Eleni Karaindrou | News | Karaindrou, Kashkashian, Angelopoulos: "Ulysses' Gaze"

Karaindrou, Kashkashian, Angelopoulos: “Ulysses' Gaze”

01.10.2004
Mit den Bildern des Filmemachers Theo Angelopoulos und der Musik von Eleni Karaindrou ist es wie bei der Henne und dem Ei. Was war zuerst, was ging aus dem einen, was aus dem anderen hervor? Die Einheit der Inspiration ist untrennbar. Und die Filmmusik als Hörereignis hat mit Manfred Eicher einen weiteren schöpferischen Partner. Weit über das übliche Maß hinaus, nämlich neue Maßstäbe setzend gestaltet er den Weg vom sound-track zur CD-Produktion, so dass er bei “Ulysses' Gaze” für “Musical direction”, Musikregie, zeichnet. Für seine Arbeit mit dem Musikmaterial des Angelopoulos-Films “Eternity and a Day” (4651252) rühmte die Komponistin ihn als “Musiker, Dramatiker, Regisseur innerster Bilder, Komponist im ursprünglichen Sinn des Wortes”.
Angelopoulos' Kunst hat ihn ergriffen: dessen Erkunden von Grenzerfahrungen, menschlichen wie geografischen, die filmische Atmosphäre aus Winter, Nebel, Isolation. Denn die Dreierbeziehung ist wechselseitig: Nicht nur ist Eicher ein früher Angelopoulos-Bewunderer, sondern Karaindrou schon weit über 20 Jahre leidenschaftliche ECM-Hörerin. So war an der ersten Produktion “Music for Films” (8476092) Jan Garbarek als herausagender ECM-Künstler beteiligt, jetzt verleiht Kim Kashkashian mit ihrer Bratsche dem “Blick des Odysseus” Stimme.

Es ist unvergleichlich, wie Kim Kashkashian zögernd den Bogen ansetzt, den Ton schwellen, ihn verklingen lässt; wie sie sich über die schwebenden Grundharmonien des Akkordeons oder der Streicher erhebt, sich mit ihnen vereint. Ihr aus dem Inneren fließendes Vibrato, ihr Mitatmen ist den Klangflächen von Eleni Karaindrou wie eingewachsen. Ihr Spiel wie diese Musik überhaupt ist ein Gesang suchender Wehmut, einer wissenden Traurigkeit von magischer Anziehungskraft – die jedoch nicht hinunter zieht, sondern die Hörenden förmlich einsaugt und deren emotionale Antennen empfindsam macht für unvermutete Bilder, Sehnsüchte, Träume, für Mitgefühl. Unsagbar, doch ausgesprochen in der Musik wie im optischen Szenario.

Das Akkordeon gibt Karaindrous Filmmusiken ein unverwechselbares Flair, vor allem mit seinen unterlegten, latent allgegenwärtigen Akkorden, doch auch – wie andere Soloinstrumente – mit einem der immer wiederkehrenden Themen. Große Ruhe prägt das Odysseus-Thema oder die “Litanei” mit Variationen, stetig strömt “The River” dahin; dann, überraschend, ein Motiv von tänzerischer Anmut, der Gesang eines traditionellen byzantinischen Psalms. Inmitten alltäglicher oder befremdlicher Situationen öffnen sich unerschöpfliche Räume. Seelenräume, Erfahrungsräume, Wunschräume. Das gilt immer für die Musik und genauso für Angelopoulos' Filme. Mögen Kinofans üblicherweise die Soundtracks ihrer Favoriten kaufen – bei Eleni Karaindrou könnte es auch umgekehrt laufen: dass die süchtig machende Musik (und die im Booklet gedruckten Stills) Lust auf die darin geborgene Bewegung der Bilder weckt.
  • Hier geht’s zu Übersicht der ECM New Series Veröffentlichungen

Mehr Musik von Eleni Karaindrou