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Edin Karamazov – Die Laute aus dem Labyrinth

04.10.2006
Edin Karamasow, 41, spielt Laute. Besser als jeder andere und vornehmlich mit Andreas Scholl. Jetzt begleitet der Sympath aus Sarajevo, der keine Brüder hat und Dostojewskis berühmten Roman nur vom Hörensagen kennt, Popstar Sting auf dessen Album “Songs from the Labyrinth”. Götz Bühler sprach mit dem Lautenspieler über das Projekt, bei dem Sting und Edin Karamasow elisabethanische Lieder von John Dowland spielen.
 

Ihr Kontakt zu Sting kam durch seinen Gitarristen zustande. Wie haben sie Dominic Miller kennen gelernt?
 
Ursprünglich wollte ich Sting als Sänger auf meinem Soloalbum mit Werken von Benjamin Britten und Bach haben. Entweder ihn oder einen Knabensopran. Aber das war nur eine fixe Idee – und natürlich wurde daraus nichts. Zwei Jahre später stand ich in einem Plattenladen in München und hörte diese wunderschöne Gitarrenmusik – es war Dominic Miller, der Bach spielte. Ich schrieb ihm eine E-mail, in der ich erwähnte, dass ich auch Bach spiele und dass mir seine Aufnahme gefällt. Außerdem schickte ich ihm mein Album und das hat er dann Sting vorgespielt. Wenig später haben mich die beiden zu einem Sting-Konzert in Frankfurt eingeladen und ich habe ihnen anschließend ein bisschen Bach auf der Laute vorgespielt. Sting meinte begeistert: “Lass uns etwas zusammen machen!” Und ich meinte: “Okay. Dowland!”
 
Das muss der Moment gewesen sein, an dem sie ihm sagten, dass “In Darkness Let Me Dwell” der großartigste Song in englischer Sprache ist.
 
Absolut. Und ich bin noch heute überzeugt davon. Wir haben ihn ja mittlerweile auch aufgenommen und auch Sting liebt den Song jetzt.
 
Die Musik auf “Songs from the Labyrinth” wirkt ja nicht besonders altertümlich. Einige Texte, etwa bei “Can’t She Excuse My Wrongs”, und die dort besungenen Probleme wirken sogar sehr aktuell. Aber das liegt vielleicht auch an dem zeitgenössischen Interpreten…
 
Heute ist es vornehmlich wichtig, wer singt. An zweiter Stelle steht die Melodie. Der Text ist vielleicht das unwichtigste. Das war vor vierhundert Jahren genau umgekehrt: Die Geschichte stand im Vordergrund, dann kam die Melodie. Wer das Ganze dann gesungen hat, war eher unwichtig. In unserem Fall haben wir es mit einem Sänger zu tun, der nicht nur die Geschichte versteht, sie sogar verinnerlicht, sondern auch die Melodien lebt – und der natürlich so populär ist, dass das Album eine gute Chance hat, weit über die Kreise hinaus, die sich gewöhnlich für “Alte Musik” interessieren, Gehör zu finden. Sting versteht wirklich, was er da singt.   
 
Wie haben sie selbst die Laute und Dowlands Musik entdeckt?
 
Ich spiele erst seit 1992 Laute. Aber schon als Kind habe ich klassische Gitarre studiert. Dabei fällt natürlich schon mal der Name John Dowland. Dann traf ich Andreas Scholl in Basel und begann mit ihm einige der Dowland-Songs zu erarbeiten. Das werde ich nie vergessen, es war wunderbar – für uns beide. Ja, und jetzt spiele ich Dowlands Songs mit Sting…
 
Haben sie als Junge auch mal Songs von The Police gespielt?
 
Nein. Aber ich kannte die Musik, als ich Sting zum ersten Mal Anfang der Neunziger traf. Ich spielte damals mit zwei Freunden als “Trio Karamazov” im Zirkus Roncalli. Ursprünglich spielten wir auf der Straße in Köln, weil uns diese klassische Welt des Studierens und der Wettbewerbe genervt hat. Ich glaube, dass unser erster großer Auftritt in der Sendung von Alfred Biolek war. Dadurch bekamen wir ein Management, das uns bald auch mit Bernhard Paul von Roncalli bekannt machte – mit dem wir dann Deutschland, Spanien und die Schweiz bereisten. Fünf Jahre lang – eine fantastische Erfahrung! Und irgendwann kamen Sting und seine Frau in den Zirkus. Er lud uns sogar ein, auf einer Geburtstagsfeier zu spielen…
 
…aber sie lehnten ab.
 
