesamten Diskografie bei, darunter Highlights aus Sleep, Infra, Three Worlds, The Blue Notebooks und Vivaldi Recomposed, die allesamt bei Spotify auf einer Playliste erschienen sind. Diese Liste dient nebenbei als grandioses Best-Of-Album und perfektes Einsteiger-Ticket für Richter-Neulinge.
In der Serie verschmelzen zwölf brandneue Stücke, die nun auf dem Album “My Brilliant Friend – TV-Series Soundtrack” erschienen sind, nahtlos mit diesen Klassikern, und es sind hier einige neue potentielle Richter-Hits mit dabei. Dazu gehört die melancholische Ballade “Elena & Lila” aus dem Trailer. Ein Leitmotiv setzt der Londoner Komponist im wunderschönen, an die Beatles anklingenden Solo-Pianostück “Your Reflection” und wiederholt es mit ätherischem Glockenspiel und minimalistischer Marimba-Perkussion in “Interior Dialogue”, danach noch einmal, gedankenverloren und nachdenklich ritardierend, in “Remembrance of You”. Kein Wunder, dass Richters Appeal weit über die konventionelle Klassikwelt hinausgeht, dass er mit seiner Musik auch die Indie-Pop-Gemeinde, die Fans von Radiohead und Muse erreicht. Ein zweites Thema etabliert Englands emsigster Filmkomponist in “The Days Go By”, mit forschen Streichern auf den Achteln in einer dieser typisch richterischen Ohrwurm-Kadenzen. Mit einem triolisch voranrollenden Solo-Piano-Pattern, grundiert von Gänsehaut-Celli, macht Richter daraus später (“In Spite of All”) eine kleine Hymne. Dazwischen gibt es düster verhallende Bass-Trommeln und ächzende Drones, faszinierende flirrende elektronische Sounds und Klangflächen. Das ist Max Richter at his very best!

Auf Augenhöhe: die filmische Umsetzung des Buchs mit ihrer musikalischen Untermalung

Klug und souverän vermeidet Costanzos TV-Adaption die potentiellen Stolpersteine aus Ferrantes Buch. Weder schafft sie verklärte Nostalgie, noch ist sie “pseudo-dokumentarisch-gaffender Miseren-Porno” (Hollywood-Reporter). Absolut auf Augenhöhe, drückt Max Richter in seiner Musik in keinem Moment bewusst auf die Tränendrüse, lässt dafür Raum, hält Abstand, bleibt bei sich, untertreibt. Zwanzig Jahre nach dem Start der “Sopranos” gibt es im TV-Serien-Genre neue Sternstunden, und Max Richter hat in seinem umfangreichen Katalog einen neuen Höhepunkt erreicht.

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