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Jahresrückblick 2022 – ECM New Series (I)

ECM New Series
© ECM
20.12.2022
2022 war ein reiches Jahr für die New Series von ECM. Das Münchener Label präsentierte neben herausragenden Interpreten seiner Künstlerfamilie, wie Carolin Widmann oder Gidon Kremer, eine Fülle von Neuveröffentlichungen seiner Komponisten. So traten Valentin Silvestrov, Heinz Holliger und Heiner Goebbels mit neuen Arbeiten in Erscheinung, und mit dem Album “Theory of Becoming” von Evgueni Galperine verzeichnete das Label auch ein wichtiges Komponistendebüt. 
“Die Welt, ja Welten von Meredith Monk allein durch Tonaufnahmen zu erschließen, mag illusorisch erscheinen,” meinte Pierre Gervasoni in seinem Artikel in Le Monde, führte aber unmittelbar fort, “mit diesem 13-CD-Panorama ist die Herausforderung jedoch mit Bravour gemeistert worden. Von Dolmen Music (1981) bis On Behalf of Nature (2016): Meredith Monks Zusammenarbeit mit Manfred Eicher (…) wird hier durch ein 300-seitiges Booklet bereichert, das als wunderbarer Leitfaden in Wort und Bild dient.” Die Gesamtedition von Meredith Monk wurde der großen US-amerikanischen Sängerin, Tänzerin, Filmemacherin und Komponistin im Herbst vom Label zu ihrem 80. Geburtstag gewidmet. Ihre Kunst habe “kein Ablaufdatum”, bemerkte der Musikjournalist Samir Köck in der österreichischen Tageszeitung Die Presse. “Die Schönheit von Alben wie ‚Piano Songs‘ und ‚Facing North‘” entziehe sich “jener Macht, die den Kommerz auf allen Kanälen forciert und die Formen des Ästhetischen zu nivellieren versucht”.   
Historisches Momentum: Heiner Goebbels und Valentin Silvestrov 
Als Mann der Zwischentöne, der sich der gesellschaftlichen Nivellierung des Ästhetischen auf seine Weise entgegenstemmt, kann der deutsche Musiker, Komponist und Regisseur Heiner Goebbels gelten. Er feierte in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag und veröffentlichte mit “A House of Call. My Imaginary Notebook” eine Collage aus Stimmen und Klängen, die mancherorts bereits als Opus magnum des Komponisten eingestuft wurde. 
Der Guardian sprach von einem “faszinierenden Werk, herausragend interpretiert”. Die Zeitschrift MusikTexte betonte den “politisch-kulturellen Stellenwert der Originalaufnahmen: polemisch die Verarbeitung von ethnographischen Aufnahmen aus Deutsch-Südwestafrika, berührend der armenische Gesang mit einer Melodie von Komitas”. Heiner Goebbels hat zahlreiche Archivaufnahmen in das Werk eingeflochten, aus verschiedenen Teilen der Welt, von Reisen, Recherchen und zufälligen Begegnungen zusammengesammelt. In Frankreich wurde das Album mit einem “Choc” im Magazin Classica ausgezeichnet und von der Académie Charles Cros als eines der wichtigsten zeitgenössischen Alben des Jahres geehrt.
Ein anderes Zeichen politischer Art setzte der ukrainische Komponist Valentin Silvestrov. Er gemahnte mit seinem Chorwerk “Maidan 2014” an die Zerbrechlichkeit unserer Zivilisation. Die Veröffentlichung der Aufnahme mit dem Kyiv Chamber Choir geriet im Kriegsjahr 2022 zu einem musikalischen Zeugnis von dramatischen Ausmaßen. Das Magazin Rondo zeigte sich von der Intensität des Lacrimosa beeindruckt und sah eine “Vision von Frieden und Freiheit” in “Triptych” (2015), einer ebenfalls auf dem Album erklingenden Vokalkomposition von Silvestrov.          
Poetische Gefilde: Heinz Holliger und Paul Giger
Poetische Gefilde betraten 2022 die beiden Schweizer Komponisten Heinz Holliger und Paul Giger. Holliger widmete sich in seiner Oper “Lunea” späten Textfragmenten des romantischen Dichters Nikolaus Lenau. Die Neue Zeitschrift für Musik befasste sich mit Holligers Oper “Lunea” und entdeckte in ihr eine “bereicherte Palette an Farben und Spielweisen”. Der um Gegenstände wie Waschbrett, Laub oder Backpapier erweiterte “Perkussionsapparat” ließe “zuweilen fast elektronisch wirkende Klänge entstehen”. Das britische Musikmagazin Gramophone stellte die sängerische Leistung des Baritons Christian Gerhaher heraus, der einen beeindruckenden Lenau darstelle, mit einer “emotionalen Bandbreite”, die von Ratlosigkeit bis zu “schockierter Stille” reiche, während Max Nyffeler in der FAZ die editorische Arbeit pries und meinte, “die sorgfältige redaktionelle Aufbereitung durch das Label ECM lässt dabei keine Wünsche offen.” 
Giger war auf dem Violino d’amore und auf der Geige mit Werken Bachs, mit eigenen Kompositionen und mit schweizerischem Musikerbe zu erleben. Ausgehend von der Atmosphäre des Guggisbergliedes, hätten sich dabei “Tableaux von abendländischen bis zu südindischen Klangdimensionen” geöffnet, unterstrich die Neue Musikzeitung das breite Spektrum in Gigers Programm. Paul Giger ist ein weitgereister Musiker, der in seinen Werken Einflüsse vieler verschiedener Kulturen verarbeitet hat. 

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