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Für Geist und Körper

03.09.2008
Der “Parsifal” hat in Zürich Tradition. Anno 1913 erlebte er dort seine erste Aufführung überhaupt außerhalb Bayreuths und Anfang des neuen Opernjahrhunderts kehrte er dorthin mit einer viel beachteten Inszenierung von Hans Hollmann zurück. Die international hoch gelobte Aufführung wurde nun für die DVD-Ausgabe editiert und bildet gemeinsam mit einem anderen Schmuckstückchen den Kern der aktuellen Herbstveröffentlichungen auf DVD. Denn nach langer Pause ist nun endlich das Wiener Neujahrskonzert unter der Leitung von Zubin Mehta von 1990 erhältlich, aus dem Jahr nach dem Mauerfall, als die Zeichen des Aufbruchs das gesamte Kulturleben mit einer besonderen Energie erfüllten.
Mit dem “Parsifal” hob Richard Wagner seine Opernkonzeption auf eine neue Ebene, die ihn aus der Romantik heraus in die Moderne führte. Seine Auseinandersetzung mit dem Stoff der Gralslegende, die ihm zum ersten Mal im Jahr 1845 während eines Marienbader Kuraufenthalts in Form der mittelalterlichen Vorlage Wolfram von Eschenbachs begegnete und erleuchtete, durchlief dabei ähnlich dem musikalischen Material zahlreiche Metamorphosen, bis sie schließlich den quasi-religiösen Erweckungscharakter des endgültigen Librettos erreicht hatte. Für den Komponisten war die Beziehung zum Numiosen durch die Kunst, die er in Form eines “Bühnenweihfestspiels” gewahrt wissen wollen, eindeutig. Parallel zur der eigentlichen Oper formulierte er in der Schrift “Religion und Kunst” das Credo, das hinter der Geschichte um Amfortas und Parsifal stand: “Man könnte sagen, dass da, wo die Religion künstlich wird, der Kunst es vorbehalten sei, den Kern der Religion zu retten, indem sie die mythischen Symbole, welche die erstere im eigentlichen Sinne wahr geglaubt wissen will, ihren sinnbildlichen Werten nach erfasst, um durch ideale Darstellung derselben die in ihnen verborgene tiefe Wahrheit erkennen zu lassen.”
 
Vor einem derartig semantisch aufgeladenen Hintergrund wird jede Interpretation des “Parsifals” zu einer aufwändigen Auseinandersetzung. Hans Hollmann wählte in Zürich dabei einen Mittelweg zwischen Librettotreue und künstlerischer Deutung, die den religiösen Charakter des Werke deutlich beibehält, die weihevolle Überhöhung aber durch einen Rückbezug aufs Menschliche relativiert. Das wurde möglich zum einen durch das kunstvoll zwischen Abstraktion und Direktheit vermittelnde Bühnenbild Hans Hoffers, vor allem aber durch tief bewegende Charaktere wie den unglaublich zu Herzen gehenden Matti Salminen als Gurnemanz. Ihm zur Seite standen Michael Volle (Amfortas), Günther Groissböck (Titurel), Christopher Ventris (Parsifal) und Rolf Haunstein (Klingsor) und eine betörend filigran spielenden Yvonne Naef als Kundry. Am Pult des Orchesters im Züricher Opernhaus gab sich während der Aufnahme 2007 nach fünfjähriger Opernpause der ungemein konzentrierte Bernard Haitink die Ehre, so dass eine DVD-Aufnahme entstehen konnte, die sich vorbehaltlos mit den Bayreuths dieser Welt messen lassen kann.
 
Kapitel zwei der Frühherbst-DVDs ist da von ganz andere Natur. Denn in diesem Fall geht es nicht um Visionen des Numinosen, um philosophische Diskussionen um das Menschsein in einer mythendurchzogenen Welt, sondern um pure Unterhaltung. Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker gehört seit Jahrzehnten zu den musikalischen Großevents mit internationaler Ausstrahlung und es hat durch seine Tradition, verschiedene Dirigenten an das Pult des Orchesters zu laden, inzwischen zahlreiche, sehr unterschiedliche Höhepunkte erlebt. Dazu gehörte auch der Auftritt von Zubin Mehta in diesem Rahmen aus dem Jahr 1990. Lange schlummerte er in den Archiven des ORF auf eine Veröffentlichung, nun wird er zeitgemäß remastered und auf den passenden Surround-Sound gebracht endlich zugänglich gemacht. Zubin Mehta präsentierte dabei ein buntes Programm mit einigen Raritäten wie Josef Strauss' Polka-Mazurka “Die Emancipierte” oder dessen “Sport-Polka”, vor allem aber reichlich Hits aus der Feder der Walzer-Väter vom “Wiener Blut” über die “Tritsch-Tratsch-Polka” bis hin – natürlich – zum schon traditionellen “Radetzky-Marsch” als Zugabe. Da wippt das Bein und freuen sich Auge und Ohr über einen Strauss, wie man ihn eleganter kaum spielen könnte.

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