Jiri Belohlavek | News | Dirigent aus Berufung – Jiří Bělohlávek gestorben

Dirigent aus Berufung – Jiří Bělohlávek gestorben

Jiří Bělohlávek
© Decca
06.06.2017
Der tschechische Meisterdirigent Jiří Bělohlávek ist tot. Wie die Tschechische Philharmonie mitteilte, erlag der große Künstler am 31. Mai 2017 einer schweren Krankheit.

Musikalischer Missionar: Jiří Bělohlávek (1946–2017)

Berühmt war Jiří Bělohlávek vor allem für seine Interpretationen romantischer und spätromantischer Orchestermusik. Darunter hatte es ihm vor allem die Musik seiner tschechischen Heimat angetan. Der 1946 in Prag geborene Ausnahmedirigent lebte in den Klangwelten Smetanas, Dvořáks oder Suks. Er hatte sie von Jugend an in sich aufgesogen und war durch seine hohe musikalische Begabung dafür prädestiniert, zu ihrem Missionar zu werden.
Denn das war Jiří Bělohlávek: ein musikalischer Missionar. Er wollte das, was er in seinen schönsten Stunden mit Dvořák, Smetana oder Martinů erlebt hatte, teilen. Der besondere Geschmack der tschechischen Musiktradition, ihre schier unendliche Fülle an harmonischen Farben, ihre oft aus dem Volkslied schöpfende, direkt zu Herzen gehende Melodik und schließlich ihre offene, Schmerz und Freude unmittelbar zum Ausdruck bringende Gefühlskraft – all das sollte um die Welt gehen, sollte Verbreitung finden.

Mehr als Broterwerb: Musik als Berufung

Jiří Bělohlávek war weit davon entfernt, den unermesslichen Kosmos der tschechischen Orchestermusik für sein Eigentum zu halten. Musikalische Begabung schloss für ihn einen kulturellen Auftrag mit ein. Jiří Bělohlávek wollte sich zum Diener der Kunst machen, und das bedeutete für ihn, sein persönliches Ego und materielle Interessen zurückzustellen. “Der Beruf des Dirigenten”, so der allseits beliebte Dirigent selbst, “ist nicht einfach nur ein Broterwerb. Man hat als Künstler eine Mission.”
Jiří Bělohlávek verfolgte diese Mission mit Leib und Seele. Wer ihn je dirigieren gesehen hat, der erinnert einen Mann, der sich mit ganzer Leidenschaft der Musik hingab. Die Wurzeln seiner Begeisterung lagen in der frühen Kindheit. Mit vier Jahren trat er bereits in einen Chor ein. Später lernte er Cello, bevor er am Prager Konservatorium mit wachsendem Enthusiasmus das Dirigieren für sich entdeckte. Dass er hiermit einen Volltreffer gelandet hatte, bestätigte seine spätere Assistenz bei dem rumänischen Kultdirigenten Sergiu Celibidache.

Bleibendes Erbe: Unsterbliche Aufnahmen

Spätestens mit diesem Coup hatte er das internationale Parkett betreten, und in seiner tschechischen Heimat, der er sich zeitlebens verbunden fühlen sollte, standen dem jungen Mann nun alle Türen offen. Gefeierte Jahre in Brünn folgten, bevor er von 1977 bis 1989 die Prager Symphoniker leitete. Von 1990 bis 1992 war er Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie, zu der er, nach überaus erfolgreichen Jahren im Ausland, unter anderem beim BBC Symphony Orchestra, im Jahre 2012 triumphal zurückkehrte.
Die Begeisterung über diese Rückkehr ist den großartigen Aufnahmen, die seither von Jiří Bělohlávek erschienen sind, anzumerken. Furios: die 2014 erschienene Edition “Dvorák: Sämtliche Symphonien und Konzerte”. Mit dieser Ausgabe krönte der Dirigent seine lebenslange Beschäftigung mit dem wohl bedeutendsten tschechischen Komponisten. 2016 folgte eine gefeierte Einspielung von Dvoráks “Slawischen Tänzen”, bevor sich Jiří Bělohlávek vor nur einem Monat mit Dvoráks todtraurigem “Stabat Mater” ahnungsvoll von seinem Publikum verabschiedete.