Cecilia Bartoli | News | Cassanova im Caravan - Cecilia Bartoli in Rossinis "Le Comte Ory"

Cassanova im Caravan – Cecilia Bartoli in Rossinis “Le Comte Ory”

Cecilia Bartoli - Rossini: Le Comte Ory
© Decca
06.03.2014
Nachdem Henry F. Chorley erstmals “Le Comte Ory” gesehen hatte, erklärte er, die Oper enthalte “keine schlechte Melodie, nicht einen einzigen hässlichen Takt”. Die Euphorie des viktorianischen Musikjournalisten fand ihren Widerhall bei zeitgenössischen Kritikern, als Cecilia Bartoli im Januar 2011 in der Erstaufführung der neuen Bärenreiterausgabe am Opernhaus Zürich ihr Rollendebüt als Gräfin Adèle gab. “Atemberaubend sichere Koloraturen” bescheinigte ihr die Opernwelt. Das Magazin Opera sprach der italienischen Mezzosopranistin seine Bewunderung für große Leichtigkeit in den hohen Regionen dieser Sopranrolle aus und lobte auch den mexikanischen Tenor Javier Camarena für “berückendes Timbre”, “weichen Schmelz” und hohe Cs, “die nie aufgesetzt wirken, sondern organisch dem melodischen Fluss entströmen”.
Witz und prickelnde Erotik
Gioachino Rossinis vorletzte Oper, vollendet 1928, zählt zu den besten komischen Werken, die der Komponist geschrieben hat. Sie weist weit über die Normen der französischen Opéra comique hinaus und macht Gebrauch von weiträumigen musikalischen Formen und einem großen Orchester. Eine geniale Verbindung von Anmut und Witz macht den besonderen Charme dieser Oper aus, und Elemente der Travestie verleihen ihr prickelnde Erotik. Rossini zeigt sich in dem Werk als geschickter Wiederverwerter früherer Ideen. “Le Comte Ory” basiert teilweise auf seiner komischen Oper “Il viaggio a Reims”, die er 1825 anlässlich der Krönung Karls X. Geschrieben hatte.
Schauplatz Fünfte Republik
Das Regie-Duo Moshe Leiser und Patrice Caurier verlegte die Handlung der Oper aus dem mittelalterlichen Frankreich in die Anfangsjahre der Fünften Republik, wo ein enges Korsett aus gesellschaftlichen und moralischen Normen das Leben einschnürte. “Natürlich hätte man die Oper gut und gern im Mittelalter belassen können”, erklärt Moshe Leiser. “Doch aus meiner Sicht ist es für ein heutiges Publikum interessanter, zu sehen, dass die Zeit, in der Religion und Nation derartig starke Werte waren, nicht weit zurück liegt. Zudem kann sich heute jeder mit dem Wunsch der damaligen Jugend identifizieren, freier zu atmen und auch größere sexuelle Freiheit zu genießen.”
Auf Tuchfühlung im Habit
In einer französischen Kleinstadt Mitte der 1960er Jahre herrscht ein libidinöser Notstand, den der lüsterne junge Graf Ory (Javier Camarena) für sich ausnutzen will. Während die Männer des Ortes Kriegsdienst im fernen Algerien versehen, platziert Ory einen Campingwagen auf dem Marktplatz. In der Maskerade eines blinden Eremiten bietet er dort unter dem Credo “Dieu est amour” eine besonders teilnahmsvolle Variante der Seelsorge an, die sich rasch enormer weiblicher Nachfrage erfreut. Doch das eigentliche Subjekt seiner Begierde, die Gräfin Adèle (Cecilia Bartoli), fällt nicht auf den Schwindel herein, und Ory fliegt auf.
Zuvor nahm der vermeintliche Geistliche seinem ahnungslosen Pagen Isolier (Rebeca Olvera in einer Hosenrolle), dessen Herz ebenfalls für die Gräfin entflammt ist, allerdings noch eine Liebesbeichte ab. Dabei entlockte er Isolier den Plan, im Nonnenkostüm auf Tuchfühlung mit Adèle zu gehen. Der zweite Anlauf Orys führt in ihr Schlafgemach. Dort erwartet den Grafen im Nonnenhabit bereits Isolier, der ihm diesmal einen Schritt voraus ist und sich im Schutz der Dunkelheit als Adèle ausgibt. Aufgeschreckt von den Fanfaren der zurückkehrenden Soldaten muss Graf Ory abermals kurz vor dem Ziel die Flucht ergreifen. Isolier indes gewinnt die Gunst der Adèle und im ganzen Ort feiert man die Heimkehr der Männer.
Rossini auf historischen Instrumenten
“Man muss die für Rossinis fantastische Musik nötige Gesangstechnik und Atemkontrolle mitbringen. Dann kann man Spaß haben und die Musik in vollen Zügen genießen”, sagt Cecilia Bartoli. Die Zusammenarbeit mit dem hauseigenen Orchester La Scintilla, das auf Originalinstrumenten musiziert, und das feine Gespür des chinesischen Dirigenten Muhai Tang für die Balance zwischen Stimmen und Orchester vergrößerten Bartolis Freude noch. “Ich liebe es, Rossini und Belcanto mit historischen Instrumenten zu machen”, sagt sie. “Es gibt dem Klang eine neue Dimension. Die Sänger können in einen echten Dialog mit dem Orchester treten. Es ist weitaus subtiler und raffinierter und man kann viel mehr Details heraushören. Und La Scintilla – sie sind großartige Musiker! Wir kennen uns seit vielen Jahren.”
Decca veröffentlicht einen Mitschnitt dieser begeistert aufgenommenen Züricher Inszenierung von “Le Comte Ory” mit Cecilia Bartoli am 07.03. auf DVD und Blu-ray.

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