ECM Sounds | News | Zum 70. Geburtstag von Jan Garbarek - der Katalysator der norwegischen Jazzszene

Zum 70. Geburtstag von Jan Garbarek – der Katalysator der norwegischen Jazzszene

Jan Garbarek
© ECM Records
02.03.2017
Die Zeitrechnung im norwegischen Jazz kann man getrost in zwei Abschnitte unterteilen: die Jahre, bevor Jan Garbarek die Szene betrat, und die Zeit danach. Denn mit der Veröffentlichung von “Afric Pepperbird”, Garbareks erstem Album für das junge deutsche Label ECM Records, gab der norwegische Jazz 1970 sein internationales Randdasein auf. “Nach der Aufnahme wussten wir, dass wir etwas Besonderes erschaffen hatten”, erinnerte sich Produzent Manfred Eicher später. Das Album war nicht nur der Auftakt für eine seltene exklusive Partnerschaft zwischen Künstler und Label, die bis heute andauert. Es ebnete auch anderen norwegischen Musikern wie Terje Rypdal und Arild Andersen den Weg zu ECM Records und einer internationalen Karriere. Anläßlich von Jan Garbareks 70. Geburtstag werden nun viele der  Alben, die der Saxophonist in nahezu fünfzig Jahren bei ECM herausgebracht hat, besonders preiswert angeboten.
Jan Garbarek wurde am 4. März 1947 im norwegischen Mysen geboren und zog mit seiner Familie später nach Oslo. Nachdem er im Radio Aufnahmen von John Coltrane gehört hatte, begann er mit vierzehn Jahren autodidaktisch Saxophon zu spielen. Auch Dexter Gordon, der damals häufiger Norwegen besuchte, hinterließ bei dem jungen Garbarek einen tiefgehenden Eindruck. 1962 gewann Garbarek einen Amateurwettbewerb und gründete seine erste eigene Band. Nach Abschluss der Schule studierte er in Oslo Philosophie und trat u.a. mit der Sängerin Karin Krog und dem Schlagzeuger Jon Christensen auf. Eine Begegnung mit dem Komponisten und Bandleader George Russell beim Molde Jazz Festival 1965 führte dazu, dass er nicht nur bei ihm Unterricht bekam, sondern in den folgenden Jahren auch bei verschiedenen seiner Projekte – wie “Othello Ballet Suite” (1967) und “Electronic Sonata” (1969) – als Solist in Erscheinung trat. Russsell beschrieb Garbarek später als “eine der orginellsten Stimmen im europäischen Jazz seit Django Reinhardt”.
Sein erstes Album unter eigenem Namen, “Til Vigdis” (“Für Vigdis”, gewidmet seiner damaligen Freundin und heutigen Ehefrau) nahm Garbarek 1967 live mit u.a. Jon Christensen und dem Bassisten Arild Andersen sowie dem kalifornischen Posaunisten Frank Phipps auf. Die kraftvolle und raue Phrasierung, mit der er aufwartete, war damals deutlich an die von US-amerikanischen Avantgardisten wie Coltrane, Archie Shepp, Albert Ayler und Pharoah Sanders angelehnt. Von dem heute typischen lyrischen, leicht nasalen Garbarek-Sound war er da noch weit entfernt.
1969 wurde Manfred Eicher auf das norwegische Talent aufmerksam und holte den Saxophonisten zu seinem kurz zuvor aus der Taufe gehobenen Label. Bei ECM Records brachte Garbarek in den kommenden Jahrzehnten etliche Alben heraus, die heute als Meilensteine der Jazzgeschichte gelten: In den 70ern zum Beispiel “Witchi-Tai-To” sowie – als Partner von Keith Jarrett – “Belonging” und “My Song”, im Trio mit Charlie Haden und Egberto Gismonti “Folk Songs” und “Magico”, in den 90ern dann “Star”, “I Took Up the Runes”, “Twelve Moons”, “Ragas And Sagas”, “Visible World” und natürlich “Officium”, einen der größten musikalischen Crossover-Erfolge aller Zeiten, den der Saxophonist gemeinsam mit dem klassischen Hilliard Ensemble einspielte. Mit der atemberaubenden Doppel-CD “Dresden – In Concert”, Garbareks erstem eigenen Live-Album für ECM, glückte ihm 2009 erneut ein überraschender Geniestreich. Unter den Titeln “Sleeper” und “Magico: Carta de Amor” erschienen 2012 außerdem zwei Doppel-CDs mit bis dahin unveröffentlichten, historischen Live-Mitschnitten. Die eine Doppel-CD enthielt Aufnahmen von einem Konzert, das er 1979 mit Keith Jarretts europäischem Quartett in Tokio gegeben hatte, die andere Aufnahmen von einem 1981 erfolgten Auftritt in München mit Egberto Gismonti und Charlie Haden.
Als Jan Garbarek im letzten November mit seinem aktuellen Quartett ein ausverkauftes Konzert in der Royal Albert Hall in London gab, schrieb Sarah Chaplin in den London Jazz New: “Jetzt, nach über vierzig Karrierejahren, ist Garbarek der Perfektion so nah, wie es menschlich möglich ist, und erweist sich als Meister der Stille und des Klanges, als Meister eindrucksvoller rhythmischer Figuren ebenso sehr wie schmerzlich schöner Phrasen.”

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