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Vater der Moderne – Olivier Messiaen: Complete Edition

Olivier Messiaen
© Studio Harcourt
09.05.2016
Olivier Messiaen gab seinen Mitmenschen Rätsel auf, denn der französisches Komponist war in vieler und inspirierender Hinsicht nicht zeitgemäß. Er gehörte keiner Schule an, ließ sich von den Strömungen seiner Dekaden kaum beeinflussen und schöpfte in einer Ära des Atheismus Kraft aus dem Glauben. Er entwickelte eigene Klangvorstellungen, aus der Natur und der Kontemplation und neigte dabei zum Mystischen ebenso wie zur klaren, präzisen Analyse musikalischer Zusammenhänge. Zum 100. Geburtstag des Komponisten im Jahr 2008 veröffentlichte Deutsche Grammophon erstmals die „Complete Works” – eine faszinierend vielseitige und ausführlich kommentierte Basis-Box mit 32 CDs, die eine der zentralen Persönlichkeiten der klassischen Musik des 20.Jahrhunderts umfassend würdigt. Nun wird die Gesamtausgabe neu aufgelegt. 
Einflussreicher Lehrer
Olivier Messiaen war ausgebildeter Organist. Paul Dukas hatte dem jungen Mann aus Avignon den musikalischen Weg gewiesen und er selbst fand zunächst in der Église de la Sainte-Trinité in Paris eine Arbeit, die seinem Bedürfnis nach Musik und Spiritualität in gleicher Weise entgegen kam. Da wundert weder seine Affinität zu Tasteninstrumenten noch sein Engagement in musikalischen Gruppen wie „Jeune France“, die von Mitte der 1930 Jahre an Musik im Unterschied zum distanzierten Ästhetizismus aus deren Bekenntnischarakter heraus definierte. Messiaens Kunst hatte Kraft und seine Person eine faszinierende Ausstrahlung; eine Kombination, die ihm von 1941 an als Lehrer am Pariser Konservatorium zu einer Art natürlicher Autorität verhalf. Diese wies so manchem Jungspund von Stockhausen über Boulez bis Xenakis den Weg, so wie Messiaen selbst als musikalisch hoch begabter 11jähriger einst an eben jenem Institut angefangen und im Laufe eines umfassenden Studiums so ziemlich jeden Preis des Konservatoriums gewonnen hatte (davon erste Preise in den Fächern Kontrapunkt und Fuge, Klavierbegleitung, Orgel und Improvisation, Schlaginstrumente, Musikgeschichte und Komposition).
Liebe zu Gott und seiner Schöpfung
Vor allem aber gelang es ihm, sich vor dem Hintergrund der eigenen Glaubensstärke eine besondere Achtung von dem Werk der Natur zu erhalten, welche in vielfacher Hinsicht in seinen Kompositionen reflektiert wurde. „Zwölftonmusik, serielle Musik, atonale Musik, das Resultat ist überall das Gleiche“, meinte er in einem Interview mit Jean-Chistophe Marti, das im ausführlichen Booklet der „Olivier Messiaen: Complete Edition“ abgedruckt ist, und ergänzte: „Es ist eine Musik ohne Farben, grau und schwarz. Außer um ein scheußliches Gefühl wie Angst und Schrecken auszudrücken, sehe ich in dieser Sprache keine Emotion, die diesen Nachklang außer Kraft setzen könnte. Ich fürchte, dass die Liebe in dieser Art des Universums vollständig abwesend ist“. Diese wiederum war für Olivier Messiaen ein zentraler Gesichtspunkt, vor allem im übertragenen Sinne der Liebe zu Gott und zu den Menschen. Vielleicht war es genau dieser Punkt, der seinen vielen Schülern wie auch seiner eigenen Musik eine besondere Kraft gab. Der Blick auf das Gesamtwerk der Komponisten jedenfalls weist immer wieder diese Intimität der Gestaltung auf, Neugier in Verbindung mit Ehrfurcht, Analyse mit Entrückung.
Das Gesamtwerk
Schon deshalb ist die „Complete Edition“ eine Schatztruhe der musikalischen Moderne. Sie präsentiert einen Komponisten faszinierend schillernder Klaviermusik in der pointiert sublimierten Nachfolge von Debussys Farbenspielen, die Messiaen als jungen Mann bewunderte. Sie stellt das wichtigste Orgel-Oeuvre des Jahrhunderts vor, kontrastiert es mit Chorälen und Vokalwerken wie dem „Poème pour Mi“, der Oper „Saint François d’Assise“ und stellt dem Ganzen die auf dem Liebesdrama von „Tristan und Isolde“ aufbauende „Turangalila-Symphonie“ und das vielschichtige Orchesterwerk zur Seite. Zu den Interpreten der „Complete Edition“ zählen neben Messiaen-Experten wie dem Pianisten Roger Murano zahlreiche Koryphäen der zeitgenössischen Musikszene, von Marta Argerich über Pierre-Laurent Aimard, Daniel Hope und Gidon Kremer bis hin zu Pierre Boulez, Riccardo Chailly, Myung-Whun Chung und Kent Nagano, die wie Hope und Chung sogar eigens neue Aufnahmen aus diesem Anlass verwirklichten. So ist „Olivier Messiaen: Complete Edition“ eine sowohl im Inhalt, wie in der Präsentation und Konzeption grundlegende Werkausgabe, die viele Menschen zur Musik verführen könnte – ganz im Sinne des Komponisten, der Zeit seines Lebens an die Kraft der Kunst glaubte

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