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Elvis Costello & Allen Toussaint – Hot As A Pistol, Keen As A Blade

07.03.2007
“Hot As A Pistol, Keen As A Blade” – passender könnte man das Konzert, das für diese DVD von Elvis Costello und Allen Tousssaint aufggezeichnet wurde, kaum überschreiben. Auf der beinahe zweistündigen DVD, aufgenommen im 5.1 Surround Sound, ist die einzigartige Band zu hören, mit der schon die weltweit überschwänglich gefeierte CD “The River In Reverse” aufgenommen wurde: Elvis Costello und seine Imposters (Steve Nieve, Davey Faragher und Pete Thomas) treffen hier auf Allen Toussaint und sein Bläserensemble Crescent City Horns (Amadee Castenell, Joe Smith, Sam Williams und Brian Cayolle) sowie Gitarrist Anthony Brown. Auf dem Programm standen bei diesem Konzert, das am 3. Juli 2006 beim Jazzfestival in Montréal aufgezeichnet wurde, neben acht Songs des Albums “The River In Reverse” (u.a. das Titelstück sowie “Who’s Gonna Help Brother Get Further?” und “Broken Promise Land”) auch eine Reihe alter Costello-Songs (“Clownstrike”, “Tears Before Bedtime”, “Poisoned Rose”, “(I Don’t Want To Go To) Chelsea”, “Deep Dark Truthful Mirror”, “Bedlam” und “Pump It Up”), für die Allen Toussaint eigens neue Arrangements schrieb. Als Extras gibt es auf der DVD noch eine Aufnahme des Songs “Alison”, eine Studioaufnahme von “Who’s Gonna Help Brother?” (Ein Ausschnitt aus Matthew Buzzells Dokumentarfilm “Putting The River In Reverse”), Interviews mit Costello und Toussaint, eine Fotogalerie und das Tour-Journal von Elvis Costello, das JazzEcho hier in deutscher Übersetzung wiedergibt:  
Wenn ich eine Liste zu erstellen hätte mit den Top-Ten-Städten, in denen ich eines meiner Konzerte filmen lassen würde, dann hätte Montréal es früher nicht einmal unter die Top-Twenty geschafft. San Francisco, Nashville oder New York könnten sich qualifizieren, eventuell sogar Amsterdam oder Berlin. London? Soll das ein Scherz sein? Liverpool? Na ja, vielleicht. Aber Montréal?
 
Um der Wahrheit die Ehre zu geben: in frankophonen Gebieten habe ich eigentlich nie so richtig Erfolg gehabt.
 
Nicht daß jetzt jemand denkt, ich hätte etwas gegen die Québécois [so nennen sich die frankophonen Einwohner der kanadischen Provinz Québec] oder gegen irgendeinen ihrer englischsprachigen Cousins, es ist einfach so, daß ich die schöne Stadt in den letzten dreißig nur fünfmal besucht habe. Deshalb war es eine ziemliche Überraschung für mich, als ich die erneute Einladung zum Montréal Jazz Festival erhielt. Ich dachte mir, daß ich das Publikum vielleicht damit gewinnen könnte, wenn ich mir die Bühne mit einem Mann mit französischem Namen teilen würde. Wie sich herausstellen sollte, hatten wir Glück, daß Kameras zur Hand waren, um dieses Konzert einzufangen.
 
Als wir Montréal erreichten, befanden wir uns bereits auf der Schlußgeraden einer fünfwöchigen Tournee. Begonnen hatte diese in einem Festzelt, das auf einem Parkplatz neben einem Casino in Green Bay/Wisconsin aufgebaut war. Danach hatten wir unter anderem herrliche Auftritte in der Art-Deco-Pracht des Oakland Paramount und in verschiedenen anderen feine Etablissements in Vancouver, St. Paul und Niagara Falls.
 
