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Magier der Klänge – Abbados komplette Aufnahmen mit den Wiener Philharmonikern

Claudio Abbado
© Felix Broede / DG
29.01.2020
Wer ihn je erlebt hat, dem wird unauslöschlich in Erinnerung bleiben, wie Claudio Abbado im Konzert "arbeitete", um nicht zu sagen: zauberte. Ohne Pult, ohne Show, ohne Effekthascherei – schon den Weg aus der Gasse hinaus auf die Bühne legte er eilig zurück, um nach kurzer Besinnung sofort zu beginnen, einig mit sich, der Musik und dem Orchester. Dem Konzert voraus ging immer ein Probenprozess, bei dem Claudio Abbado darauf vertraute, dass die Musiker, mit denen er arbeitete nicht nur miteinander spielten, sondern auch aufeinander hörten, Zusammenhänge erkannten. Und er gab ihnen dabei immer das Gefühl, dass sie spielen konnten – nicht wie sie mussten, sondern wie sie es wollten. Egal, ob er die Berliner Philharmoniker, das Chamber Orchestra of Europe oder das Lucerne Festival Orchestra dirigierte – seine Konzerte waren immer emotionale und bewegende Begegnungen mit der Musik.
Davon legt auch die jetzt erschienene Box mit sämtlichen Aufnahmen Claudio Abbados mit den Wiener Philharmonikern für die Deutsche Grammophon beredtes Zeugnis ab. 1967 hatte Abbado in den philharmonischen Abonnementkonzerten im Wiener Musikverein mit einem reinen Brahms-Programm debütiert, darunter die auch in der Edition enthaltene Erste Sinfonie, und das Zweite Klavierkonzert mit Abbados langjährigen Weggefährten Maurizio Pollini. Mehr als 30 Jahre lang hatte Abbado seither das Orchester in mehr als 500 gemeinsamen Auftritten geprägt, darunter 320 Konzerte, 173 Abende an der Wiener Staatsoper, bei den Salzburger Festspielen, bei zahlreichen Aufnahmen – gar nicht zu reden von den Proben. 

Opulentes Kernrepertoire

Mit seiner unfassbaren Repertoirebreite konnte er auch bei diesem Orchester sprichwörtlich aus dem Vollen schöpfen, mehr noch: Er trug damit auch wesentlich zur Horizonterweiterung des Orchesters bei. Neue Wiener Schule, russische und italienische Oper, französischer Impressionismus, Wiener Klassik – natürlich sind alle Beethoven-Ouvertüren im Programm, einschließlich der drei Leonoren-Ouvertüren. Und natürlich geht es nicht ohne Brahms' erste Sinfonie c–Moll, Op. 68,  sein zweites Klavierkonzert B-Dur Op. 83 oder die 21 Ungarischen Tänze, von denen Brahms selbst nur drei instrumentiert hatte – unter Abbados Leitung haben die Wiener Philharmoniker sie zum ersten Mal in ihrer Geschichte komplett eingespielt. Auch Schuberts und Tschaikowskis Sinfonien gehörten zu seinem Kernrepertoire. Genauso wie Mahler, dessen Renaissance in Wien nach 1945 nur zögerlich einsetzte. Abbados produktiver Einfluss auf diesen Prozess wird nicht zuletzt in seinen exemplarischen Einspielungen der Dritten, Vierten und Neunten Sinfonie, zusammen mit dem Adagio der unvollendeten Zehnten sichtbar, die in dieser Box enthalten sind.

Mozart im Herzen

Dass Mozart Abbado besonders am Herzen lag, weiß man. Hören kann man es auch – nicht zuletzt bei den Aufnahmen diverser Klavierkonzerte, unter anderem mit Maria João Pires und mit Friedrich Gulda, die dabei ihr philharmonisches Debüt gaben. Von mehreren Werken enthält die Box zweifache Einspielungen, etwa der 7. und 8. Sinfonie Beethovens, oder Bruckners Erster Sinfonie. Interessant dürften die Vergleiche der Einspielungen aus der Mitte der 80er Jahre mit Abbados frühen Aufnahmen sein.
Wenn es ein musikalisches Ereignis gibt, das den Wienern heilig ist, dann ist es das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker! Einen schöneren Ausdruck musikalischer Verbundenheit mit Claudio Abbado konnte es kaum geben, als dass sie ihn 1988 und 1991 einluden, im Goldenen Saal des Wiener  Musikvereins gemeinsam mit ihnen das Hochamt der Wiener’schen Musik zu feiern. Auch hieran hält die Box die Erinnerungen wach.

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