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Pergolesis Vermächtnis

Claudio Abbado 2001 Foto aufgenommen in Berlin © Felix Broede / DG
Felix Broede / DG
19.08.2009
Im Jahr 1727 beschloss Papst Benedikt XIII, das „Stabat Mater“ als Text in die römisch-katholische Liturgie aufzunehmen. Zwar erfreute sich das geistliche Gedicht aus dem 12.Jahrhundert zuvor bereits einiger Beliebtheit, war nun aber ein regulärer Bestandteil des Gottesdienstes und konnte dementsprechend auch ein musikalisches Gewand brauchen. Alessandro Scarlatti war einer der ersten, der dem „Stabat Mater“ eine musikalische Form gab, und bald folgte ihm Pergolesi, dessen Version wiederum so eindringlich war, das sie bis heute als beste historische Fassung gilt. Der Stardirigent Claudio Abbado wiederum nahm sich nun dem Meisterstück an, ergänzte es um das „Violinkonzert B-Dur“ mit Giuliano Carmignola und das „Salve Regina c-Moll“ mit Julia Kleiter als Solistin.

Giovanni Battista Pergolesi wurde nur 26 Jahre alt. Trotzdem schaffte es der neapolitanische Komponist aus ärmlichen Verhältnissen, deutliche Spuren im musikalischen Leben der Barockzeit zu hinterlassen. Das lag vor allem an seiner Fähigkeit, einfache und verständliche Melodien in ein elegantes künstlerisches Gewand zu kleiden. Obwohl nicht alle seiner Zeitgenossen diese Begabung als solche erkannte, galt sein Name bereits nach vier Jahren öffentlicher Bühnenpräsenz als Qualitätsmerkmal und sorgte dafür, dass nach seinem frühen Tod zahlreiche Werke anderer Komponisten in der Hoffnung auf Profit als seine eigenen ausgegeben wurden. Darüber hinaus sorgte ein Theaterskandal anno 1752 posthum für wachsende Berühmtheit. Nachdem seine Intermezzi „La Serva Padrona“ in Paris aufgeführt worden waren, behaupteten führende Intellektuelle wie Jean-Jacques Rousseau die Überlegenheit des leichten, melodischen Stils gegenüber der französischen „tragédie lyrique“. Die Auseinandersetzung, die öffentlich mit Beschimpfungen im Theaterfoyer, ja sogar mit Duellen ausgefochten wurde, ging als „Buffonistenstreit“ in die Musikhistorie ein.

Mehr jedoch als diese frühaufklärerischen Gedankenspiele sorgen Pergolesis ungewöhnlichen Werke dafür, dass er neben Alessandro Scarlatti zu den wichtigsten Komponisten seiner Generation gezählt wird. Allen voran das im Stil eines Lamentos gehaltene zwölfteilige „Stabat Mater“. Pergolesi schrieb es während seiner letzten Lebensmonate im Winter 1735/36, als er im nahe Neapel gelegenen Franziskanerkloster von Pozzuoli versuchte, die Tuberkulose zu besiegen. Die Textvorlage stammte aus dem 12.Jahrhundert und war in seiner Heimatstadt durchaus populär. Der junge Mann jedoch gab der in Gedichtform gehaltenen Passionsgeschichte aus der Perspektive der Jungfrau Maria einen neuen Hintergrund. Denn er komponierte trotz des ernsten Inhaltes stellenweise durchaus fröhlich, populär und vor allem transparent. Der ornamentale Klangballast, mit dem viele seiner Zeitgenossen kokettierten, interessierte ihn nicht.

So entstanden mit „Stabat Mater“ und dem „Salve Reginae c-Moll“ intensive und zugleich kompakte geistliche Werke, die Pergolesis Ruhm für die Nachwelt begründeten. Und die Werke faszinieren bis heute Sänger gleichermaßen wie erfahrene Meister des Geschäfts. So hat sich der Dirigent Claudio Abbado im November 2007 im Auditorium Teatro Manzoni in Bologna gemeinsam mit dem Orchestra Mozart dem bewegenden Werk zugewandt und es mit der Sopranistin Rachel Harnisch und der Kontra-Altistin Sara Mingardo als Solistinnen eingespielt. Faszinierend ist dabei die Konzentration, die Abbado zu gestalten gelingt, ebenso die Transparenz und Direktheit der Interpretation. Ergänzt wird das knapp vierzigminütige Vokalwerk noch durch ein zweites und kürzeres, das „Salve Regina c-Moll“ und ein instrumentales Intermezzo, das „Violin Concerto B-Dur“, das mit Giuliano Carmignola einen der besten Barockgeiger unserer Tage als Solisten vorweisen kann. Auf diese Weise ist ein Pergolesi-Album entstanden, das gute Chancen hat, zu den Höhepunkten dieses Klassik-Herbstes gezählt zu werden.

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