Bevor stand uns noch das Fegefeuer eines Auftritts vor einem Publikum aus lauter “Scarlett O’Haras” – und damit meine ich jetzt nur die Typen – in Chastain Park/Atlanta. Aber das war der Preis, den man zahlen mußte, um die Tournee mit einer denkwürdigen, ergreifenden Abschlußnacht in Allen Toussaints verwundeter Heimatstadt New Orleans zu beenden.
 
Die Geschichte, wie es dazu kam, daß ich meine musikalische Bekanntschaft mit Allen Toussaint erneuerte, ist längst gut dokumentiert worden, aber ich möchte noch ein paar Zeilen nachtragen.
 
Seit unserem ersten merkwürdigen Treffen 1983 – als Allen eine Version von “Walking On Thin Ice” produzierte, die ich mit den Attractions zu einem Album mit Yoko-Ono-Songs beisteuerte – und seinem eindrucksvollen Beitrag zu “Deep Dark Truthful Mirror” bei unseren New Orleanser “Spike”-Sessions 1988, schätze ich mich sehr glücklich, diesen bemerkenswerten Gentleman, Produzenten, Songwriter, Pianisten und Sänger zu kennen.
 
Es ist meiner Nachlässigkeit und der vieler anderer geschuldet, daß es der katastrophalen Ereignisse vom späten August und frühen September 2005 bedurfte, um A.T. endlich wieder in unseren Fokus zu bringen. Nachdem Allen gezwungen war, vorübergehend nach New York umzusiedeln, stand er dort für eine Reihe von Katrina-Benefiz-Abenden zur Verfügung, und bei einer dieser Shows geschah es, daß wir erstmals gemeinsam die Bühne betraten. Allen ergriff auch schnell eine Anzahl neuer musikalischer Chancen, wobei er, was seine persönlichen Verluste betraf, bemerkenswerten Stoizismus bewies, während er zugleich eine unglaubliche spirituelle Generosität zeigte.
 
Eine dieser Chancen war das Komponieren für und das Aufnehmen von “The River In Reverse”. Nachdem wir übereingekommen waren, eine Reihe von alten Titeln aus dem Toussaint-Katalog neu zu interpretieren, schrieben wir auch ein paar ganz neue Songs, von denen der eine oder andere erst im Verlauf der Konzerte zeigte, was in ihm steckte. Wir nahmen das Album innerhalb von zwei Wochen auf, eine Woche verbrachten wir in einem Studio in Hollywood, eine weitere in New Orleans. Die Einspielungen entstanden nur wenige Wochen nachdem die Stadt wieder für normale Besucher, die nichts mit der Katastrophenbewältigung zu tun hatten, freigegeben war. Die nächtliche Ausgangssperre (ab 2 Uhr in der Früh) war indes noch nicht aufgehoben.
 
Ich hatte von Anfang an die Hoffnung gehabt, die Musik auch auf Konzertbühnen präsentieren zu können, und im Frühsommer 2006 kam die Besetzung, die auf dem Album gespielt hatte – The Imposters (Steve Nieve, Pete Thomas und Davey Faragher), der New Orleanser Gitarrist Anthony Brown und die Crescent City Horns – für zwei Tage in Green Bay zusammen, um für die Tournee zu proben.
 
Da ich wußte, auf welch unglaubliche Art Allen die Songs von The Band für ihr “Rock Of Ages”-Live-Album überarbeitet hatte, bat ich ihn in Erwägung zu ziehen, eine paar Stücke aus meinem Fundus umzuarrangieren. Ich wählte ein paar weniger bekannte und ein paar sehr bekannte Nummern aus, von denen ich dachte, daß ihnen ein neuer Farbanstrich gut tun könnte.
 
Ich hoffte, daß er den einen oder anderen Song überarbeiten würde. Aber zu meiner Überraschung arrangierte Allen alle neun Stücke von der Liste, die ich ihm gegeben hatte, und viele von ihnen befinden sich nun auf dieser DVD. Er erweckte die Zirkusgeschichte von “Clownstrike” wirklich zum Leben, setzte das Chaos und die Anarchie von “Bedlam” perfekt um und verpflanzte die “Poisoned Rose” genau an den Ort, der mir in meinen Träumen vorgeschwebt hatte.
 
