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Stoff zur Bewunderung

22.04.2005
Als Karl Böhm im Jahr 1956 in Wien seine berühmte Einspielung von Mozarts Le Nozze Di Figaro verwirklichte, war er bereits eine anerkannte Autorität der internationalen Konzertszene. Der 1894 in Graz geborene Dirigent hatte nicht nur über Jahre hinweg die Dresdner und Hamburger Oper geleitet und in dieser Funktion zahlreiche Uraufführungen vor allem von Richard Strauss verwirklicht, sondern in der Nachkriegszeit auch maßgeblich dazu beigetragen, dass die Wiener Oper ihre frühere Bedeutung bekam. Erstmals leitete er 1943/44 das renommierte Haus in schweren Zeiten und kehrte dann in verschiedenen Phasen an dessen Pult zurück. So etwa auch 1954 bis 1956, eine künstlerisch produktive Periode, zu deren Höhepunkten unter anderem die Aufnahme des Figaro gehörte.
Mozart war hatte es geschafft. Das Publikum lag ihm zu Füßen und er beeilte sich, ihm den passenden Stoff zur Bewunderung zu geben. Die ersten zwei Vorstellungen seiner Opera Buffa Le Nozze Di Figaro dirigierte er selbst. Bei der zweiten mussten fünf Arien wiederholt werden, bei der dritten sieben, ein kleines Duett sogar dreimal. Lob kam von vielen Seiten, wenn auch das Libretto nicht jedermann passte. So konnte man damals in der “Wiener Realzeitung” folgenden Kommentar zur Hochzeit des Figaro lesen: “'Was in unsern Zeiten nicht erlaubt ist, gesagt zu werden, wird gesungen.' Könnte man nach Figaro sagen. Dieses Stück, das man in Paris verbothen, und hier als Komödie sowohl in einer schlechten als in einer guten Uebersetzung aufzuführen nicht erlaubt hat, waren wir endlich so glücklich, als Oper vorgestellet zu sehen. Man sieht, dass wir besser daran sind als die Franzosen”. Tatsächlich hatte es um die Vorlage des Librettos von Beaumarchais in dessen Heimat einigen Streit gegeben. Lorenzo da Ponte hatte es daraufhin ein wenig bearbeitet und zum Verwirrspiel um die standes(un)gemäßen Leidenschaften des Grafen Almaviva umformuliert. Die einzelnen Handlungsstränge allerdings wurden dadurch kaum transparenter und so war das Publikum inhaltlich durchaus irritiert, weil manche Wendung etwa im Zweiten Akt nur schwer spontan durch Zuhören nachvollziehbar war. Die Musik allerdings wurde geliebt, soweit man sie bei den turbulenten Vorstellungen, die zu Mozarts Lebzeiten die Regel waren, überhaupt richtig erleben konnte.

Und die Musik machte den “Figaro” auch noch knapp zwei Jahrhunderte nach der Wiener Uraufführung am 1.Mai 1786 zum außergewöhnlichen Ereignis. Insbesondere, wenn ein derart gut aufeinander abgestimmtes Team wie Karl Böhm und das Ensemble der Wiener Staatsoper sich zusammentaten. Die Aufnahmen entstanden 1956 und konnten in dem noch jungen, wieder aufgebauten Haus auf herausragende Solisten zurückgreifen. Den Conte sang Paul Schöffler, die Contessa Sera Jurinac. Für die Susanna stand die brillante Rita Streich zur Verfügung und den Cherubino übernahm Christa Ludwig. Die Titelrolle schließlich hatte Walter Berry übernommen. So entstand eine Aufnahme, die in den Folgejahren zur Referenz für die Interpretation von Mozarts unterhaltsamer Oper wurde – bis Böhm sich 1968 selbst Konkurrenz machte und mit der Berliner Besetzung sich noch einmal an den Stoff wagte. Diesmal sang die Sopranistin Gundula Janowitz die Contessa, ihr Gegenüber Susanna wurde von Edith Mathis übernommen. In den beiden männlichen Hauptrollen wetteiferten die Baritone Dietrich Fischer-Dieskau (Graf Almaviva) und Hermann Prey (Figaro). So hat man in puncto Figaro und Böhm die einzigartige Möglichkeit, zwei ebenbürtige Aufnahmen miteinander vergleichen zu können – um schließlich festzustellen, das beide von dem außergewöhnlichen Genius eines der großen Maestros beseelt sind, die das vergangene Jahrhundert hervor gebracht hat.

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