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Das Hochgefühl der Selbstfindung – Hilary Hahn mit Dvořák, Sarasate und Ginastera

Hilary Hahn
© OJ Slaughter
11.10.2022
Die letzten Jahre waren nicht einfach für Hilary Hahn. Im September 2019 startete sie ein Sabbatjahr. Ihre Pläne wurden allerdings schon bald durch die Pandemie durchkreuzt. Zur Bühnenabstinenz verdammt, spürte sie nach einiger Zeit kaum noch, was sie künstlerisch wollte. Hahn verlor, wie sie in dem berührend offenherzigen Booklet-Essay ihres neuen Albums “Eclipse” bekennt, nicht nur “die Tuchfühlung mit Kolleginnen und Kollegen in aller Welt”, sondern auch ihre “Souveränität als Musikerin” und damit “das Hauptventil”, um ihren Emotionen Ausdruck zu verleihen.
Der Tiefpunkt war im Frühjahr 2021 erreicht, als Hahn auf für den Sommer geplante Aufnahmen mit dem hr-Sinfonieorchester vorausblickte und sich kaum zu dem Projekt in der Lage fühlte. “Ich hatte täglich geübt, doch überhaupt kein Vertrauen in mein Spiel”, so Hahn.

Der Befreiungsakt

Mit Orozco-Estrada verbindet sie eine lange künstlerische Freundschaft. Ihm vertraut sie, er redet ihr gut zu und nimmt ihr schließlich die Angst. Hahn kehrt auf die Bühne zurück, legt eine überwältigende Interpretation von Dvořáks Violinkonzert hin und überwindet alle inneren Blockaden. Von diesem Akt der Befreiung, der Entfesselung ihrer musikalischen Energien und der freundschaftlichen Zusammenarbeit mit Andrés Orozco-Estrada und dem hr-Sinfonieorchester erzählt das neue Album von Hilary Hahn.
Darauf versammelt die US-amerikanische Stargeigerin Schlüsselwerke der virtuosen Geigenliteratur. Neben den Violinkonzerten von Dvořák und Ginastera präsentiert sie Sarasates Carmen-Fantasie. “Beim Schlussakkord der Carmen-Fantasie spürte ich”, erinnert sich Hahn an die Aufnahmen zu ihrem neuen Album: “Ich war durchs Feuer und gestärkt daraus hervorgegangen, als Musikerin verwandelt, zu allem bereit.”

Das Hochgefühl der Selbstfindung

Jenen Geist der Verwandlung, der befreienden Selbstfindung, die Hahn als Hochgefühl bezeichnet, spürt man auf ihrem neuen Album fortwährend. Mit leidenschaftlicher Inbrunst und furioser Virtuosität bewegt sie sich durch Sarasates Carmen-Fantasie (op. 25), in der der spanische Komponist mit viel Geschick zentrale Motive aus Bizets Oper “Carmen” für die Geige fruchtbar machte. Bei der Interpretation von Dvořáks Violinkonzert in a-Moll (op. 53) imponieren Hahns emotionaler Zugang, ihre kantable Eleganz und der weiche Fluss ihres Spiels.
Dagegen verschafft sich in Ginasteras Violinkonzert (op. 30), einem hochgespannten Werk des 20. Jahrhunderts, von dem die Geigerin “schon seit Jahren wie besessen ist”, Hahns entdeckerische Lust auf expressives Neuland Geltung. So zeigen sich auf “Eclipse” nach und nach die mannigfaltigen Dimensionen im Violinspiel der großen Geigerin. Das Album gerät zu einer mustergültigen Demonstration des breiten Ausdrucksspektrums von Hilary Hahn.

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