Verbier Festival Gold | News | Eine Stimme aus Gold – Bryn Terfels denkwürdiger Liederabend in Verbier

Eine Stimme aus Gold – Bryn Terfels denkwürdiger Liederabend in Verbier

verbier_bryn.jpg
(C) Verbier Festival Gold
24.05.2022
Bryn Terfel gehört zu den Sängern, die ein Publikum vollkommen in seinen Bann schlagen können. Seine mächtige Statur, seine kraftvolle Stimme und seine Fähigkeit, sich heftigen Gefühlsausbrüchen hinzugeben, prädestinieren ihn für dramatische Rollen, die Ausdauer und leidenschaftliche Inbrunst erfordern. Der walisische Bassbariton hat sich denn auch, nach frühen Opernerfolgen in der Titelpartie von Mozarts “Figaro”, besonders stark in Heldenrollen von Giuseppe Verdi, Richard Strauss oder Richard Wagner bewährt. Sein überwältigender Wotan in der „Ring“-Produktion der Met von 2012 gilt schon heute als Meilenstein der Wagner-Interpretation.
Bei so viel Wucht, Pathos und Kraft gerät leicht aus dem Blick, dass Terfel eigentlich ein Mann der Zwischentöne ist. Das gilt nicht nur für seine Heldenrollen, die er mit subtilen Gesten zu garnieren weiß, sondern auch und vor allem für seine subtilen Lied-Interpretationen. Es gibt sogar Kritiker, die Terfels hypnotische Wirkung auf der Opernbühne mit seinen Fähigkeiten als Lied-Interpret erklären. 
So schreibt etwa Jordan Mejias dem Sänger die Fähigkeit zu, als Wotan “zu herrlich kernigen, bronzenen Tönen” durchzudringen. “Aber die Ausdrucksfülle, die emotionale Transparenz und Intelligenz, die keiner Silbe den musikalischen und dramatischen Sinn verwehrt, sind die des Liedsängers.” (FAZ) Das glaubt man dem New Yorker Kritiker, der Terfel als Wotan an der Met erlebt hat, sofort, wenn man dem walisischen Hünen jetzt in einem Live-Mitschnitt aus Verbier bei einem ebenso feinfühligen wie hochgespannten Liederabend lauscht. 

Mann der Zwischentöne

Die Aufnahme, die soeben bei dem neuen Label Verbier Festival Gold erschienen ist, stammt aus dem Jahr 2011, als Bryn Terfel zum zweiten Mal in seiner Laufbahn in Verbier aufschlug und unter Begleitung des walisischen Pianisten Llŷr Williams ein fesselndes Programm mit Liedern von Schubert, Schumann, Jacques Ibert und Roger Quilter darbot. Den ersten Teil bestritt er mit Liedern von Schubert und Schumanns vollständigem Zyklus “Liederkreis”, op. 39. Bereits zu Beginn, in Schuberts “Liebesbotschaft” schlug er den Ton an, der den ganzen Abend über bestimmend bleiben sollte: eine sommerlich-flirrende, erwartungsvolle Stimmung, die im Laufe des Rezitals diskret mit abschiedlichen Tönen konterkariert wurde. 
In melancholischen Liedern wie Schumanns “Zwielicht” oder “Frühlingsnacht” führte der Sänger eindrucksvoll vor, dass das romantische Lebensgefühl nicht allein von beschwingter Verliebtheit lebt, sondern oft auch um Angst, Abschied und unerfüllte Sehnsucht kreist. 
Mit Iberts impressionistisch angehauchten “Chansons de Don Quichotte” aus dem französischen Spielfilm “Don Quichotte” von 1933 startete Bryn Terfel in den zweiten Teil des Programms, der deutlich luftiger und unterhaltsamer angelegt war. Aber auch hier durchkreuzte er die entspannte Atmosphäre mit tiefsinnigen Liedern wie Quilters herzzerreißendem “Come Away Death” aus den “3 Shakespeare Songs”. In den Zugaben, allen voran in Daniel E. Kelleys Cowboy-Song “Home On The Range”, bekannt durch populäre Interpretationen von Frank Sinatra oder Sting, demonstrierte er schließlich nach allen Regeln der Kunst, dass er ein Publikum zu begeistern und zu unterhalten versteht.

Mehr Musik von Verbier Festival Gold