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Klangmagie des englischen Barock – “O Solitude” von Andreas Scholl

Andreas Scholl © Decca / James McMillan
© Decca / James McMillan
02.11.2010
Genau genommen ist Henry Purcell überhaupt ein guter Einstieg in die Welt des klassischen Gesangs. Andreas Scholl jedenfalls, der zurzeit international führende Countertenor, würde ihn durchaus auch dem Anfänger empfehlen: „Wenn jemand noch nie klassische Musik gehört hat, würde ich sagen: Hören Sie sich das ruhig einmal an. Als Komponist ist er sicherlich nicht schwer zugänglich. Purcell spricht sein Publikum auf mehreren Ebenen an. Natürlich hat man mehr davon, wenn man den Kontext versteht, aber die eigentliche Musik spricht eine universelle Sprache. Es ist keine Musik für Musikologen, es ist Musik für den Menschen“. Was nicht heißt, dass die Lieder von Purcell nicht mit großer Kunstfertigkeit gestaltet sind.

Es sind Pretiosen der Vokalkultur, die wie beispielsweise „Music For A While“ aus der Oper „Oedipus, King of Thebes“ auch nach mehr als drei Jahrhunderten nichts von ihrer Ausstrahlung verloren haben: „Es ist eines der schönsten Lieder, das je geschrieben worden ist. Die Musik ist natürlich eine Botschaft. Purcell sagt seinem Publikum: ‘Keine Bange, solange dieser Sänger meine Musik singt, ist alles gut. Euer Leid wird gelindert, und die Musik führt euch in eine höhere Sphäre’. Durch die rhythmische Wiederholung, den basso ostinato, hat die Musik etwas Hypnotisches, von dem man angezogen wird. Wenn es eine Top Ten der besten Lieder aller Zeiten gäbe, müsste ‘Music For A While’ dabei sein“.

Und das am besten in der Interpretation von Andreas Scholl. Denn der Countertenor aus dem hessischen Eltviller hat sich nicht nur durch seine atemberaubende Beherrschung des schwierigen Fachs der hohen Männerstimme, sondern auch durch seine umfassende, individuelle und bewegende Durchdringung der musikalischen Klangwelt einen Namen gemacht. Scholl kann mit seinem Gesang zu Tränen rühren, kann jubilieren und eine emotionale Tiefe in die Lieder packen, die beim Zuhören auf intensive Weise berührt. Im Fall von Purcell mag das zum einen an der Genialität der Vorlagen liegen. Es hängt aber auch damit zusammen, dass Scholl seine Hörer mit seiner makellosen Stimme an die Hand nimmt, um sie in seine ganz eigene Welt der profunden musikalischen Begeisterung zu entführen.

„O Solitude“ wurde im vergangenen Juli in der Kirche San Girolamo im italienischen Bagnacavallo zusammen mit der Accademia Bizantina unter der Leitung von Stefano Montanari aufgenommen, mit der Andreas Scholl schon seit längere zusammenarbeitet. Als Repertoire wurden einzelne Lieder ebenso wie Ausschnitte aus Opern wie „Dido And Aeneas“ oder „Oedipus, King Of Theben“ und auch einzelne Suiten wie „The Gordian Knot Unty’d“ ausgewählt, die ein weites Spektrum der Purcell’schen Gestaltungskraft entfalten. Für zwei Arien hat er außerdem seinen Kollegen Christophe Dumaux eingeladen, mit ihm im Duett zu singen, eine weitere Farbe, die aus „O Solitude“ ein Album macht, das  eine faszinierende Intensität der musikalischen Empfindung zu vermitteln vermag. Ganz Barock, ganz Andreas Scholl.

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