Juan Diego Flórez | News | Zartliebend und stürmisch - Juan Diego Flórez singt französische Opernarien

Zartliebend und stürmisch – Juan Diego Flórez singt französische Opernarien

Juan Diego Florez
Decca / © Josef Gallauer
15.05.2014
Er verzauberte schon früh sein Publikum. Wie der Journalist Siddharth Premkumar berichtet, besaß seine Mutter in Lima ein kleines Lokal, und sie brauchte nur in seine Richtung zu schauen, dann legte der junge Mann los. Ob Beatles-Songs oder rustikale Volkslieder, Juan Diego Flórez besaß schon als Schuljunge genügend Repertoire, um sein Publikum zu begeistern. Das Sing- und Bühnentalent wurde dem lebensfrohen Peruaner in die Wiege gelegt. Sein Vater war ein beliebter Volkssänger, und Flórez schätzte es, ihn mit der Gitarre zu begleiten und mit ihm zu singen. So war die Musik bei ihm von Anfang an mit Spielfreude und einer naturwüchsigen Leichtigkeit verknüpft, und das merkt man seinem beschwingten Gesang bis heute an.

Von Pop-Ambitionen zur Oper

Eigentlich wollte er Popsänger werden. Flórez liebte Led Zeppelin, die Beatles und die Musik seiner lateinamerikanischen Heimat. Als Jugendlicher stieß er dann aber irgendwann auf das Phänomen der Zarzuela, einer spanischen Form des Musiktheaters. In der Zarzuela werden auch Volkslieder gesungen, und Flórez, der durch seinen Vater stark geprägt war von peruanischer Folklore, war hingerissen von dieser Kunst. Als sich sein ungewöhnliches Gesangstalent dann immer deutlicher abzeichnete, brauchte es nicht mehr viel, um ihn von einer Karriere als Opernsänger zu überzeugen.

Bekennende Anti-Diva

Über seine steile Karriere als Opernsänger ist viel geschrieben worden. Als er mit 23 Jahren in “Matilde di Shabran” beim Rossini-Opernfestival in Pesaro sein Debüt gab und die Fachwelt fast magisch in seinen Bann zog, sorgte das in der Presse weltweit für Furore. Ein Rossini-Tenor, wie er im Buche steht. Das war eine Sensation. Und Flórez hat die großen Erwartungen, die er damals weckte, nicht enttäuscht. Er schritt in Siebenmeilenstiefeln voran und sang in der Folge an nahezu allen bedeutenden Opernhäusern der Welt.
Dieser Ausnahmekünstler hatte sehr bald alles erreicht, was man in seinem Fach erreichen konnte. Und eigentlich hätte er sich auf seine Spezialität, das Belcanto-Repertoire, beschränken und seinen Ruhm genießen können. Doch genau das wollte er nicht. Flórez, der vor drei Jahren Vater geworden ist und den hohen Wert des Familienlebens betont, ist ein bekennender “Anti-Divo”. Sich ausruhen und mit Pomp seinen Ruhm genießen? Für ihn unmöglich. Er will weiter auf Entdeckungsreise gehen. Er will sehen, was noch alles möglich ist.

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Pioniergeist und musikalische Reife

Und wenn solch ein unermüdlicher Pioniergeist sich mit künstlerischer Reife und einer wahrhaft göttlichen Begabung paart, dann tritt wahrscheinlich der Glücksfall ein, dass daraus ein musikalisches Geschenk wie sein soeben veröffentlichtes Album “L’AMOUR” (Decca) entsteht. Das Werk hat es jedenfalls in sich, und wenn man von diesem agilen Genius nicht noch weitere Meisterstücke zu erwarten hätte, dann könnte man “L’AMOUR” mit seiner Mischung aus Altbekanntem und Neuem, aus Souveränität und Entdeckerfreude ohne Übertreibung als Summe seines Schaffens bezeichnen.

Singfreude und Pathos

Mit “Parle, mon fils…” aus Donizettis französischer Oper “La favorite” zeigt sich Flórez voll in seinem Belcanto-Element. Hier kann er die Beweglichkeit seiner Stimme, seine Singfreude und das lyrisch gekleidete Begehren des Novizen Fernand, der seinem vertrauten Pater Balthazar die Liebe zu einem Mädchen gesteht, voll ausreizen. Balthazar, der die Position der Kirche vertritt und Fernand vor den Gefahren der Welt warnt, wird von dem Bassisten Sergey Artamonov mit angemessener Strenge interpretiert. Das erzeugt eine enorme Spannung, und zusammen mit den berückend schönen Melodien Donizettis und dem sanften Klangteppich des Orchestra del Teatro Comunale di Bologna unter der Leitung von Roberto Abbado entsteht so ein überwältigendes Tongemälde, das dem Hörer die tragische Lebenssituation des jungen Mannes lebhaft vor Augen führt.

Zeigt Flórez sich hier eher von einer naiven, jungenhaften Seite, so wechselt er in “Elle est là…” aus Bizets Oper “La jolie fille de Perth” beinahe mühelos zwischen unterschiedlichen Gestalten des emotionalen Ausdrucks hin und her. Von melancholischer Inniglichkeit, die berührend kindlich klingt, bis hin zu rasanten, mit männlichem Pathos angereicherten Ausbrüchen findet sich hier nahezu alles, was sich auf dem Feld der Liebe emotional ereignen kann.

Heiter vorgeprescht und sehnsüchtig entbrannt

Die heiteren Arien von François-Adrien Boieldieu, Adolphe Adam, Ambroise Thomas und Jacques Offenbach zeigen Flórez von einer quickfidelen, mal naiv, mal stürmisch vorpreschenden Seite. Dagegen muten die Arien von Hector Berlioz und Léo Delibes eher nachdenklich an. Jede Arie für sich entfaltet feinste Momente des Liebesgefühls. Aber hervorgehoben gehören doch “Pourquoi me réveiller” aus Massenets Oper Werther und das titelgebende “L’amour” aus Gounods Oper “Roméo et Juliette”. Denn in diesen Arien geht Flórez aufs Ganze.
In “Pourquoi me réveiller” klagt Flórez in der Rolle des Werther über das bittere Erwachen aus dem Traum des Verliebtseins. Es beginnt idyllisch. Ein Hauch des Frühlings umkost den Liebenden. Doch dann muss die Verliebtheit der bitteren Wahrheit einer unerfüllbaren Liebe weichen. Wie Flórez diesen Übergang mit seinem gleitenden Gesang zu fassen bekommt, ist überwältigend, genau wie sein schwelgerischer Ton in “L’amour”, in dem Roméo unter dem Balkon von Juliette sich ganz seinen Liebesgefühlen hingibt. Echtes Pathos, ohne Wenn und Aber! Am Ende der CD hat man fast den Eindruck, die ganze Gefühlswelt der Liebe gezeigt bekommen zu haben.

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