Vier Jahre nach seinem letzten Album “Cantando”, das von Stereoplay und Audio zur Jazz-CD des Monats gekürt wurde, meldet sich das Bobo Stenson Trio mit einer neuen Einspielung zurück. Auf “Indicum” spannt es den stilistischen Bogen wieder ungemein weit. Diesmal interpretieren Bobo Stenson, Anders Jormin und Jon Fält Stücke von Bill Evans und George Russell, dem dänischen Komponisten Carl Nielsen, eine norwegischen Hymne (die Jormin mit der Folksängerin Sinikka Langeland arrangierte), ein zeitgenössisches Werk des norwegischen Pianisten Ola Gjeilo, einen volkmusikalischen Klassiker des Argentiniers Ariel Ramírez und ein Protestlied von Wolf Biermann. Und natürlich gibt es auch ein paar freie Kollektivimprovisation wie im Titelstück. Diese Repertoire-Bandbreite ist längst so etwas wie ein Markenzeichen von Bobo Stensons Alben. Erstaunlich ist aber nicht nur der Eklektizismus dieses Ensembles, sondern wie der schwedische Pianist mit seinen Partnern die verschiedenen Einflüsse unter einen Hut bringt und sie zu einer organischen Musik formt, die eine ganz eigene Stimme besitzt.
Filigran und nuancenreich
“Das Bobo Stenson Trio umspielt so filigran und nuancenreich den freien melodischen Ideenstrom seines Pianisten, als gälte es, die Modulationen der Lichtverhältnisse einer Herbstlandschaft in Klang-Holografien zu konservieren”, meinte Alessandro Topa 2008 in der Frankfurter Allgemeine Zeitung, als er den Vorgänger “Cantando” rezensierte. “Beeindruckend auch, wie der junge Drummer Jon Fält und der große Bassist Anders Jormin, der oft fast zum Cellisten wird, wenn er zum Bogen greift, das Klangspektrum ihrer Instrumente nutzen, um mit den Ziel größtmöglicher Plastizität Töne ein- und ausatmen zu lassen, die eine Art schimmernden Klangrand um sich ausbilden. In der Fähigkeit, auch und gerade im Zusammenspiel einen solchen auratischen Raum zu erzeugen, besteht die hohe Kunst des Bobo Stenson Trios.”
Drei Musiker, die eine perfekte Balance gefunden haben
Bobo Stenson, der bereits zu den allerersten ECM-Künstlern gehörte, gilt seit langem als einer der einflussreichsten skandinavischen Jazzmusiker. Die Aufnahmen, die er in den 1970er Jahren zusammen mit Jan Garbarek machte, wurden kürzlich in der Box “Dansere” wiederveröffentlicht. Später spielte der Pianist auf wichtigen ECM-Alben von Don Cherry, Charles Lloyd und Tomasz Stanko mit. Sein erstes Trio-Album als Leader für ECM, “Underwear”, nahm Stenson 1971 mit Arild Andersen und Jon Christensen auf. Seit 1993 ist Anders Jormin der Bassist des Trios. Schlagzeuger Jon Fält stieß erst 2004 zum Ensemble, nachdem Paul Motian für Jon Christensen schon bei der Einspielung des Albums “Goodbye” eingesprungen war. In den acht Jahren, die sie nun schon zusammenspielen, haben die drei Musiker eine perfekte Balance gefunden. Stensons klar konturiertes, lyrisches Klavier ergänzt sich hervorragend mit Jormins ebenso erdigem wie experimentierfreudigem Bass und Fälts nuanciertem Schlagzeugspiel.
“Erfahrung, Sensibilität, Risikofreude und lyrische Kraft finden aufs Schönste zusammen,” schrieb die Neue Zürcher Zeitung einmal über das Bobo Stenson Trio . “Dazu kommt ein breit gefächertes, aber nie beliebig wirkendes Repertoire, in dem man nicht nur auf Eigenkompositionen und Jazz-Nummern stößt…” Auf dem neuen Album “Indicum” findet man all dies und dazu ein Ensemble, das mittlerweile noch sehr viel mehr zu einer Einheit zusammengewachsen ist. Ab Mitte November kann man das Bobo Stenson Trio mit seinem neuen aufregenden Programm bei Konzerten in Deutschland live erleben: Am 15. November spielt das Trio im Tübinger Sudhaus, am 16. November in der Aula der Universität Saarbrücken, am 18. November im Esslinger Kulturzentrum, am 20. November in der Münchner Unterfahrt, am 22. November im Landsberger Stadttheater und am 15. Dezember im Cave 61 in Heilbronn.