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Friedrich Gulda – Mit Beethoven und im “Birdland”

Friedrich Gulda - The Complete Decca Recordings
© DG
27.07.2021
Unter den Pianisten des vergangenen Jahrhunderts gehörte er zu den eigenwilligen und zugleich schillernden Persönlichkeiten: der 1930 in Wien geborene Friedrich Gulda.
Schon mit 16 Jahren – er hatte gerade den berühmten Internationalen Genfer Musikwettbewerb gewonnen – startete der junge Gulda eine beispiellose Pianistenkarriere. Ihr Beginn war eng mit der Plattenfirma Decca verknüpft. Die nämlich nahm den jungen Pianisten sogleich unter Vertrag, sah sie in ihm doch einen würdigen Nachfolger und Bewahrer jener Tradition, wie sie durch Pianisten wie Arthur Schnabel, Wilhelm Backhaus oder Wilhelm Kempff geprägt worden war. Guldas erste Aufnahmen aus den Jahren 1947 bis 1949 schienen denn auch die Richtung vorzugeben, in die sich das Ausnahmetalent entwickeln sollte: Bach, Beethoven, Mozart, Chopin und Debussy. Bis zum Schluss seiner Aufnahmetätigkeit bei Decca blieb er diesem Repertoire treu.

Kein “Lordsiegelbewahrer der Klassikpianisten”

Anlass der Veröffentlichung einer wunderbaren Edition mit 41 CDs von Decca ist das 50-jährige Jubiläum der letzten Aufnahmen Friedrich Guldas für das blau-rote Label im Jahr 1971. Er absolvierte sie mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Horst Stein. Es waren die Klavierkonzerte Ludwig van Beethovens, dessen Musik auch den Schwerpunkt dieser Box bildet. So hat sich Gulda die 32 Klaviersonaten zweimal vorgenommen und komplett eingespielt: 1950–1958 für die Decca und 17 Jahre später noch einmal für das österreichische Label Amadeo. Beide Zyklen sind in der Box erhalten und laden zum Vergleich ein – mit interessanten Entdeckungen: Wie schon die Aufnahmen der 1950er Jahre zeigen, sah Gulda sich ganz und gar nicht in der Pflicht des “Lordsiegelbewahrers der Klassikpianisten”. Bei aller Liebe und allem Respekt der Musik Bachs, Mozarts und Beethovens gegenüber – zu ausgeprägt war sein Hang zu mehr Eigenständigkeit und Unverwechselbarkeit bei der künstlerischen Aneignung dieses musikalischen Erbes.
Nicht nur, was die Interpretation anging, sondern auch bei der Präsentation der Werke während seiner Live-Konzerte beschritt Gulda damals mit gewagten Repertoirekombinationen durchaus eigene Wege – der Weg zu Mozart dauerte etwas länger. Er begann eigentlich erst zu Anfang der Achtziger, als “Herr Mozart”, wie Gulda ihn fortan liebevoll nannte, neben Bach zu einem weiteren Schwerpunkt seines Wirkens werden sollte. Umso interessanter die Einspielungen einzelner Klaviersonaten, darunter auch die Sonate Nr. 17 in D, KV 576 aus den ersten Aufnahmen Guldas für Decca.

Musikalische Partnerschaften 

Die vielen musikalischen Partnerschaften, die Gulda im Laufe seiner Karriere einging, sind ein beeindruckender Beleg für seine musikalische Vielseitigkeit. Etwa mit Ruggiero Ricci – dieser große amerikanische Geiger hatte schon mit 11 Jahren in der Carnegie Hall debütiert und stand dann über sieben Jahrzehnte lang auf dem Podium. Mit ihm spielte Gulda im Jahre 1954 zwei der zehn Violinsonaten Beethovens ein: die Nr.7 in c-Moll, Op. 30 Nr. 2 und die Nr. 10 In G-Dur, op.96.
Guldas Suche nach dem eigenen Weg zeigt sich in der Vielseitigkeit und der großen Verschiedenheit des Repertoires, die sich in seinen Aufnahmen für Decca widerspiegeln. Von Debussys Préludes Books I & II, Ravels Gaspard de la nuit, Chopins Klavierkonzert Nr. 1 mit Sir Adrian Boult bis hin zu den Liedern von Richard Strauss mit den Sopranistin Hilde Gueden

Guldas frühe Liebe zum Jazz

Dass Guldas Pianistenkarriere keinesfalls geradlinig und widerspruchsfrei verlaufen würde, war früh schon absehbar. Mit seiner bewussten Opposition zu den “scheißreaktionären Kunstlemuren des Klassikbetriebs”, zu Frackzwang und steifen Ritualen schien sie sogar in den 70er Jahren zu enden und seiner frühen und intensiv gelebten Liebe zum Jazz zu weichen. Die war nicht nur durch amerikanische Radiosendungen in den 40er Jahren, sondern auch durch eine Begegnung mit Dizzy Gillespie inspiriert worden. Es macht die Stärke dieser Box aus, dass auch dieser Prozess mit zwei echten Köstlichkeiten nacherlebbar wird. So dokumentiert “Friedrich Gulda at Birdland” den ersten regulären amerikanischen Auftritt des Pianisten im legendären, nach dem Jazz-Saxophonisten Charlie “Bird” Parker benannten “Birdland” in New York City im Jahr 1956 mit einer Kombination aus Gulda-Originalkompositionen und Arrangements von populären und Jazz-Standards, die das Publikum begeisterten.
Spektakulär das Album “The Meeting” – eine Live-Aufnahme von Guldas gemeinsamen Konzert mit Chick Corea während des Münchner Klaviersommers 1982: Improvisationen an 2 Klavieren über Werke von Frank Churchill, Miles Davis, Johannes Brahms und Fritz Pauer.
Übrigens gehören zur komfortablen Ausstattung dieser Box neben einem 60-seitigen Booklet auch seltene Fotografien aus den Decca-Archiven, Faksimiles der Original-LP-Covers sowie eine Blu-ray Audio-Disc mit den remasterten Beethoven-Klavierkonzerten unter Horst Stein.

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