Ich dachte mir: “Mann, ich spiele Bach! Aber doch nicht für irgend so einen Rockstar! Ich bleibe lieber hier und übe Bach! Für wen hält der sich?” (lacht) Das war ein großer Fehler, denke ich. In der Zwischenzeit habe ich natürlich einige von Stings Songs gehört und mir ist klar geworden, dass es egal ist, ob man Bach oder Sting oder sonst was spielt. Gute Musik ist gute Musik – wenn sie ehrlich ist, ist sie gut. Was soll ich sagen? Dieses Album ist einfach passiert. Und es war eine echte Herzensangelegenheit. Schließlich haben wir fast ein Jahr lang an der Musik von Dowland gearbeitet. Ursprünglich wollten wir nur Musik machen – es war ja gar nicht als Album geplant.
 
Sie haben die Musik ein Jahr lang gemeinsam erarbeitet?
 
Das stimmt. Am Anfang war Sting nicht besonders mit der Musik vertraut. Aber er hat diesen Instinkt – und er ist ein sehr guter Musiker. Zu Beginn suchte ich also die Songs aus und zeigte ihm, wie er phrasieren soll – aber sobald er sie Musik verstanden hatte, konnte er mir einige sehr wichtige Dinge beibringen. Im Endeffekt haben wir beide viel voneinander gelernt.
 
Sie spielen ja auch ein Lauten-Duett auf dem Album. Wir macht sich Sting auf der Laute?
 
Gut. Er ist einer der wenigen Menschen, die ich kenne, der jeden dieser Songs auf der Laute spielen kann. Auswendig! Er ist sicher kein Virtuose, aber er kennt die Harmonien und Akkorde und das ist absolut faszinierend. Die Laute kann ein sehr modernes Instrument sein – sie muss nicht dieses ehrfürchtig angestarrte Ding an der Museumswand sein, für das man tausende von Büchern gelesen haben muss und einem Lauten-Kult angehören muss, um es zu spielen. Es ist sicher schwerer, Laute zu spielen, als Gitarre. Ich denke, dass ich in gewissem Sinne Meister der Gitarre bin. Aber die Laute ist immer noch mein Meister. Sie ist ein Stück Holz und ich bin ein Stück Fleisch. Dieser Moment des Erschaffens, wenn die Musik durch die Zusammenarbeit von Mensch und Holz entsteht, ist faszinierend. Das ist mein Ziel: So sauber und ehrlich zu spielen, dass die Musik des Komponisten wie frisch erschaffen klingt.    
 
Sie selbst geben ja auch Solokonzerte auf der Laute. Sind sie bald wieder in Deutschland zu hören?
 
Im Moment spiele ich wieder viel elektrische Gitarre. Und zwar Bach-Concerti und Kammermusik von Mozart. Es ist etwas Neues für mich, aber es ist toll. Mal sehen, was da noch kommt – ich bin sogar schon mit einigen Orchestern im Gespräch. Und dann spielen Sting und ich natürlich ein paar Mal zusammen. Live ist das natürlich wieder etwas ganz anderes. Wir spielen auch zwei Sting-Songs als instrumentale Lauten-Duette: “Fields of Gold” und “Message in a bottle”. Die Songs sind großartig. Und sie passen gut zu Dowland, dessen Musik schließlich auch eine Art Pop war.
 
Ich hatte überlegt, sie nach Sting-Songs zu fragen, die Frage dann aber doch zurückgestellt. Dann kann ich sie jetzt wohl auch nach den “Brüdern Karamasov” fragen. Waren das ihre Brüder, damals, in ihrem “Trio Karamasov”?
 
Nein, wir haben uns einfach nur nach meinem sehr besonderen Nachnamen benannt.
 
Aber sie haben Dostojewski gelesen?
 
Nein, leider nicht. Ich habe die “Brüder Karamasov” mal angefangen, aber für mich sind diese drei Bände mindestens so beängstigend wie für viele andere die Laute.
 
 

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