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Tschaikowsky Symphonien: Heiter bis wolkig

05.04.2006
Kritiker manchen es sich manchmal leicht. Hat ein Komponist Erfolg und finden seine Melodien sogar über die übliche Wertschätzung der Spezialisten hinaus dauerhaft Eingang in das populäre Repertoire des klassischen Konzertbetriebs, dann rümpfen sie nicht selten die Nase. Im Fall von Peter Iljitsch Tschaikowksy führte das sogar dazu, dass manche seiner Orchesterwerke über Jahrzehnte hinweg belächelt wurden. Inzwischen allerdings sind solche Urteile überholt, vollkommen zurecht. Denn eine Box mit seinen gesammelten Orchesterwerken, wie sie Zubin Mehta zusammen mit dem Los Angeles Philharmonic Orchestra verwirklichte, dokumentiert ein Künstler, der weit über die musikalischen Grenzen seiner Zeit hinaus zu denken verstand.
Tschaikowskys Symphonien entstanden über einen langen Zeitraum hinweg. Rund ein Vierteljahrhundert verging von den ersten großorchestralen Versuchen bis zur dramatischen sechsten Symphonie, die wenige Tage vor dem Tod des Komponisten 1893 uraufgeführt wurde. Dementsprechend vielgestaltig ist das musikalische, formale und dramatische Material, das er in die sehr verschiedenen Werke integrierte. Das Debüt mit dem Beinamen “Winterträume” zum Beispiel entstand über das Jahr 1866 hinweg. Tschaikowsky hatte gerade erst seinen Abschluss am Konservatorium von St. Petersburg hinter sich gebracht und war daraufhin auf eine Stelle am noch jungen Moskauer Pendant berufen worden. Das wiederum ermutigte ihn, sich ernsthaft mit der großen Form auseinanderzusetzen, führte aber auch dazu, dass seine sprunghafte Kreativität zuweilen von den alltäglichen Aufgaben als Professor gebremst wurde. So war er alles andere als sicher, als er das Werk im Spätsommer des Jahres seinen früheren Lehrern zeigte und umso deprimierter, als deren Reaktion verhalten bis ablehnend war. Zunächst wurde daher nur der dritte Satz im Dezember des Jahres in Moskau uraufgeführt, das komplette Werk erklang erst im Februar 1868. Allerdings war die Resonanz unter den Kollegen soweit positiv, dass der junge Zweifler sich letztendlich ermutigt fühlte, seinen orchestralen Weg weiter zu beschreiten.
 
Und so widmete sich Tschaikowsky während kommenden zwei Jahrzehnte in unregelmäßigen Abständen immer wieder der großen Form der Symphonie. Den zweiten Anlauf startete er 1872 mit einem Werk, das in der einheimischen Szene wegen der deutlichen Bezugnahme auf russische Volkslieder sehr wohlwollend aufgenommen wurde. Die dritte Symphonie folgte drei Jahre später und bekam posthum den Beinamen “Polnische Symphonie”, auch wenn sie etwa im fünften Satz außer der Satzbezeichnung “Tempo di polacca” kaum Polnisches vorzuweisen hatte. Die vierte wiederum entstand als emotionaler Ausbruch in einer kritischen Phase der Künstlerbiographie im Jahr 1878, kurz nachdem Tschaikowsky sich in ein unglückliches Eheabenteuer gestürzt hatte und damit gescheitert war. Nummer fünf ließ daraufhin zehn Jahre auf sich warten und die späte sechste Symphonie stellte der Komponist über die Saison 1893 hinweg zusammen. Für den Dirigenten Zubin Mehta waren diese sechs Meisterwerke immer wieder Aufgaben, denen er sich gemeinsam mit den Philharmonikern von Los Angeles widmete. Die in der 5-CD-Box der Collector’s Edition zusammengetragenen und um weitere Orchesterstücke von den Balletten “Schwanensee” und “Nussknacker” bis hin zum “Slawischen Marsch” und der “Phantasie-Ouvertüre Romeo & Julia” ergänzten Aufnahmen entstanden über den Zeitraum von 1970 bis 1982 hinweg, wobei die Symphonien selbst komplett in der Saison 1978 festgehalten wurden. Sie gehören längst zu den Klassikern der Interpretationsgeschichte und sind nun sorgfältig ediert und kommentiert in einer singulären Sammlung erhältlich.

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