Cecilia Bartoli | News | Not machte schon im 18. Jahrhundert erfinderisch...

Not machte schon im 18. Jahrhundert erfinderisch…

02.09.2005
… denn anstelle der geschlossenen oder zerstörten Theater musizierte man nun in den Palästen des Adels, wie dem Palazzo Ruspoli, oder denen der Kirchenfürsten, wie im “Palazzo della Cancelleria” Pietro Ottobonis. Dieser war ein den Schönen Künsten, eigentlich überhaupt den schönen Dingen des Lebens gegenüber ausgesprochen offener Mann. Schwerreich, liebte er glanzvolle Empfänge, förderte den jungen musikalischen Nachwuchs und zeigte sich ausgesprochen grosszügig, wenn es um die existentiellen Belange seiner Protegès ging. Allerdings galt er als einer der am wenigstens strengen Kleriker
Kardinal Pamphili wiederum war der Poesie zugetan und verfasste zahlreiche Libretti, darunter den Text zu Alessandro Scarlattis 1685 komponiertem Oratorium “Il Trionfo della Grazia”. Was mit einigen Ergänzungen und Veränderungen exakt der Vorlage für Händels erstes römisches Oratorium entspricht – “La Bellezza ravveduta nel Trionfo del Tempo e del Disinganno” aus dem Jahre 1707. Und natürlich liess es sich der ambitionierte Kirchenfürst nicht nehmen, “sein” neues Opus in den eigenen Räumlichkeiten vor einem geladenen Publikum zu präsentieren. Dieses Werk bildet denn auch mit drei Ausschnitten den Schwerpunkt auf Cecilia Bartolis neuem Album, das neben den bekannten Arien aus “Il Trionfo…” natürlich auch wieder mit zahlreichen Ausgrabungen und Weltersteinspielungen aufwartet. Für sie ist gehören die Werke auf ihrem neuen Album zum Besten, was Barockmusik auf diesem gebiet hervorgebracht hat: “Als Opernvorstellungen in Rom verboten waren, durften einzig allegorische und Heiligenfiguren auf den Bühnen gezeigt werden. Aber anders als vielleicht vermutet, erhöhte das eher das theatralische und expressive Potential eines musikalischen Stils, der dem der Gattung Oper sehr nahe stand. Die musikalische Intensität dieser Oratorien ebenso wie die Geschichte, die sie erzählen, sind ausserordentlich. Das ist Barocktheater auf seinem Höhepunkt.”

Die ausgewählten Themen von “Opera proibita” kreisen denn auch um mehr oder minder bekannte Heilige, allegorische Schlachten und biblische Themen. Einmal ist es der Triumph der Unschuld, ein anderes Mal jener der Keuschheit. Alessandro Scarlatti entführt uns in einen Rosengarten, und meint damit nichts anderes als die Allerheiligste Jungfrau des Rosenkranzes. Und Antonio Caldara lässt uns am Martyrium der Heiligen Katharina ebenso teilhaben wie er Leben und Taten der Heiligen Francesca von Rom musikalisch illustriert. Auch vor musikalischen Überraschungen ist man nicht gefeit: Wer das berühmte “Lascia ch’io pianga” aus Händels Oper “Rinaldo” kennt, muss staunend erkennen, dass der Maestro dieses Lamento bereits in seinem ersten Oratorium verwendet hatte. Und dessen nicht genug, stammt das eigentliche Original im Stil einer Sarabande aus den Tanzeinlagen von Händels allererster Oper, “Almira, Königin von Kastilien”, 1705 komponiert für das Hamburger Theater am Gänsemarkt.

Befragt, was all diese scheinbar fernen und nicht gerade “modernen” Themen mit uns heutigen Menschen zu tun haben, hält Cecilia Bartoli ein Plädoyer nicht nur für die theatralischen Einfälle der Komponisten des 18. Jahrhunderts, sondern auch für ihre Heimatstadt: “Allegorien und Heiligengeschichten sprechen uns so direkt an und bewegen gerade deshalb so stark, weil sie jenseits unseres eigenen Erfahrungshorizontes liegen. Weil sie universell und an keinen bestimmten Glauben gebunden sind, berühren sie uns nach wie vor so tief. Was aber mich selbst betrifft, so finde ich alles, was ich über römisches Leben je erfahren habe, in dieser Musik: ob es der Ausblick von der Spitze des Gianicolo Hügels über die Stadt oder der Gang durch das Zentrum ist. Das dramatische Spiel von Licht und Schatten, wie es nur ein südliches Klima hervorbringen kann, die Majestät der Ruinen des Forums, die Sinuskurven der Wasserfontänen in den römischen Brunnen, das Stimmengewirr in den alten Alleen, das Gefühl von Unendlichkeit an den Ufern des Tiber und besonders die Freude an der Entdeckung von etwas zuvor nie Bemerktem.”

Ab 12. September kann man sich davon auf Cecilia Bartolis bislang persönlichstem Album einen klingenden Eindruck verschaffen.

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