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Jahresrückblick 2021 – ECM New Series

ECM New Series
© ECM
09.12.2021
Dass Tradition und Moderne sich wechselseitig bedingen und einander sowohl spannungsgeladen als auch ergänzend begegnen können, ist ein Topos, der im Programm von ECM New Series seit jeher mitschwingt. Dieser Aspekt trat in den 2021 erschienenen Veröffentlichungen des Labels in besonderer Deutlichkeit hervor. Alben wie “Prism III” des Danish String Quartet, “6 moments musicaux” von György Kurtág mit dem Parker Quartet und Kim Kashkashian oder “Hosokawa / Mozart” von Momo Kodama schlugen weite geschichtliche Bogen, die sich von Bach über Mozart, Beethoven und Dvořák bis hinein in die Gegenwart erstreckten. 

Weite Bogen: Danish String Quartet, Momo Kodama, Parker Quartet

Im dritten Teil von Prism, dem ambitionierten Aufnahmeprojekt des Danish String Quartet, höre man “Bachs harmonische und melodische Wagnisse mit Zukunftsohren”, urteilte die Stuttgarter Zeitung, die die vielfältigen Verbindungen “zwischen Tradition (hier einer Bearbeitung der cis-Moll-Fuge aus dem ersten Band von Bachs ‘Wohltemperiertem Klavier’) und Moderne (hier: Béla Bartóks erstem Streichquartett)” in dem Album hervorhob.
Das BBC Music Magazine ging auf das neue Album des Parker Quartet ein, das bei seinem New Series-Debüt die stark verdichtete Klangsprache von György Kurtág mit einem leichtgängigen Streichquintett von Antonín Dvořák konfrontiert hatte. Kurtágs “Moments musicaux” (2005) untermauerten die “erstaunliche Fähigkeit” des ungarischen Komponisten, “eine unmittelbare Stimmung zu erzeugen”, so das Magazin, das den emotionalen Reichtum von Kurtágs aphoristischer Klangpoesie herausstrich und in dessen früherem Streichquartett “Officium breve” (1988/89) tonale Spuren entdeckte. Das Parker Quartet, das in Dvořáks Streichquintett von der US-amerikanischen Bratschistin Kim Kashkashian verstärkt wird, überzeuge durch “dezente Virtuosität” und eine “enorme klangliche und dynamische Bandbreite”.
Die in Paris erscheinende Musikzeitschrift Diapason widmete sich dem Album von Momo Kodama. Die japanische Pianistin hatte im Frühjahr 2021 gemeinsam mit Seiji Ozawa und dem Mito Chamber Orchestra eine Live-Aufnahme veröffentlicht, auf der sie mit Mozarts Klavierkonzert Nr. 23 in A-Dur und Toshio Hosokawas Concerto “Lotus under the Moonlight” zu erleben war. Diapason beurteilte das Werk des japanischen Avantgarde-Komponisten als “hypnotisch” und stellte Ozawas Feingespür für die mozartesken Facetten Hosokawas heraus. 

