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Händels später Genius

Georg Friedrich Händel
22.07.2009
Der „Xerxes“ („Serse“) ist eine der späten Opern von Georg Friedrich Händel. Uraufgeführt 1738 in London trägt die Handlung sowohl komische als auch ernste Züge. Die Verwirrgeschichte um den Perserkönig bot damit die Möglichkeiten, die einzelnen Charaktere in besonderer Vielschichtigkeit zu entwickeln. Anno 1965 kam es dann im Wiener Konzerthaus zu einer historischen Aufnahme, die im Rahmen der bereits einsetzenden Händel-Renaissance die Oper in mustergültiger Form mit Maureen Forrester in der Titelrolle festhielt. Die Deutsche Grammophon bringt nun diesen Meilenstein der Interpretationsgeschichte angesichts des Händeljahres in einer eigenen CD-Box auf den Markt und schließt damit eine Lücke in der Rezeption, die auch Klassikfreunden von heute klar macht, wie famos bereits zu den Anfängen der historischen Aufführungspraxis mit dem Werk des barocken Meisters umgegangen wurde.  

Brian Priestman war ein gewissenhafter Dirigent, dem es nicht um Kulturideologien, sondern um eine  möglichst angemessene und wirkungsvolle Umsetzung von Musik ging. Und er galt als einer der versierten Händel-Forscher seiner Generation, der unter anderem Neuausgaben des „Messias“ und der „Wassermusik“ betreute, darüber hinaus eine Zeitlang als musikalischer Direktor des Shakespeare Theatres in Stratford-Upon-Avon Erfahrungen mit Bühnenmusiken gesammelt hatte und als erfahrener Dirigent auf umfangreiche Repertoirekenntnisse zurückgreifen konnte. Er war daher der richtige Mann, um eine konzertante Aufnahme zu leiten, die sich aus hervorragenden Sängern und Sängerinnen zusammensetzte, die allesamt keine Händel-Spezialisten waren.

Die kanadische Altistin Maureen Forrester zum Beispiel hatte zwar bereits in den Wiener Aufführungen von „Rodelina“ und „Serse“ der Jahre 1964 und 1965 gesungen, bei denen ebenfalls Priestman dirigierte und der ausgezeichnete Martin Isepp den Cembalo-Continuo spielte, war aber nicht nur als Barock-Koryphäe ein Begriff. Ähnlich war es mit dem englischen Bariton Thomas Hemsley (Ariodate), den man mit großen Opernrollen von Mozart bis Wagner kannte und in der Aufnahme im Wiener Konzerthaus nun mit einem kleinen Orchester in Barockgröße erleben durfte. Die amerikanische Mezzosopranistin Mildred Miller (Amastre) war berühmt für ihre Mahler-Interpretationen und die österreichische Sopranistin Lucia Popp (Romilda) hatte man schon brilliant mit Schönberg wie auch mit Gluck gehört.

Dass mit diesem heterogenen Team trotzdem (oder gerade) eine aufregende und ungemein vitale Aufnahme gelang, lag vor allem an Brian Priestman, der das Wiener Radiosinfonieorchester im Juni 1965 in Saal des Konzerthauses mit einer Umsicht führte, die dem Händel’schen Klangideal bis heute sehr nahe zu kommen scheint. Seine Idee der Interpretation gründete sich nicht ausschließlich auf die Verwendung historischer Instrumente, sondern auf einen kombinierten Klang, der durchaus moderne Klangqualitäten im Sinne barocker Transparenz vertragen konnte. „Serse“ erschien dadurch kein bisschen verfremdet, im Gegenteil: Die Aufnahme, die angesichts des Händel-Jahres auf drei CDs in einer sorgfältig edierten und ausführlich kommentierten Box erscheint, ist auch aus der zeitlichen Distanz von mehr als vierzig Jahren ein Meisterwerk klingender Eleganz, das Georg Friedrich Händels musikdramatisches Genie auch ohne Bilder eindrucksvoll zu verdeutlichen versteht.

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