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Musik für Ostern

Johannes Passion zu Ostern
31.03.2010
Weihnachten ist das Fest für die Menschen, Ostern das Fest der Kirche und der strengen Gläubigen. Kein Wunder also, dass um das Osterfest herum zahlreiche Werke geschrieben wurden, die das Geschehen der Passion und die dazu gehörenden kirchlichen Feste und Liturgien in den Mittelpunkt stellen. Gerade Johann Sebastian Bach beispielsweise nahm diese Herausforderung mehrfach an und schuf mit seinen Passionen, Oratorien und Kantaten zeitlose Huldigungen der göttlichen Größe. Sie sind daher auch Schwerpunkt der Tipps von KlassikAkzente.de für die kommenden Ostertage.

Allein durch den Glauben solle der Mensch ins Himmelreich gelangen, predigte Luther und verbannte allen Nippes und Tand aus den Kirchen des Spätmittelalters. Singen allerdings dürfe man schon, zu Ehren Gottes und weil die Musik das Gemeinschaft- und Läuterungsgefühl erhöht. So entstanden im Rahmen protestantischer Liturgie zahlreiche Vokalwerke, die vor allem durch Johann Sebastian Bach auf ein bislang ungekanntes Niveau der Kunstfertigkeit gehoben wurden. Der Thomaskantor zu Leipzig komponierte, verknüpfte, kompilierte fortwährend und arbeitete etwa eine Pastoralkantate mit ein wenig Phantasie zum „Osteroratorium“ um. Und damit auch die im Vergleich ein wenig vernachlässigte Maria angemessen gewürdigt würde, schrieb er ihr zu Ehren und den Festtagsgottesdiensten zum Gebrauch ein „Magnificat“. Beider Werke nahm sich der Dirigent Karl Münchinger an, der sich bereits in den sechziger Jahren einen Namen als Bach-Spezialist mit dezidiert werktreuem Ansatz machte. Seine Aufnahme mit Solisten wie der Sopranistin Elly Ameling gehört bis heute zu den Klassikern der Interpretation.

Elly Ameling ist auch die Star eines weiteren Bach-Highlights für die Ostertage. Gleich drei Gesamteinspielungen der 1724 uraufgeführten „Johannespassion“ stellen dieses zentrale Werk der Barockmusik aus unterschiedlicher Perspektive vor. In der preiswerten Eloquence-Reihe dokumentieren Karl Münchinger mit dem Stuttgarter Kammerorchester, Ameling und Koryphäen wie Hermann Prey die Sicht der sechziger Jahren. Ebenfalls zu den Klassikern gehört die Aufnahme, die der Bach-Spezialist Karl Richter 1964 mit dem Münchner Bachorchester und Solisten wie Evely Lear, Herta Töpper, Ernst Haefliger und Hermann Prey verwirklichte. Sie liegt einzeln oder als Teil einer preisgünstigen 10CD-Box vor, die unter dem Titel „Richter dirigiert Bach“ sich außerdem den übrigen „Bach-Passionen“, der „h-Moll-Messe“ und den „Osterkantaten“ widmet. Sir John Eliot Gardiner wiederum vertritt in seiner Interpretation, die er mit dem von ihm gegründeten Monteverdi Choir and Orchestra einspielte, die Position der historischen Aufführungspraxis, die sich noch deutlicher als seine Vorgänger mit dem möglichst originalen Klangstandpunkt des Barocks auseinander setzt.

Auch hier liegt eine große Box-Ausgabe (22CD) als Ergänzung vor, die Gardiners Interpretation des Weihnachtsoratoriums, der h-moll Messe, der Johannes- und der Matthäus-Passion zusammenfasst. Da die Qualität sowohl der Orchester und Solisten als auch die der Aufnahmen von Anfang an herausragend war, entstanden auf diese Weise Meisterwerke, für die auch die Fachpresse nur Lobeshymnen kannte: “Das Resultat […] ist eine Sensation” (Audio 2/86 über das “Weihnachtsoratorium”); “Hier kommen die Stärken Gardiners richtig zum Tragen, unter denen ich ein ausgesprochenes rhythmisches Verständnis, einen klaren und positiven Zugang auf die Musik Johann Sebastian Bachs sowie eine strukturelle Auffassungsgabe verstehe, welche nicht nur das Mystische des Werks erforscht, sondern auch die Herrlichkeit seiner Architektur” (Grammophone 2/87 über die “h-moll Messe”); “Diese Aufnahme der Johannespassion bietet vieles, um als erste Wahl unter allen bisherigen Aufnahmen zu gelten” (Grammophone 2/87 über die “Johannes-Passion”; “Man ist mit dieser Neueinspielung zweifellos gut bedient. Der Monteverdi Choir leistet Maßstäbliches” (FonoForum 1/90 über die “Matthäus-Passion”).

Ganz neu sind die Beschäftigungen Riccardo Chaillys mit den Vokalwerken Johann Sebastian Bachs. Als Chef des Gewandhausorchesters hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, einige der zentralen Meisterstücke des Komponisten in dessen Sinne mit der Erfahrung eines viel beschäftigten und zugleich neugierigen Dirigenten zu interpretieren. Drei prominente Veröffentlichungen stehen in diesem Jahr auf dem Plan. Nach dem Start mit den „Brandenburgischen Konzerten“ im Januar folgte pünktlich zur Osterzeit die „Matthäus-Passion“, die in der Balance zwischen historischer und zeitgenössischer Interpretation eine spannende Alternative zu den Vorstellungen seiner Vorgänger bietet.

Schließlich gehören noch drei weitere Einspielungen zu den Klassikern der Ostertage. Da ist zum einen Pergolesis „Stabat Mater“. Wenn sich Künstler wie der Countertenor Andreas Scholl, die Sopranistin Barbara Bonney und der Dirigent Christophe Rousset mit seinem Ensemble Les Talents Lyriques dem „Stabat Mater“ annehmen, dann kann man jenseits aller Professionalität vor allem die Ehrfurcht vor der Musik hören. Allen Beteiligten ist bewusst, dass sie es mit einem magischen Moment der Kulturgeschichte zu tun haben und sie tun ihr Bestes, um dieses Gefühl auch an die Zuhörer zu vermitteln. Die Zerbrechlichkeit der Melodien, das kunstvolle Ineinander der einzelnen Vokal- und Orchesterstimmen entwickeln sich unter ihrer Obhut zu einem Glanzstück der Interpretation, durch dessen Oberfläche man ein wenig von dem Himmel erahnen kann, den Pergolesi beim Komponieren im Sinn gehabt haben mochte.

Musikalisches Aufsehen erregte im vergangenen Jahr die schwedischen Mezzosopranistin Anne Sofie von Otter, als sie ein Album mit Arien von Bach veröffentlichte. Es war ein musikalischer Glücksfall, dass in diesem Fall das Concerto Copenhagen und deren Leiter Lars Ulrik Mortensen Zeit und Lust dazu hatten, sich gemeinsam mit von Otter zweier Handvoll Arien und zweier Sinfoniae anzunehmen. Denn das Resultat dieser Zusammenarbeit ist von betörender Schönheit, ein Album mit diesem Funken numinoser Inspiration, die Bach-Interpreten in guten Momenten erfasst. Und nicht zuletzt gehört auch Magdalena Kozena in die Riege der ausgezeichneten Barock-Interpretinnen. Ihr frühes, bereits 1999 erschienenes Album mit „Bach-Kantaten“ zählt zu den Perlen der Archiv-Produktion und dokumentiert die Sängerin, die man inzwischen durch zahlreiche Mozart-Programme kennt, als profunde Kennerin des geistlichen Repertoires.

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