Den überwiegenden Teil der Show steuerte Allen vom Flügel aus, während Steve Nieve die Hammond B−3-Orgel bediente – obwohl Steve das Piano in “Episode Of The Blonde” und “Clubland” beinahe ruiniert hätte. Pete Thomas' Schlagzeug und Davey Faraghers Baß harmonierten perfekt mit der beharrlichen Rhythmusgitarre von Anthony Brown. Und dies erlaubte mir, meine elektrische Gitarre ganz nach Belieben einzusetzen.
 
Auf der linken Bühnenseite befanden sich jede Nacht die Crescent City Horns: Amadee Castenell an Tenorsax und Flöte, Joe “Foxx” Smith an der Trompete, Brian “Breeze” Cayolle an Bariton- und Sopransax und Big Sam Williams an der Posaune.
 
Mit seinen Soli bei “Who’s Gonna Help Brother Get Further?” und “Watching The Detectives” stahl Big Sam natürlich allen anderen die Schau, aber tatsächlich hatte die gesamte Bläsergruppe Gelegenheit ins Rampenlicht zu treten und arbeitete unermüdlich, um A.T.s Arrangements und auch die Adaptionen, die Chris Walden von den Arrangements machte, die Sy Johnson, Vince Mendoza und ich ursprünglich für das Metropole Orkest geschrieben hatten, in hellem Licht erstrahlen zu lassen.
 
Jeder Soundcheck wurde zu einer kreativen Probe, und eines Nachmittags in Ann Arbour, erklärten Steve Nieve und ich, auf einen Vorschlag von Pete Thomas hin, der Bläsersektion die Hauptphrase von “Chelsea”. Nachdem sie erst einmal ein paar Veränderungen vorgenommen hatten, kam Allen hinzu und übernahm die Rhythmus- und Oktavunterteilung des Riffs, während Davey vorschlug, die Bläser sollten für den Teil des Refrains seine Baßlinie übernehmen. Man kann sagen, daß jeder von uns seinen Teil zu diesem Arrangement beitrug.
 
Trotz seines charmanten Gesangsstils widerstrebt es Allen als Leadsänger in Erscheinung zu treten. Umso erfreuter war ich, als er zusagte, bei einigen seiner Nummern, die wir nicht für “The River In Reverse” aufgenommen hatten, vors Mikrophon zu treten: etwa bei “A Certain Girl” und “Brickyard Blues”. Und ich erhielt endlich die Chance, den von Toussaint geschriebenem englischen Beat-Gruppen-Klassiker “Fortune Teller” zu singen.
 
Ich würde behaupten, daß ich jede Nacht den besten Platz des Hauses hatte, wenn Allen seinen Piano-Solo-Medley spielte, der sich aus Earl Kings “Big Chief”, Professor Longhairs “Tipitina” und Allens eigenem Song über seinen geliebten “Bach des Rock” zusammensetzte: “Thank You Lord For This Very Special Man (The Olde Professor)”. Wenn man genau hinhört, kann man mich dabei erwischen, wie ich den Komponisten des Stücks beschwatze, er solle auch noch den bewegenden Gesangspart einbauen.
 
Ich meine es ehrlich, wenn ich sage, daß dies die unterhaltsamste Tournee meiner gesamten Karriere war und zugleich auch die am lebhaftesten umgesetzte, an der ich je Anteil hatte. Ob dieses Konzert [das für die DVD aufgezeichnet wurde] das beste der ganzen Tournee war, soll der Hörer entscheiden. Leider schafften wir es nicht, all die Songs, die an anderen Abenden die Highlights waren – etwa “Nearer To You” und “The Greatest Love” – aufzunehmen, und auf der DVD hatten wir auch keinen Platz mehr für “Get Out Of My Life, Woman” oder “That Day Is Done”. Aber ich glaube fest daran, daß wir auf dieses Repertoire noch einmal zurückkommen werden, und vielleicht sind Sie dann, wenn wir dies tun, ja auch selber anwesend.

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