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Romantische Nachklänge – Thomas Hampson singt Lieder von Richard Strauss

Thomas Hampson
© Kristin Hoebermann / DG
02.04.2014
Zeit seines Lebens komponierte Richard Strauss Lieder. Schon im zarten Alter von sechs Jahren schuf er ein Weihnachtslied, und noch als Greis komponierte er die grandiosen “Vier letzten Lieder”, die als eine der größten Liedkompositionen des 20. Jahrhunderts in die Geschichte eingehen sollten. Was Richard Strauss so sehr zum Liedkomponisten befähigte, das war seine Spontaneität. Einem Freund gegenüber bemerkte einmal, dass er schnell spüre, ob ein bestimmter Text ihm eine Musik eingebe oder nicht. Und wenn er erst einmal eine Idee hatte, dann formte er sie geduldig, nach allen Regeln der Kunst.

Natürliche Schönheit

Woran Richard Strauss bei aller beeindruckenden Komplexität seiner Kunst stets festhielt, das war die natürliche, die einfache Schönheit des Liedes. Strauss war zutiefst davon überzeugt, dass es eine natürliche Korrespondenz zwischen Wort und Melodie gibt. Und diese Natürlichkeit, die durch übertriebene Intellektualisierung in Gefahr gerät, rettete er wie kein anderer Komponist ins 20. Jahrhundert. Dabei wusste er, dass eine solche Klangwelt nur entstehen kann, wenn der Komponist auf sein Gefühl vertraut. Wer es in der Musik nicht wagt, sich zu zeigen, der lässt die Kunst austrocknen.

Romantiker des 21. Jahrhunderts – Thomas Hampson

Einer, der sich eindrucksvoll offen zu zeigen weiß, ist der amerikanische Sänger Thomas Hampson, einer der intimsten Kenner des romantischen Liedes und bedeutendsten Baritone unserer Zeit. Hampson scheut keine technische Hürde und kein emotionales Pathos, um das romantische Lied, das sich weit hinein in die Liedkunst von Richard Strauss erstreckt, mit Leben zu füllen. Dabei weiß der lyrische Bariton, der spät erst seine dramatischen Möglichkeiten auszureizen begann, dass es mit gefälliger Schönheit allein nicht getan ist. Er ist, wie er einmal in einem Interview sagte, kein “Monster der Schönheit”. Wenn bei Schubert geschrieen werden müsse, dann tue er dies auch. Die “verdorrte Seite” der Dinge könne man eben nur auf diese Weise sichtbar machen. “Schönheit braucht”, so Hampson, “das Hässliche.”

Emotionale Kraft

Nur eines lehnt er strikt ab: die Verleugnung des Gefühls. Hampson, das ist Leidenschaft, Feingefühl, Kennerschaft, Perfektionismus und technischer Anspruch. Alles in einer Person. Richard Strauss hätte seine wahre Freude daran gehabt, diesen großen Mann auf dem Zenit seiner Sängerlaufbahn seine wundervollen Lieder singen zu hören. Denn eines ist klar: Die Lieder von Richard Strauss schreien geradezu nach einem Sänger, der sowohl über technische Raffinesse als auch über emotionale Ausdruckskraft verfügt, und mit beidem ist Thomas Hampson überreich gesegnet. Genial, wie er auf dem neuen Album das berühmte Lied “Zueignung” (1885) ebenso zärtlich aushaucht, wie er es kräftig betont. Man kann nur staunen, wenn man das hört, und es wird wohl Hampsons Berufsgeheimnis bleiben, wie er so unterschiedliche Regungen gleichzeitig zum Ausdruck bringen kann, ohne dass der Klang an der Unentschiedenheit zerbricht.

Nächtliche Welten

Was danach kommt, übersteigt allerdings diesen Geniestreich noch. Hampson dringt Stück für Stück in die nächtliche, abwechselnd ängstigende und sehnsüchtige Atmosphäre vieler Strauss-Lieder ein. Mit “Die Nacht” (1885) folgt eine ergreifende Melodie, die ein wenig an Schumann erinnert. Obwohl die Nacht hier schon ihr Bedrohliches andeutet, klingt noch ein Ton der zufriedenen Dankbarkeit an, ähnlich wie in “Zueignung”. Mit “Winternacht” (1886), das stark an Schubert erinnert, sowie den düsteren Liedern “Mein Herz ist stumm, mein Herz ist kalt” (1888) und “Ach weh mir unglückhaftem Mann” (1889) tritt dann aber immer dramatischer zutage, dass die Nacht ein Symbol des Todes und der Verlustangst ist. Die Nacht nimmt das Licht hinweg, stiehlt sie auch die Geliebte?

Faszination der Nacht

Zugleich ist die Nacht aber stets auch ein romantisches Faszinosum, von dem Strauss und die Dichter, die er sich auswählte (Rückert, von Gilm, Dehmel u.a.), nicht lassen konnten. Es ist schön, in die Nacht zu verschwinden, und Hampson versteht sich brillant darauf, diese Faszination zum Ausdruck zu bringen. Bevor er mit dem CD-titelgebenden “Notturno” (1899) vollends in die Nacht abtaucht, feiert er aber mit “Heimliche Aufforderung” (1894) noch zweifach das Leben: als Geselligkeit und als romantische Liebe. Und mit dem friedlichen “Morgen!” (1894) wird wie zur Beruhigung noch einmal daran erinnert, dass am nächsten Tag ja die Sonne wieder aufgeht.

Magische Kontraste

Danach geht es dann aber tief hinab in die Nacht. “Notturno”, nach dem gleichnamigen Gedicht Richard Dehmels, betritt modernes Gelände. Die wühlende, halb sehnsüchtige, halb wirre Stimmung zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird hier genial in eine Form gegossen. Die begleitende Geige, von Daniel Hope innig gespielt, bringt in dem Dialog mit dem eher fragenden Gesang und den diskret grundierenden Klavierklängen Wolfram Riegers ein weiteres Element der Nacht ins Spiel: das Mystisch-Gespenstische des Todes. Nur gut, dass auf diese tiefsinnige Meditation über Verlust wieder viel Warmes, Leichtes und Verliebtes folgt. Aber beides gehört eben zusammen: Nacht und Tag. Und diese Kontraste, die Hampson energisch betont, entfalten auf seinem meisterhaften neuen Album eine ungeheuer magische Anziehungskraft.

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