Das eine sind die Bilder, das andere ist der Sound. Für die DVD-Version der berühmten Aufnahme des “Requiems” von Wolfgang Amadeus Mozart unter der Leitung von Karl Böhm wurden die Original-Bänder von 1971 durch das Ambient Surround Imaging II System für fünf Kanäle konvertiert, was soviel bedeutet, daheim an der Anlage unmittelbar an der Position des Dirigenten zu stehen. Das ist nicht nur faszinierend, sondern ein berauschendes Hörerlebnis, das dem bewegenden Werk eine weitere Dimension des Klangempfindens hinzufügt und die Stimmung in der Wiener Piaristenkirche authentischer denn je wiedergibt.
Der mysteriöse Mann in grau, der eines Tages bei Mozart in der Tür stand und ihm gegen großzügiges Honorar ein Requiem in Auftrag gab, war ein Bediensteter des Grafen Walsegg. Das Versteckspiel war beabsichtigt, weil seine Durchlaucht beabsichtigte, das georderte Werk bei der Totenmesse für seine jung verstorbene Ehe-Frau als sein eigenes Opus auszugeben. Aus der Schwindelei wurde nichts, denn der Komponist starb vor Beendigung der Arbeit (auch wenn Walsegg das Werk am 14.Dezember 1793 schließlich doch unter seinem Namen uraufführte) und das “Requiem” entwickelte sich zu Mozarts eigenem, tragischem Abgesang. Im Laufe des Jahres hatte sich sein Gesundheitszustand rapide verschlechtert. Erschöpft, vom Gelenkrheumatismus geplagt, fand sich der verarmte Komponist im Spätherbst auf dem Krankenlager wieder. Er war noch in der Lage, die Gesangsstimmen und den bezifferten Bass bis zum Ende des “Hostias” (mit Ausnahme des “Lacrimosa” nach Takt acht) zu notieren, außerdem die Orchestrierung des “Introitus”, die erste Violinenstimme des “Dies Irae” und “Rex tremendae” und einige einzelne Details. Um den Rest kümmerten sich im Auftrag seiner Frau Constanze zunächst Joseph Eybler, ein befreundeter Komponist, der aber ziemlich schnell an dem Vorhaben scheiterte. Daraufhin orchestrierte Maximilian Stadler das zweisätzige “Offertorium”, blieb aber ebenfalls in der Arbeit stecken. Erst Franz Xaver Süßmayr, einem Freund der Familie und gelegentlichen Assistenten Mozarts (und Constanzes), gelang es, das Opus zu einem, wenn auch stellenweise ein wenig klischeehaften Abschluss zu bringen.
Der Tragik der Entstehung steht dabei die Strenge der Form gegenüber, die das Werk bis heute ausstrahlt. Es ist eine Herausforderung für jeden Dirigenten und auch Karl Böhm hatte seine eigenen Ideen von Interpretation, die die Sängerin Christa Ludwig folgendermaßen zusammenfasste: “Er hatte ganz bestimmte Vorstellungen, wie beispielsweise ein Mozart-Rezitativ zu gestalten sei, immer mehr vom Tempo ausgehend als psychologisch. Auch war er sehr darauf bedacht, dass alle Notenwerte genau eingehalten wurden, alle Pausen ihren Wert hatten … Er war ein Meister des Takts, der Genauigkeit, er wusste einen Höhepunkt herauszuarbeiten und hatte damit die größten Erfolge”. Tatsächlich ist es genau diese positive Spannung zwischen Dirigent, Orchester und Solisten, die der Aufnahme des “Requiems” eine besondere Qualität verleiht.
Böhm, der akribische Perfektionist, die Wiener Symphoniker, der Chor der Wiener Staatsoper und die vier international renommierten Solisten Gundula Janowitz (Sopran), Christa Ludwig (Contralto), Peter Schreier (Tenor) und Walter Berry (Bass) machten aus den Aufnahmen, die im Dezember 1971 in der Wiener Piaristenkirche entstanden, ein Musterbeispiel für gelungene, eng an den Vorgaben der Partitur orientierten Interpretation, die sich über die Jahre hinweg zu einer Referenz-Einspielung für Mozart-Kenner entwickelt hat. In der für fünf Kanäle (wahlweise Stereo) remasterten Version wiederum bekommt das “Requiem” eine weitere Dimension, die noch klarer und transparenter den fein zisellierten Orchesterklang erfahrbar macht, den Böhm erreichen wollte.