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Mehr als Freundschaft

21.02.2007
Dieser Film ist brisant. Denn das “Tagebuch eines Skandals” greift gleich mehrere Themen auf, die auch in der realen Welt als verwerflich angesehen würden. Das Stalking etwa, mit der eine jungen Lehrerin von einer Kollegin gequält wird. Oder auch deren Affäre mit einem minderjährigen Schüler. Das sind Tabus, die mit viel Fingerspitzengefühl behandelt werden müssen, um nicht plakativ zu wirken. Und es sind dramatische Geschichten, die einen ausgezeichneten Soundtrack brauchen, um die immanente Spannung zu unterstützen, ohne sie zu dominieren. Eine Musik, die von jemandem des Formats von Philip Glass geschrieben sein muss.
Barbara Covett (Judi Dench) unterrichtet seit langem schon an einer etwas heruntergekommenen Londoner Schule. Ihr Regiment ist streng, die Perspektive für ihr restliches Leben wenig abwechslungsreich. Das ändert sich, als die neue Kunstlehrerin Sheba Hart (Cate Blanchett) zum Kollegium stößt. Sie ist jung, hübsch, beliebt, talentiert und hat eine funktionierende Familie. Covett kommt mit ihr in Kontakt, als sie gemeinsam einen Streit zwischen Schülern schlichten, und erkennt in der engagierten Pädagogin eine Seelenverwandte, mit der sie sich anfreundet. Alles scheint perfekt, bis sie entdeckt, dass Sheba eine Beziehung mit einem Schüler hat. Das ist in ihren Augen nicht nur verwerflich, sondern könnte sich auch zu einem Skandal ausweiten, der weit über die persönliche Ebene hinaus reicht. Covett beginnt, ihre Kollegin unter Druck zu setzen. Sie fordert eine unbedingte Freundschaft ein, als Gegenleistung für ihr Stillschweigen. Die Situation eskaliert schließlich, als sich herausstellt, dass Sheba nicht gewillt ist, ihre gefährliche Liebschaft aufzugeben. Aus der Freundschaft  wird eine Obsession, niedergeschrieben im Tagebuch der alternden Jungfer und mit den Mitteln des Psychoterrors umgesetzt.

So ist ein Film entstanden, nach dessen US-Start während der Weihnachtstage die Presse sich spürbar beeindruckt zeigte. Das Magazin US Weekly etwa meinte zu seiner Bestwertung als Begründung: “Die Schauspielerinnen Judi Dench und Cate Blachett erreichen eine neue Höchstform in diesem dunklen zeitgenössischen Thriller über Liebe, Lust und Betrug”. Und Newsweek fügte hinzu: “Ein boshaftes Vergnügen. Jede Wendung wird sie in Atem halten.” Die Regie von “Tagebuch eines Skandals” führte Richard Eyre (“Iris”, “Stage Beauty”), nach einem Drehbuch von Patrick Marber, der Zoe Hellers erfolgreichen Roman “What Was She Thinking: Notes On a Scandal” für die Kinoleinwand adaptiert hatte. Als theatererprobter Profi für dramatische Darstellung lag ihm nicht nur viel an der schauspielerischen Leistung, sondern auch an der musikalischen Begleitung des brisanten Stoffes. Aus diesem Grund bat er den amerikanischen Komponisten Philip Glass (“Koyaanisqatsi”, “Die Truman Story”) um ein passendes Klanggewand und bekam einen emotionsdichten Soundtrack, der bereits beim Hören ohne Bilder die Spannung erahnen lässt, die die Handlung in sich birgt. Als Spezialist für Klangräume, die vielfältige Geflechte von Gefühlen und Assoziationen zulassen, hat der Minimalist, der vor wenigen Tagen seinen 70.Geburtstag feierte, ein Hörtagebuch geschaffen, das in zwanzig Kapiteln dem aufregenden Plot zu einer zusätzlichen Ebene der Intensität verhilft. Von “First Day On School” bis “I Knew Her” folgt Glass dem unerhörten Geschehen mit einer eigenen orchestralen Perspektive, die ebenso deutlich die Bilder ergänzt wie als eigenständiges Werk stehen kann. Ein Meister im Team der Koryphäen.