Dietrich Fischer-Dieskau | News | Vermächtnis eines Jahrhundertsängers – Zum zehnten Todestag von Dietrich Fischer-Dieskau

Vermächtnis eines Jahrhundertsängers – Zum zehnten Todestag von Dietrich Fischer-Dieskau

Dietrich Fischer-Dieskau
© Siegfried Lauterwasser / DG
24.05.2022
Als Dietrich Fischer-Dieskau vor zehn Jahren starb, da trauerte die Musikwelt um einen der größten Sänger des 20. Jahrhunderts. Der begnadete Bariton galt schon zu Lebzeiten als Legende. Durch seinen Tod, der nach einem reichen Künstlerleben kurz vor seinem 87. Geburtstag eintrat, rückte die Frage nach dem musikalischen Rang seines Gesamtschaffens ins Zentrum der Aufmerksamkeit. In den Nachrufen war vom “Genie der hohen Deklamation” (FAZ), von einer “Jahrhundertstimme” (Wiener Zeitung), ja von einem “Wundermann” (Süddeutsche Zeitung) die Rede. Der Musikkritiker Kai Luehrs-Kaiser stellte den Sänger in eine Reihe mit Idolen der Gesangskunst wie Enrico Caruso und Maria Callas. Von seinen “zahllosen Imitatoren”, so Luehrs-Kaiser in der Zeitung “Die Welt”, habe ihn niemand “auch nur ansatzweise erreicht”.
Dietrich Fischer-Dieskau, der am 28. Mai 1925 als jüngster von drei Söhnen einer Lehrerin und eines promovierten Altphilologen in Berlin zur Welt kam, machte sich als charismatischer Opernsänger mit atemberaubender Bühnenpräsenz und als fabelhafter Kunstlied-Interpret einen Namen.

Leidenschaft und Intellekt

Als früher, für seine Laufbahn wegweisender Opernerfolg gilt sein Wolfram in Wagners “Tannhäuser”, den er 1954 in einer Aufführung von Wilhelm Furtwängler in Bayreuth sang. Aber auch in Heldenrollen wie Verdis Falstaff oder dem Barak in Strauss' Oper “Die Frau ohne Schatten” setzte er wichtige Akzente. Als Falstaff brillierte er in einer berühmt gewordenen Inszenierung von Luchino Visconti an der Wiener Staatsoper. Mit dem Barak sorgte er 1963 an der Bayerischen Staatsoper für Furore. Fischer-Dieskau, der auch als Dirigent, Musikschriftsteller, Rezitator und Maler wirkte, füllte diese und zahllose andere Rollen, die er sang, mit psychologischem Feingespür aus. Er sang leidenschaftlich und inbrünstig, war aber auch darauf bedacht, den dramatischen Sinn der Rollen intellektuell zu durchdringen. 
Diese Fähigkeit, Gefühl und Sinnverstehen zu vereinen, machte sich auch in seinen Lied-Interpretationen bezahlt. Kein Sänger verband mit so viel Geschick Wort und Klang miteinander wie der Berliner Bariton, der auf dem Feld der Liedkunst Unermessliches geleistet hat.

Verheißungsvolle Gesamtedition

Heute wird Fischer-Dieskau, der seine aktive Laufbahn 1992 beendete, vor allem mit der Tradition des romantischen Kunstlieds in Verbindung gebracht. Im Gedächtnis geblieben sind seine bahnbrechenden Interpretationen von Schuberts “Winterreise”. Dabei reicht der Horizont seines Lied-Repertoires weit darüber hinaus. Fischer-Dieskau hat sich nicht nur um Schumann, Schubert, Brahms oder Hugo Wolf verdient gemacht, sondern auch um die Liedkunst von Webern, Schönberg, Henze und vielen anderen Komponisten der Avantgarde des 20. Jahrhunderts. Mit umso größerer Spannung darf eine Edition erwartet werden, die das Gelblabel in der Pipeline hat und deren Veröffentlichung für den Oktober 2022 angekündigt ist. Die Ausgabe führt erstmals das gesamte Liedschaffen Fischer-Dieskaus bei Deutsche Grammophon, Decca und Philips zusammen. Über 50 Jahre Aufnahmegeschichte: von 1949 bis 2003, eine einzigartige Möglichkeit, das gewaltige Schaffen des sängerischen Giganten über seine gesamte Laufbahn hinweg zu verfolgen.

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