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Daniel Hope auf Entdeckungsreise in die Belle Époque

Daniel Hope
© Inge Prader
06.02.2020
Daniel Hope ist bekannt für seine Entdeckernatur. Der britische Stargeiger beschränkt sich nie auf Altbewährtes. So sehr er die klassische Tradition schätzt, so gerne weicht er vom üblichen Pfad ab, durchstreift unerforschtes Gelände und hält Ausschau nach musikalischen Schätzen. Dass er dabei ein glückliches Händchen hat, konnte er schon oft unter Beweis stellen. Konzeptalben wie “Spheres” (2013) oder “For Seasons” (2017) bezeugen sein außerordentliches Geschick, ungewöhnliche Programme zusammenzustellen und das Publikum in entlegene Welten zu entführen, wo es sich in Tagträumen verlieren darf und ganz ungezwungen mit überraschenden poetischen Stimmungen vertraut gemacht wird. 
Belle Époque”, so der Titel des gerade erschienenen Doppelalbums, versammelt erlesenes Repertoire aus der musikalisch höchst produktiven Zeit um 1900. Neben bekannten Werken von Massenet, Debussy und Elgar erklingen selten gehörte Miniaturen von Rachmaninow, Charles Koechlin und Frank Bridge sowie Werke der Zweiten Wiener Schule um Arnold Schönberg. Den ersten Teil des Doppelalbums bestreitet Hope unter Begleitung des Zürcher Kammerorchesters mit Orchestermusik der Belle Époque. Im zweiten Teil widmet er sich unter Mitwirkung des britischen Meisterpianisten Simon Crawford-Phillips der Kammermusik. 

Belle Époque

Die Belle Époque weist viele Ähnlichkeiten mit unserer Zeit auf. Einerseits lebten die Menschen in relativer Sicherheit, blickten gebannt auf die Neuerungen der modernen Technik und versprachen sich für die Zukunft wachsenden Wohlstand. Andererseits verschärften sich die sozialen Spannungen und es gab Anzeichen globaler Machtverschiebungen, die sich im Beben des Ersten Weltkriegs, der die Belle Époque mit einem Schlag beendete, grausam entluden. Daniel Hope weiß um die Widersprüche der “schönen Epoche”. Er will sie keinesfalls überdecken. 
Sein Album geht der wechselvollen Stimmung zwischen konservativen Gefühlsregungen und dem zart aufkeimenden Pioniergeist der Moderne nach. Damals “entwickelte sich”, so der Geiger mit Blick auf Strömungen wie Art nouveau, Sezession oder Jugendstil, “eine frische, sinnenfrohe Kunst, der die Natur als Maß aller Dinge galt, die aber auch einer verborgenen, intensiven Emotionalität visuellen Ausdruck verlieh.” Zugleich wurden nostalgische Sehnsüchte wach. Die Glut des romantischen Lebensgefühls flammte noch einmal auf.

Poetische Essenzen

“Belle Époque” zeichnet diesen stimmungsmäßigen Reichtum der Zeit detailfreudig nach. Das Spektrum des Albums reicht von spätromantischer Klangpoesie über impressionistische Neuerungen bis hin zu dem kühnen Experiment eines äußerst reduzierten Ausdrucks, wie ihn Anton Webern in seinem Werk “Vier Stücke für Violine und Klavier” (Op. 7) entwickelte. Erstaunlich ist, dass Hope aus der Vielfalt an Stoffen eine poetische Essenz gewinnt: Es ist sein hinreißend warmer, melancholisch gefärbter Ton, der das gesamte Album dominiert. Am überzeugendsten vielleicht in Debussys "Rêverie", die er in einem großzügigen, filmische Züge tragenden Arrangement für Geige und Orchester darbietet. 
Die romantischen Affekte der Epoche werden am eindringlichsten in Richard Strauss' bewegendem Lied “Morgen!” spürbar. Der Gesang von Mojca Erdmann bereitet Gänsehaut. Selten hat man den hoffnungstrunkenen Vers “Und morgen wird die Sonne wieder scheinen” so beseelt gehört wie in der ohne jeden sentimentalen Überschwang auskommenden Interpretation der hochbegabten Sopranistin. 
Als Highlight des Albums darf Chaussons Konzert für Geige, Klavier und Streichquartett (Op. 21) gelten. Hope trägt es an der Seite der französischen Klaviervirtuosin Lise de la Salle in einer neuen Transkription für Streichorchester vor. “Für mich verkörpert das Werk viele Merkmale dieser Epoche”, so der Geiger, “eine sehr sinnliche Tonsprache, aber auch eine tiefe, fast nostalgische Sehnsucht nach der guten alten Zeit.” Diese Qualitäten, vor allem die sinnliche Fülle und der begeisternde Furor des Kopfsatzes, kommen in der leidenschaftlichen Interpretation von Daniel Hope glänzend zur Geltung. 

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