Tigran Hamasyan | News | Vorwärts in die Vergangenheit: Tigran Hamasyan improvisiert über armenische Kirchenmusik

Vorwärts in die Vergangenheit: Tigran Hamasyan improvisiert über armenische Kirchenmusik

Tigran Hamasyan
© Vahan Stepanyan/ECM Records
03.09.2015
Gesang hat auf den Alben des Pianisten Tigran Hamasyan in letzter Zeit eine immer bedeutendere Rolle gespielt. Mal übernahm er selbst diesen Part, mal überließ er ihn armenischstämmigen Sängerinnen wie Areni Agbabian und Gayané Movsisyan. Doch so zentral wie auf seinem neuen Album “Luys i Luso” (“Licht vom Licht”), mit dem er nun bei ECM debütiert, kam die Stimme bei Tigran Hamasyan noch nie zum Zuge.
Zusammen mit dem Jerewaner Staatskammerchor hat der hochtalentierte Pianist hier einen faszinierenden Exkurs auf das Gebiet der armenischen Kirchenmusik unternommen. Das Repertoire umfasst traditionelle armenische Hymnen, melismatische monophone Choräle und Gesänge, deren Wurzeln teils bis ins 5. Jahrhundert zurückreichen. Hamasyan selbst arangierte all diese Stücke für den Chor und sein Klavier neu.
Die “unglaublich schönen Melodien” der armenischen Kirchenmusik faszinierten Tigran schon seit langem. “Im Laufe der Jahre reifte in meinem Kopf die Idee heran, ein ganzes Album mit armenischer Kirchenmusik zu machen”, verrät Tigran. “Vor zirka zweieinhalb Jahren begann ich mit der Arbeit an den ersten Arrangements.” Die Ideen für das Repertoire kristallisierten sich immer mehr heraus. “An einem bestimmten Punkt wollte ich das Album Mesrop Maschtoz widmen, einem Heiligen, Komponisten und Linguisten des 5. Jahrhunderts. Aber mein Arbeitsprozess führte mich dazu, das Projekt breiter anzulegen. Und so entschied ich mich schließlich für ein gemischtes Repertoire. Neben Kompositionen von Maschtoz gibt es also auch welche von Nerses Shnorhali, Grigor Narekatsi, Grigor Pahlavuni, Mkhitar Ayrivanetsi und Komitas.” Sie alle gehören zu den herausragenden Persönlichkeiten der armenischen Musikgeschichte.
“Als ich an die Zusammenarbeit mit einem Chor dachte, suchte ich ursprünglich nach Sängern, die keine klassisch geschulte Stimmen haben”, erzählt Tigran. “Vor allem wollte ich keine dieser opernhaften Konservatoriumsstimmen dabei haben. Es ist wirklich nicht leicht, Sänger zu finden, die natürlich und ohne Vibrato singen. Gleichzeitig brauchte ich aber diszplinierte Sänger, die zum Beispiel Vierteltöne beherrschen und die Melodien wirklich in der richtigen Weise singen – so wie es ein Priester tut. Das war eine riesige Herausforderung, und ich musste die Arrangements immer wieder ändern und überarbeiten, während ich ich das Material besser kennenlernte. Die Rhythmen waren für den Chor sehr ungewöhnlich.”
Die frischen und belebenden Arrangements räumen Tigran Hamasyan als Solisten maximale improvisatorische Freiheit ein. “Ich spiele jedes Mal, etwas völlig anderes, wenn ich diese Musik aufführe”, sagt Tigran. “Aber um sich innerhalb des Materials frei bewegen zu können, muss man die besonderen Anforderungen und Eigenheiten dieser Musik kennen.”
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