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ECM-Solodebüt – “Somnambiente” Miniaturen von Glauco Venier

Glauco Venier
© Caterina di Perri/ECM Records
10.06.2016
Für den aus dem Friaul stammenden Pianisten Glauco Venier ist “Miniatures” – sein erstes Soloalbum für ECM – eine Art Journal oder Tagebuch, in dem er atmosphärisch über Kindheitserinnerungen und frühe musikalische Erfahrungen reflektiert. Dabei entwickelt die Musik einen eigenen leisen Zauber. “Ich wuchs in einem sehr kleinen Dorf in Norditalien auf, in dem ich noch heute lebe”, verrät Glauco Venier. “Das Adriatische Meer ist ganz in der Nähe, auch Flüsse, Seen, kleinere Berge. Es gibt eine Menge Stille.” Was es in Gradisca di Sedegliano nicht gab, waren die ansonsten in Italien weitverbreiteten Blaskapellen. “Mein Annäherung an die Musik erfolgte über die Orgel in unserer lokalen Kirche. Ich verliebte mich in diesen Klang und die Komponisten von Orgelmusik… ich habe gute Erinnerungen daran, wie ich in dunklen, kalten Wintern auf der Orgel in der Kirche spielte.” Später studierte er das Instrument am Konservatorium in Udine, tauchte ein in die Welt der italienischen Renaissance- und Barockkomponisten, um sich dann in der Geschichte der Orgelmusik voranzuarbeiten. Seine Studien schloss er mit den Werken von Olivier Messiaen ab. Bevor der Jazz in seinem Leben in den Fokus rückte, gab es, wie er betont, die Kirchenmusik. “Und ich denke, dass man dies in dieser Aufnahme hören kann, selbst wenn ich moderne Akkorde spiele oder improvisiere. In meiner Vorgehensweise und in meinem Empfinden gibt es einen Einfluss von älterer Musik.”
Tatsächlich verflicht er auf dem bescheiden “Miniatures” betitelten Album verschiedene Einflusstränge. Die achtzehn Stücke sind Episoden einer sich entfaltenden Erzählung. Obwohl man ihn überwiegend solo am Klavier hört, scheint die Aufnahme außerhalb der Solo-Klavier-Tradition von ECM zu stehen. “Ich war mir der großen Klavieraufnahmen, die für dieses Label eingespielt wurden, sehr bewusst”, sagt Glauco, “und ich wollte selbstverständlich etwas anderes ausprobieren.” Venier ist ein Freund des aus Udine kommenden Malers und Bildhauers Giorgio Celiberti. Vor einigen Jahren bat man den Pianisten, etwas zu einem Dokumentarfilm über den Künstler beizusteuern. “Giorgio sagte: ‘Lass uns einfach ein Klavier in mein Atelier stellen, und du kannst direkt auf meine Kunstwerke reagieren.’ So haben wir es dann gemacht. Er hatte auch einige selbstgefertigte, gestimmte Metallkreuze, die an Schnüren hingen…” Auf ihnen erzeugte Glauco glockenähnliche Klänge. "Manfred Eicher sah diesen Teil des Films ungefähr in der Zeit, als wir ‘Stories Yet To Tell’ mit Norma Winstone abmischten und sagte: ‘Das ist eine nette Idee. Könntest du noch ein paar andere Dinge finden, um dies zu entwickeln?’ Venier wandte sich an  Harry Bertoia, einen weiteren Künstler, der aus der Region stammte und der sich – Jahrzehnte bevor Ambient-Musik in Mode kam – darauf spezialisiert hatte, “somnambiente” Klangskulpturen zu erschaffen. Ein paar von ihnen kann man nun auf “Miniatures” hören. “Ich dachte mir, dass sie der frei gespielten Musik ein eindrucksvolles Element beimischen könnten.”
Viele der “Miniaturen” sind improvisiert. Aber Glauco griff auch auf Material zurück, das teilweise aus ganz anderen musikalischen Umgebungen stammt. “Gunam” ist beispielsweise ein Lied der Sängerin und Songschreiberin Alessandra Franco, das Glauco vor ein paar Jahren mit ihr für ein gleichnamiges Album eingespielt hatte. Dann gibt es da auch noch Stücke von  Komitas und Gurdjieff, die Glauco ursprünglich für das Trio mit Norma Winstone und Klaus Gesing arrangiert hatte, dessen ECM-Album “Distances” 2009 für einen Grammy nominiert war. 

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