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Erinnerungen und Visionen – Heinz Holliger, Tõnu Kaljuste und John Holloway mit neuen Alben in der New Series

Veljo Tormis
Tönu Tormis
07.09.2023
Das Münchener Label ECM New Series wartet in diesem Spätsommer mit drei bekannten Größen seiner Künstlerfamilie auf. Der Schweizer Komponist und Oboist Heinz Holliger ist auf seinem neuen Album „Éventail“ mit französischer Oboenmusik des 20. Jahrhunderts zu erleben. John Holloway, an der Geige und als Dirigent einer der gegenwärtig innovativsten Exponenten der historischen Aufführungspraxis, interpretiert mit seinem Ensemble Fantasien von Henry Purcell, und Tõnu Kaljuste, dem ECM-Publikum vor allem als versierter Pärt-Interpret bekannt, widmet sich mit dem Estnischen Philharmonischen Kammerchor und dem Tallinner Kammerorchester der aus den folkloristischen Tiefen Estlands schöpfenden Kompositionskunst von Veljo Tormis
Fantasien
Ein Wunderwerk kontrapunktisch vollendeter Klangpoesie hat John Holloway auf seinem neuen Album geborgen. Gemeinsam mit seinem Ensemble, den beiden Bratschistinnen Monika Baer und Renate Steinmann sowie dem Cellisten Martin Zeller, interpretiert der britische Geiger die 12 drei- und vierstimmigen „Fantazias“ (Z. 723–743) von Henry Purcell, die der Komponist 1680 schuf. Purcell wandle, so Holloway im Booklet des Albums, auf dem „schmalen Grat zwischen Freude und Trauer“, dem der „Melancholie“. Holloways Ensemble, das die komplexen Harmonien Purcells glasklar herausarbeitet, verleiht dieser Melancholie tänzerisch Schwung.  
Lieder ohne Worte
Heinz Holliger versammelt auf seinem neuen Album Werke für Oboe und Klavier von Ravel, Debussy, Milhaud, Saint-Saëns, Casadesus, Koechlin, Jolivet und Messiaen. Dabei lässt sich der Oboist von dem österreichischen Pianisten Anton Kernjak begleiten. Holliger verfolgt in seinem neuesten Projekt das Ziel, „den farbenreichen Fächer der französischen Musik ein Stück weit zu öffnen“. Bei der Auswahl des Repertoires ließ er sich von der gesanglichen Dimension der Oboe leiten. 
Die Stimmung auf dem Album ist von sanfter melodischer Anmut. Holliger, der mit vielen der von ihm interpretierten Komponisten noch persönlich bekannt war, kultiviert einen ebenso klaren wie intimen Ton, der sowohl den lyrischen Facettenreichtum als auch die visionären Klangfarben der französischen Musik des 20. Jahrhunderts deutlich zum Vorschein bringt.
Erinnerungen
In der Musik von Veljo Tormis erlebt man eine spirituell grundierte Moderne, die in der folkloristischen Tradition Estlands verwurzelt ist. „Als estnischer Komponist halte ich es für selbstverständlich, dass meine Arbeit hauptsächlich auf den Motiven der estnischen Folklore gründet“, so Tormis, der zu Lebzeiten eng mit dem Orchester- und Chordirigenten Tõnu Kaljuste zusammenarbeitete. Kaljuste präsentiert auf seinem aktuellen Album vokale Kompositionen und Orchestermusik von Veljo Tormis.
In den die Jahreszeiten reflektierenden Orchesterzyklen tun sich im Wechsel mit unheimlichen und spannungsvollen Passagen großflächige Klanglandschaften auf. Die Vokalmusik reicht dagegen, vor allem wenn der Chor zu hören ist, in spirituelle Tiefen hinab. Zu den berührendsten Momenten des Albums zählt der klagende Ton, den die Mezzosopranistin Iris Oja in den 1979 entstandenen „Melancholischen Liedern“ („Kurvameelsed laulud“) von Veljo Tormis anstimmt.

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