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Zeichen der Zeit

Thomas Larcher Madhares ECM
14.04.2010
Die Suche endet nie. Das Erstaunlich dabei: Es gibt immer noch Neues zu entdecken, obwohl das Klangterrain der modernen, experimentellen und Neuen Musik schon lange erforscht zu sein scheint. Einer der Scouts durch diese Welt der Hörerkundungen ist der Münchner Produzent Manfred Eicher, der mit seinem Label ECM stetig den Blick nach vorne richtet. So präsentieren auch die aktuellen Folgen der Veröffentlichungen ungewohnte, ungewöhnliche Sondierungen der musikalischen Gefilde, die von der jazzafinen Triosuite des Pianisten Ketil Bjørnstad über die Klavier-Landschaften von Henri Dutilleux bis hin zu Thomas Larchers musikalischen Kammerspielen „Madhares“ reichen.

Ketil Bjørnstad ist ein Multitalent. Krimifans kennen ihn als feinsinnig-philosophischen Thriller-Autor, Cineasten als Komponisten von Soundtracks etwa zu Filmen von Jean-Luc Godard. Für Jazzkenner ist er einer der Grenzgänger zwischen Kammermusik und freiem Spiel, für klassische Hörer ein Spezialist für subtil abgeschattete neoromantische Klangräume. Er selbst sieht sich in der Mitte zwischen den Polen der Kreativität und lotet die Demarkationslinien der Genres aus. Zwei Projekte wird er in diesem Jahr veröffentlichen. Das eine Album im Duo mit dem Cellisten Svante Henrykson ist für den Herbst geplant, das andere steht frisch am Start in die Frühjahrsrunde. Es trägt den Titel „Remembrance“ und bringt den vielseitigen Norweger mit dem Saxofonisten Tore Brunborg und Bjørnstads langjährigem musikalischen Kompagnon am Schlagzeug Jon Christensen zusammen. Gemeinsam gestalten sie eine lockere, elfteilige Suite, die von der Spontaneität und Intuition des kreativen Augenblicks geprägt ist. Aufgenommen und gemischt in nur zwei Tagen im vergangenen Herbst in den legendären Olsoer Rainbow Studios unter der Ägide von Jan Erik Kongshaug knüpft Bjørnstad souverän an die Ära an, als die Freiheit des musikalischen Flusses die zentrale Maxime des Gestaltung war, und ist zugleich fest in der feintönenden Gegenwart verankert.

Henri Dutilleux ist eine der zentralen Persönlichkeiten der europäischen Gegenwartsmusik. Geboren 1916 in Angers, hat er unter anderem als Produktionsleiter beim französischen Rundfunk und Hochschullehrer in Paris die Entwicklungen der zeitgenössischen Gestaltungskunst geprägt, auch wenn er sich nie stilistisch einer spezifischen Schule hat zuordnen lassen. Mit „D’Ombre et de Silence“ widmet ihm nun der amerikanische Pianist Robert Levin ein eigenes Programm mit markanten Schlüsselwerken von den späten Vierzigern bis in die Gegenwart, überwiegend für Piano Solo und im Fall von „Figures de Résonances“ um die Taiwanesische Pianistin Ya-Fei Chuang als Partnerin ergänzt. „Schon in den achtziger Jahren,“ meint Robert Levin zur Entstehung dieses Recitals, „als Kim Kashkashian und ich die ersten Einspielungen für ECM machten, hat mir Manfred Eicher angeboten, eine Soloplatte aufzunehmen. Ursprünglich hatte ich ein gemischtes Programm mit viel französischer Musik im Sinne, aber Anfang des neuen Jahrtausends haben wir uns schließlich auf Dutilleux geeinigt. Anschließend dauerte es wiederum eine Weile, bis ein Termin für die Aufnahme gefunden war, schließlich wollte ich die Stücke zuvor alle gründlich im Konzert erprobt haben. Unterdessen lief der ständige Dialog mit dem Komponisten über die Notentexte, die Auswahl der Stücke und viele Korrekturen im Detail.“ Heraus kam eine repräsentative Werkschau, die den Denker am Notenblatt und den Intellektuellen am Instrument komplementär zusammenführt.

Thomas Larcher schließlich ist eine der innovativen Persönlichkeiten der zeitgenössischen Musik. Geboren 1963 in Innsbruck, ausgebildet unter anderem in Wien, hat er im Laufe der vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte von Claudio Abbado bis Pierre Boulez mit zahlreichen Koryphäen seines Fachs zusammengearbeitet. „Madhares“ sieht er selbst als eine Art Bestandsaufnahme mit schlaglichtartigem Charakter, die Ensemble-Schwerpunkte seiner Arbeit reflektiert: „Eine Platte ist letztlich immer eine Zusammenfassung bereits absolvierter Stationen. Während die ersten beiden ECM-Alben ‘Naunz’ (2000) und ‘Ixxu’ (2006) Werke für kleinere Besetzungen vorstellten, steht bei ‘Madhares’ Musik für Soloinstrumente und Orchester im Mittelpunkt. ‘Still’ von 2002 ist so etwas wie ein Startpunkt, ‘Böse Zellen’ von 2006/07 markiert ein weiteres Stadium meiner Arbeiten für größere Besetzungen – den Schritt hin zu einer Orchesterliteratur, die jetzt gerade entsteht bzw. teilweise vollendet aber noch nicht uraufgeführt ist. Und ‘Madhares’ vertritt das jüngste Stadium auf dem Gebiet der Kammermusik.“ Bei der Verwirklichung der Aufnahmen standen Thomas Larcher neben Solisten wie dem Pianisten Till Fellner das Münchner Kammerorchester unter Dennis Russell Davis und das Quartuor Diotima zur Verfügung, die maßgeblich dazu beitrugen, dass aus den Klangvisionen des Komponisten Referenzversionen der Interpretation wurden. Weitere Informationen finden Sie auf ecm-sounds.de

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