Hohe Klavierkunst: András Schiff, Fred Thomas

Als pianistische Highlights im New Series-Programm von 2021 wurden die Alben von András Schiff und Fred Thomas wahrgenommen. Schiff hatte unter Verwendung eines restaurierten Blüthner-Flügels von 1859 die beiden Klavierkonzerte von Johannes Brahms neu eingespielt. Fred Thomas präsentierte bei seinem New Series-Debüt eigene Bach-Transkriptionen für Trio und Klavier solo. Die Trios hatte er gemeinsam mit der kasachischen Geigerin Aisha Orazbayeva und der britischen Cellistin Lucy Railton aufgenommen. 
Schiffs schlanke Darbietung der beiden Klavierkonzerte von Johannes Brahms erfuhr in der kritischen Öffentlichkeit viel Zuspruch. Das britische Musikmagazin Gramophone kürte die gemeinsam mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment realisierte Aufnahme zum “Album des Monats” und zeigte sich von der “Noblesse” und “Eleganz” der Interpretation begeistert. Nach dieser Aufnahme werde es schwer werden, so die Autorin Michelle Assay, die beiden Brahms-Konzerte ohne einen “gewissen Kulturschock” mit modernen Instrumenten zu hören.
Der MDR befasste sich mit den Bach-Transkriptionen von Fred Thomas. Sie überträfen “das Übliche doch um Dimensionen”, so der Sender, der dem Londoner Pianist das Verdienst zuschrieb, “neue Perspektiven auf die Kernidee” der von ihm transkribierten Bach-Kompositionen eröffnet zu haben. Radio Télévision Belge Francophone attestierte den Arrangements, die “Essenz von Bachs Musik” vergrößert zu haben, und France Musique lobte die Sorgfalt, die Fred Thomas bei den Bearbeitungen an den Tag gelegt habe.    

Virtuose Gitarrenmusik: Ferenc Snétberger und das Keller Quartett

Ein aufsehenerregendes Live-Album veröffentlichte 2021 der ungarische Gitarrenvirtuose Ferenc Snétberger mit dem Keller Quartett. Auf dem Programm standen Werke von John Dowland, Samuel Barber, Dmitri Schostakowitsch sowie eigene Arbeiten des Gitarristen, darunter das Concerto “In Memory of My People” (1994/95), das der einer ungarischen Roma-Familie entstammende Solist aus Anlass des 50. Jahrestages der Beendigung des Holocausts komponiert hatte und dem Volk der Sinti und Roma widmete. 
Das BBC Music Magazine zeigte sich von der Intimität des Gitarrenspiels beeindruckt, welches “den Hörer von Beginn an” in den Bann ziehe. Das Magazin Stereoplay beschwor die Einheit von Virtuosität und Leidenschaftlichkeit bei Ferenc Snétberger: “Feingliedrig gespielt, trotzdem mit inwendigem Feuer.” Die Zeitung Le Monde wies auf das Wechselspiel zwischen der “Leichtigkeit der Gitarre” und der “Schwere des Streichquartetts” als Charakteristikum des Albums hin. 

Poetischer Feinschliff: Konstantia Gourzi, Camerata Zürich

Reflexionen über Klang, Poesie und Hör-Kultur lösten die Alben der griechischen Komponistin Konstantia Gourzi und des Schweizer Kammerensembles Camerata Zürich aus. Gourzi, bekannt für ihre nachdenkliche Klangpoesie, in der östliche und westliche Traditionsbestände miteinander verschmelzen, präsentierte auf ihrem Album von 2021 Kammer- und Orchestermusik des vergangenen Jahrzehnts. Die Camerata Zürich trat mit einer Streicher-Bearbeitung von Leoš Janáčeks Klavierzyklus “Auf verwachsenem Pfade” hervor. 
Die Süddeutsche Zeitung reagierte auf das Album der Camerata Zürich. “Die düsteren Klangfiguren und scharfkantigen Kontraste auf Janáčeks bedrohlichen und schönen Pfaden des Lebens” besäßen in der Streicher-Fassung “mehr klangliche Plastizität und Transparenz als am Klavier”. 
Fono Forum widmete sich dem Album von Konstantia Gourzi. “Geschmeidiges Violamelos, tiefsinnig repetierende Pianogründe – in der Textur einfach wirkende Musik”, so die Zeitschrift über Gourzis “Hommage à Mozart”, die nicht so leicht “unter einen Spannungsbogen zu bringen” sei, “wie es bei Nils Mönkemeyer (Bratsche) und William Youn (Klavier)” den Anschein habe. “Willkommen im Wunderland ECM, das die Ohren wie kein anderes Label auf das Hören selber, das Entstehen und Vergehen von Klängen, Tönen, Tonfetzen gelenkt hat.”

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