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Der arme Prinz

30.09.2005
Die Nachkriegszeit hatte die Welt musikalisch verändert. In einer bislang noch nicht dagewesenen Geschwindigkeit wurden die Errungenschaften der Vergangenheit über den Haufen geworfen und mit einem neuen, internationalen Anspruch verbunden. Jazz, Pop, Rockmusik auf der einen Seite, eine mit Grenzüberschreitungen beschäftigte Neue Musik auf der anderen sorgten für reichlich kreative Impulse, aber auch für Verunsicherungen. So wurden beispielsweise im deutschen Heimat- und Musikfilm mit fröhlichem Überschwang die Idyllen einer heilen Welt beschworen, die von Weißen Rössln und Schwarzwaldmädeln kündeten. Da passte es gut, sich wieder an die Operetten zu erinnern, die Unterhaltungsgiganten des Jahrhundertanfangs, die mit vielen großartigen Evergreens die Menschen beglückten. Und da war es auch einleuchtend, den Bühnenhit Franz Léhars “Das Land des Lächelns” Anfang der Siebziger mit beliebten Sängern und Schauspielern als Musikfilm zu präsentieren.
Franz Léhar (1870–1948) wollte sich eigentlich der ernsten Muse widmen. Im Jahr 1896 brachte das Leipziger Stadttheater seine erste Oper “Kukuschka” heraus, mit ansehnlichem Erfolg. Léhar beschloss daraufhin, sein Glück als Komponist zu versuchen, wählte allerdings das Unterhaltungsfach der bereits totgesagten Wiener Operette. Er schrieb zunächst “Der Göttergatte”, dann “Die Juxheirat” und wurde 1905 nach der Uraufführung von “Die lustige Witwe” international bekannt. Selbst ein Fan von Puccini und Richard Strauss, wurde er zur Kapazität der Singspielbühne, schrieb bis zu seinem 55.Lebensjahr 25 Operetten und hatte mit Werken wie “Der Graf von Luxemburg” weiterhin Erfolg, auch wenn er nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs zunächst nicht an der unbeschwerten Fortsetzung der leichten Unterhaltung interessiert war und meinte: “Ich bin gegen den Operettenblödsinn. Ich will Menschen komponieren: ihre Herzen und Seelen, ihre Empfindungen und Leidenschaften, ihre Fröhlichkeit und Betrübnis”. So waren die Werke seiner zweiten Phase weitaus kritischer gestaltet und verzichteten überwiegend auf Happy Ends. Seine nach der “Lustigen Witwe” beliebteste Komposition blieb dabei “Das Land des Lächelns”. Es wurde am 10. Oktober 1929 in Berlin uraufgeführt und gehört zu den letzten großen Bühnenwerken, die Léhar verwirklichte. Das hatte mehrere Gründe. Zum einen begann die eigene Schaffenskraft, langsam zu ermüden. Darüber hinaus orientierte sich das Publikum neu, nachdem mit Kino und Film ein spannendes, junges Medium den Markt eroberte.

Die Geschichte des “Landes des Lächelns” ist schnell erzählt. Lisa, Tochter des Grafen Ferdinand Lichtenfels, wird vom Prinzen Sou-Chong umworben. Fasziniert von der Fremdartigkeit und Noblesse seiner Erscheinung, folgt sie ihm in seine Heimat. Dort allerdings wird sie mit den Strukturen einer nach eigenen Gesetzen funktionierenden Gesellschaft konfrontiert, in die sie sich nicht dauerhaft einfinden kann. So gibt es am Ende zwar die große Liebe, aber nicht die Versöhnung der Kulturen, die eine grenzenlose Freiheit der Liebenden ermöglichen würde. Das Tragische im Romantischen wurde von Léhar geschickt in die Opulenz des Exotismus verpackt, wobei Arien wie das dem damaligen Startenor Richard Tauber auf den Leib geschriebene “Dein ist mein ganzes Herz” sich zu großen Hits entwickelten. Wie zeitlos sie sind, zeigte die Verfilmung der Operette in den frühen Siebzigern, in der René Kollo die Rolle des unglücklichen Prinzen Sou-Chong übernahm. Einst mit Schlagern bekannt geworden, hatte er bereits ausgiebige Erfahrungen auf der Opernbühne gesammelt und war auf dem Weg zum gefeierten Wagner-Tenor. In diesem Fall jedoch schlüpfte er in feine, fernöstlich inspirierte Kleider, umwarb elegant die reizende Lisa (Birgit Pietsch-Sarata), hatte mit der Musikfilmkoryphäen Dagmar Koller außerdem eine prickelnd erotische Schwester Li an seiner Seite (die etwa den Eunuchen Lin-Po betörend umgarnte) und litt überzeugend an der Unvereinbarkeit von Liebe und Politik. Ein paar Änderungen waren für die Filmversion vorgenommen worden – so residierte Sou-Chong nicht in China, sondern in einem phantastischen Inselreich namens Buratonga -, insgesamt jedoch wurde Wert darauf gelegt, das fernöstliche Kolorit möglichst authentisch zu gestalten. Ein unterhaltsamer, über die Bühnenvorlage hinausreichender Operettenfilm entstand, der auch aus heutiger Perspektive noch durch seine Präsenz, Farbigkeit und stellenweise hintergründige Komik begeistert.

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