Trevor Pinnock | News | Intuition für ein großes Werk – Trevor Pinnock spielt Bachs Wohltemperiertes Klavier

Intuition für ein großes Werk – Trevor Pinnock spielt Bachs Wohltemperiertes Klavier

Trevor Pinnock
© Gerard Collett
08.04.2020
Johann Sebastian Bach hätte seine helle Freude daran, zu erleben, wie sehr sein bedeutendstes Klavierwerk, das 1722 in Köthen entstandene “Wohltemperierte Klavier”als Höhepunkt seiner kontrapunktischen Meisterschaft bis heute Pianisten aller Generationen in seinen Bann zieht. Auf der ersten Seite einer 1723 von ihm selbst erstellten Abschrift – die Urschrift von 1722 war verlorengegangen – hatte er unter den Titel, quasi als Widmung, den Bestimmungszweck des Werkes geschrieben: "Zum Nutzen und Gebrauch der Lehr-Begierigen Musicalischen Jugend, als auch derer in diesem studio schon habil seyenden, Besonderem Zeitvertreib aufgesetzet und verfertiget von Johann Sebastian Bach".
Die Frühfassungen der meisten Präludien aus dem “Wohltemperierten Klavier”, das 1772 entstand, fanden sich, gemeinsam mit den Inventionen und Sinfonien, bereits in dem 1720 begonnenen Clavier-Büchlein für seinen Sohn Wilhelm Friedemann. Nun aber erweiterte Bach den systematischen Ansatz zu dem bis dato ungewöhnlichsten Großzyklus einer durch alle Tonarten gehenden Sammlung von Präludien und Fugen, jeweils in Dur und Moll. Die große Bedeutung des Werkes jedoch geht weit über den Reichtum seiner musikalischen Substanz hinaus. Bach schrieb seine Musik für ein Tasteninstrument, das so eingestimmt war, dass man in allen Tonarten auf ihm spielen konnte. Das war in der bis dato dominierenden “reinen Stimmung” nicht möglich. Die “temperierte Stimmung” – heute eine Selbstverständlichkeit – wurde erst zum Ende des 17. Jahrhunderts eingeführt.

Enge Vertrautheit mit Bachs Musik

So zahlreich die Einspielungen des “Wohltemperierten Klaviers” durch namhafte Pianisten ist, so vielgestaltig sind auch die Ansätze, sich ihm zu nähern. Dass sich nun der Dirigent, Cembalist und Pionier der Alten Musik Trevor Pinnock seiner angenommen und es für die Deutsche Grammophon eingespielt hat, ist nur folgerichtig. Sowohl mit dem gelben Label als auch mit Archiv Produktion verbindet den Gründer und ehemaligen Leiter von “The English Concert” eine langjährige und produktive Beziehung. Seine enge Vertrautheit mit der Musik Bachs bewies er bereits mit seinen gefeierten Aufnahmen etwa der Brandenburgischen Konzerte, der Goldberg-Variationen und Partiten, um nur einige zu nennen. Und immer geht Pinnock dabei vom Klang aus: Er spürt dem der Musik innewohnenden Sound nach. Bei aller intensiven theoretischen Auseinandersetzung mit der Musik vertraut er seiner Intuition. Mehr als aus den Büchern erfahre er durch seine musikalische Gabe über die Musik, sagt er. “Es ist ein Unterschied, etwas lernen zu müssen, oder es zu wissen, weil man das Richtige spürt.”
Was Trevor Pinnock am ersten Teil des “Wohltemperierten Klaviers” fasziniert, ist dessen große Spannbreite. Die Musik sei unterhaltsam und streng, traditionell und innovativ – “ein Spektrum, das Himmel und Erde berührt.” – das mache ihren Reichtum aus. Für seine Aufnahme wählte Trevor Pinnock ein Instrument, das ihn schon lange begleitet und das er bestens kennt: Die Kopie eines Cembalos von Johann Heinrich Hemsch, eines französischen Cembalobauers deutscher Herkunft und Zeitgenossen Bachs. Um dem Charakter der Musik möglichst nahezukommen unterzog Trevor Pinnock sein Instrument der gleichen Stimmung, wie sie zu Bachs Köthener Zeit üblich war: einen ganzen Ton tiefer als die heutige. Nicht zuletzt daher rührt der starke Eindruck seines ungewöhnlich vollen Klanges, seiner sprichwörtlichen Fähigkeit, “auf dem Clavier zu singen”. All das wird bei dieser Aufnahme beeindruckend hörbar, die am 10. April veröffentlicht wird.
Aufgrund der aktuellen Situation ist das Album gegebenenfalls etwas später im Handel als geplant. Auf den digitalen Plattformen ist es ab 10. April im Download und im Stream verfügbar.

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